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Auf der Borderline nachts um halb eins --- Santiago
23.06.2007 07:22 (zuletzt bearbeitet: 23.06.2007 07:24)
#1 Auf der Borderline nachts um halb eins --- Santiago
http://taz.de/blogs/lottmann/2007/06/22/und-weiter-26/
Grosse Klasse ... recht lebendiges Sittengemälde der kubanischen Geellschaft sowie der europäischen "Touristen" ...
Auf der Borderline nachts um halb eins.
« …und weiter in der Karibik…
…und weiter…
Grosse Klasse ... recht lebendiges Sittengemälde der kubanischen Geellschaft sowie der europäischen "Touristen" ...
Auf der Borderline nachts um halb eins.
« …und weiter in der Karibik…
…und weiter…
In Antwort auf:
Ricardo begann nicht nur die Kubaner zu mögen, seitdem er Giulia traf, sondern entwickelte sogar eine Art Feindseligkeit gegen die eigenen Leute. Er konnte sich gar nicht mehr vorstellen, es mit den verbiesterten deutschen Gesichtern je wieder auszuhalten. Die kleine Freundin war wirklich ein Sonnenschein. Wahrscheinlich nahm sie Drogen, oder wurde nach getaner Arbeit regelmäßig von ihrem Zuhälter verprügelt, was zur Folge hatte, dass sie in der ersten Tageshälfte immer etwas geknickt aussah. Aber danach sprühte sie vor Glück und Zuneigung. Sie war nicht nur die Lebensfreude in Person, sondern auch gänzlich problemlos, wie ein ferienseliges Mädchen auf dem Ponyhof. Und sie liebte ihn offenbar ganz und gar. Wem hätte das nicht gefallen!
In Antwort auf:
Ricardo fühlte sich in seiner Haut immer wohler. Er mußte Guilia auch nicht mehr bezahlen, das übernahm diskret sein Freund, der feinfühlig ahnte, dass solche Dinge für romantische Herzen störend waren. Nachdem die Reinigung des Gran Hotels Ricardos Anzug zum drittenmal durchgebügelt hatte, fühlte er sich auch endlich gut angezogen. Heller europäischer Anzug, weißes Herrenoberhemd, weiße Lederschuhe, blonde Haare, Sonnenbrille, goldene Uhr, gebräunte Haut und ein entspannter, von der Liebe trainierter Körper, einen Kopf größer als die Kubaner: sein Gefühl für sich selbst änderte sich. Aus Sartre wurde Schwarzenegger, also in der Selbstwahrnehmung. Er hatte auch gar nicht den Gedanken, eine sexuelle Beziehung zu unterhalten, eine zweite, illegalerweise. Die Bewohner auf Kuba, zumindest in Santiago, machten nicht „Sex“ miteinander, man mußte es schon Liebe nennen. Oder genauer: der Sex fand zwischen Menschen statt, nicht zwischen Körpern. Oder noch genauer: zwischen Kubanern und nicht Deutschen. Ricardo rechnete sich bereits nicht mehr zu den letzteren.
In Antwort auf:
Manchmal trafen sie Engländer in der Libreria Internacional am Südende des Parque Céspedes, da dort englische Bücher zu kaufen waren, meist politischen Inhalts. Ricardo las seinen Engels zwar lieber auf deutsch, aber es war auch eine Sprachübung. Hier war es, als sein Freund ihn, eher aus Langeweile, fragte, was denn dran sei an dem Gerede Guilias, sie würden heiraten. Ricardo lachte nicht, blieb ernst:
„Nein, nicht Guilia. Aber der Gedanke, eine Kubanerin zu heiraten, gefällt mir schon. Es dürfte halt nicht so ein Kind sein. Sie müßte ungefähr mein Alter haben, so 38, und gebildet sein.“
„Du bist doch älter als 38!“
„Ja, klar. Trotzdem. Um die 40, das wäre das richtige Alter. Und eben total gebildet, sodaß sie fließend Englisch spricht und auch Deutsch schnell lernt. Sie muß viele Bücher gelesen haben.“
„Das gibt es leider nicht, hier in Kuba.“
„Warum? Es ist das Leseland, wie früher die DDR. Wer sich keinen Fernseher leisten kann – und wer kann das schon – muß lesen.“
„Dein Fehler liegt woanders, mein Freund. Nur die jungen Frauen sind zu haben. Ab 20, spätestens 25, sind sie verheiratet und haben Kinder.“
„Und wenn die Kinder aus dem Haus sind?“ fragte Ricardo schwach. Er wußte bereits, dass der Einwand nichts brachte. Die Kubanerinnen gingen aus dem Leim, sobald sie ihr zweites Kind bekamen. Nur die jungen Frauen waren hübsch. Schlanke Schönheiten über 30 oder gar 35 waren gänzlich unbekannt. Ein Motorrad mit Beiwagen knatterte vorbei. Im Beiwagen saß eine Chica und lachte. In zehn Jahren würde sie nicht mehr in den Beiwagen passen, und nicht mehr lachen. Diese Motorräder mit Beiwagen waren auf Kuba sehr verbreitet. Es gab davon mehr, als BMW in seiner gesamten Firmengeschichte hergestellt hatte. Es mußte die totale Folter sein, in diesem ungefederten Beiwagen zu sitzen und über die Schlaglöcher zu brettern. Da war es in dem Lloyd Alexander von 1958, der nun vorbeisägte, wirklich luxuriöser.
In Antwort auf:
Politicky zwinkerte ihm zu. Das hatte er also gedeichselt. Verhaftungen waren sowieso nichts Besonderes in Kuba, Ricardo hatte sich schon daran gewöhnt. Man sah überall diese Polizisten, die gerade jemanden festnahmen, es war ihre Haupttätigkeit. Wenn sie etwas taten, das das. Wenn sie nichts taten, dann standen sie genau in der Mitte einer Kreuzung und sahen den Menschen zu. Sie trugen sehr adrette Uniformen und hoben sich auch sonst angenehm von der verarmten Bevölkerung ab. Es waren gut gebaute, disziplinierte Männer, rasiert, frisiert, gereinigt, wach und ernst. Es gab kaum eine Kreuzung ohne solch einen hübschen Mittelpunkt. Der Polizist ersetzte die Straßenbeleuchtung, für die der Staat kein Geld hatte. Die Straßen waren auch in Santiago eng, und die Kreuzungen kaum weiter als ein Berliner Hinterhof. Aber es drängten sich eine Million Kubaner nachts durch diese Wege, und ohne die Polizisten wäre es ein einziger dark room gewesen, wie geschaffen für Diebe und Schwule. Wahrscheinlich war Homosexualität AUCH deswegen verboten. In einem Land ohne Straßenbeleuchtung wäre sonst kein Knabe mehr sicher gewesen.
„Tja, der Halbbruder wird uns das hoffentlich nicht übel nehmen.“
„Keine Angst, der kennt das schon.“
„Ich weiß. Verhaftungen sind hier nichts Schlimmes. Die kommen in die berüchtigten Folterkeller, wo sie auf die anderen Spezeln treffen, Homos, Künstler, Politische…“
„Naja, ein bißchen ärger ist es schon.“
„Wenigstens weiß man, dass sie wirklich durchgreifen, die Polizisten. Dass sie nicht nur rumstehen und korrupt sind, wie in einem Marionettenregime. Man ist wirklich SAVE.“
„Wenn man kein Schwuler ist.“
„Klar, und kein CIA-Spitzel. Aber das sind wir ja nicht. Ich bin zwar IM bei der Zentralen Intelligenz Agentur, aber das tut nichts zur Sache. Und ich bin keine verdammte Schwuchtel, Herrgott nochmal!“
„Was erregst Du Dich so? Ist doch nichts dabei, schwul zu sein.“
„Da ist nichts dabei?! Weißt Du, was Fidel dazu gesagt hat? Ein Revolutionär, der sich nicht fortpflanzt, weil er sich nicht zu einer Frau legt, wird niemals Söhne haben, die die kubanische Revolution weitertragen können!“
Rafael, hätte es nicht genügt, einmal auf den Taz-Blog hinzuweisen und darauf zu vertrauen, dass wir als erwachsene, im Internet bewanderte Menschen durchaus fähig sind, selbstständig die Taz-Seite anzuklicken???
23.06.2007 15:39
#3 RE: Auf der Borderline nachts um halb eins --- Santiago
Zitat von chavalito
Rafael, hätte es nicht genügt, einmal auf den Taz-Blog hinzuweisen...
Nein, denn er will uns ja zeigen, wie wir den Text zu interpretieren haben, indem er uns den hier auschnittsweise und mit Smileys versehen präsentiert.
Hier ein netter Verriss in "Freitag"
http://www.freitag.de/2007/20/07201202.php
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