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Auf der Borderline nachts um halb eins. - Teil 6
20.06.2007 23:33 (zuletzt bearbeitet: 20.06.2007 23:34)
#1 Auf der Borderline nachts um halb eins. - Teil 6
http://taz.de/blogs/lottmann/2007/06/20/und-weiter-25/
Aus der beliebten Serie "Auf der Borderline nachts um halb eins" ...
Mal schauen, wer sich heute wiederfindet ....
Auf der Borderline nachts um halb eins.
« 12. Kapitel: Santiago de Cuba
…und weiter…
Ricardos neuer und alter Freund entwickelte völlig neue gute und schlechte Eigenschaften. Zum einen stellte sich bald heraus, dass er, also Matthias Politicky, keineswegs mehr der kultivierte Mann war, den Ricardo einst gekannt hatte. Und er sah auch nicht mehr gut aus. War er einfach nur alt geworden? Sah vielleicht auch Ricardo so verlebt aus? Nein, das war unwahrscheinlich. Ricardo gefiel sich im Spiegel immer besser, seitdem er Kuba betreten hatte. Eigentlich mochte er sich zum erstenmal seit Jahren wieder leiden, wenn er sich im Spiegel sah. Es konnte natürlich an den kubanischen Spiegeln liegen, die recht stumpf und auch im Badezimmer unbeleuchtet waren. Ein weiterer geschickter Zug von Fidel Castro wahrscheinlich, der sich bekanntlich auch um die kleinsten Details kümmerte. Seine Landsleute konnten sich so leiden, auch wenn sie älter wurden.
Andererseits, auch wenn Kuba den Kollegen aus Hamburg nicht schöner hatte werden lassen, so konnte Ricardo nicht bestreiten, dass Politicky an Persönlichkeit gewonnen hatte. Sein Schwärmen für die dunklen Kulte, die angeblich alle aus Afrika kamen, wirkte keineswegs so lächerlich, wie Ricardo es gern gehabt hätte. Politicky war kein dummer Mensch, und seine Ansichten bedeuteten einen ernsthaften Angriff auf das sonst so stabile Weltbild von Rúiz. So meinte sein Freund, in der Situation von Mangel, Unfreiheit und Stillstand gebe es grundsätzlich nur zwei Ventile: Sex und Religion. Was sollten die Leute sonst machen, da sie doch objektiv im Gefängnis saßen? Erst als Politicky von der Verschmelzung des Christentums mit afrikanischen Tierreligionen, Animalismus, Voodoo und Götzendienerei fabulierte und dabei ganz hingerissen wirkte, fasste sich Rúiz wieder. Das Christentum mit dem Aberglauben zu vermengen war doch der größte Frevel überhaupt! Das hatte Papst Benedikt XVI gerade vor kurzem wieder ganz deutlich ausgedrückt. Niemals den Teufel anbeten und dann auch noch Jesus Christus miteinbeziehen! Wer das tue, komme noch eher in die Hölle als einer, der GAR NICHT bete. Also, das mußte doch jeder verstehen.
uswusw.
http://taz.de/blogs/lottmann/2007/06/20/und-weiter-25/
Aus der beliebten Serie "Auf der Borderline nachts um halb eins" ...
Mal schauen, wer sich heute wiederfindet ....
Auf der Borderline nachts um halb eins.
« 12. Kapitel: Santiago de Cuba
…und weiter…
Ricardos neuer und alter Freund entwickelte völlig neue gute und schlechte Eigenschaften. Zum einen stellte sich bald heraus, dass er, also Matthias Politicky, keineswegs mehr der kultivierte Mann war, den Ricardo einst gekannt hatte. Und er sah auch nicht mehr gut aus. War er einfach nur alt geworden? Sah vielleicht auch Ricardo so verlebt aus? Nein, das war unwahrscheinlich. Ricardo gefiel sich im Spiegel immer besser, seitdem er Kuba betreten hatte. Eigentlich mochte er sich zum erstenmal seit Jahren wieder leiden, wenn er sich im Spiegel sah. Es konnte natürlich an den kubanischen Spiegeln liegen, die recht stumpf und auch im Badezimmer unbeleuchtet waren. Ein weiterer geschickter Zug von Fidel Castro wahrscheinlich, der sich bekanntlich auch um die kleinsten Details kümmerte. Seine Landsleute konnten sich so leiden, auch wenn sie älter wurden.
Andererseits, auch wenn Kuba den Kollegen aus Hamburg nicht schöner hatte werden lassen, so konnte Ricardo nicht bestreiten, dass Politicky an Persönlichkeit gewonnen hatte. Sein Schwärmen für die dunklen Kulte, die angeblich alle aus Afrika kamen, wirkte keineswegs so lächerlich, wie Ricardo es gern gehabt hätte. Politicky war kein dummer Mensch, und seine Ansichten bedeuteten einen ernsthaften Angriff auf das sonst so stabile Weltbild von Rúiz. So meinte sein Freund, in der Situation von Mangel, Unfreiheit und Stillstand gebe es grundsätzlich nur zwei Ventile: Sex und Religion. Was sollten die Leute sonst machen, da sie doch objektiv im Gefängnis saßen? Erst als Politicky von der Verschmelzung des Christentums mit afrikanischen Tierreligionen, Animalismus, Voodoo und Götzendienerei fabulierte und dabei ganz hingerissen wirkte, fasste sich Rúiz wieder. Das Christentum mit dem Aberglauben zu vermengen war doch der größte Frevel überhaupt! Das hatte Papst Benedikt XVI gerade vor kurzem wieder ganz deutlich ausgedrückt. Niemals den Teufel anbeten und dann auch noch Jesus Christus miteinbeziehen! Wer das tue, komme noch eher in die Hölle als einer, der GAR NICHT bete. Also, das mußte doch jeder verstehen.
uswusw.
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