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Der Hahn in Nachbars Garten kräht... Meine Reise durch den Oriente
#51 RE: Der Hahn in Nachbars Garten kräht... Meine Reise durch den Oriente
Weiter gehts. Ein bisschen Lesestoff fürs Wochenende.
Chivirico – La Mula
Am nächsten Morgen versöhnt mich das Frühstück wieder mit meinem Schicksal. Der Frühstückstisch ist vollgepackt mit gebratenem Schinken, frittierten Bananen, Käse, Eier, Früchten, Kaffee, Saft und Brot. Eines muss man den Chiviriqueños lassen, von Essen verstehen sie etwas. Als ich aufstehe habe ich das Gefühl zu platzen. Heute werde ich nicht mehr viel Nahrung brauchen.
Mein Tagesziel ist der Campismo La Mula. Mit ca. 45km eine kurze Strecke. Aber ich bin ja nicht hier, um Kilometer zu fressen, ich möchte möglichst viel von Land und Leuten kennenlernen.
Als ich, etwas später als geplant, losfahre, ist die Sonne schon ein ganzes Stück über den Horizont geklettert und deutlich zu spüren. Wenn man in wärmeren Ländern mit dem Fahrrad unterwegs ist, ist der frühe Morgen die beste Zeit. Sonne und Hitze sind nicht zu unterschätzende Faktoren. Da ich von Osten nach Westen fahre, habe ich sie im Rücken, was viel angenehmer ist, als von vorne gebraten zu werden. Um Kopf und Nacken zu schützen setze ich schon bald wieder den alten Hut von La Abuela auf. Der sieht zwar etwas lächerlich aus, erfüllt aber seien Zweck.
Auch wenn jetzt die Luft noch kühl ist, werde ich wohl in ein bis zwei Stunden wieder das Gefühl haben, durch einen Backofen zu fahren. Ich nehme mir vor, die nächsten Tage früher aufzustehen, um die kühlen Morgenstunden besser zu nutzen.
Ich bin nicht der einzige Radfahrer
Das Meer ist nie weit entfernt, die dunklen Strände sind jedoch so steinig, dass es schwierig sein würde, mehr als die Füße im Meer zu baden.
Küstenstraße zwischen Chivirico und Pilon
Strohgedeckte Holzhäuschen
Die Landschaft wirkt trocken. Die Berghänge sind mit dornigen Büschen und gedrungenen Bäumen bewachsen. Entlang der Küste wachsen stachlige Säulenkakteen. Ab und zu tauchen strohgedeckte Holzhäuschen auf, oft von Kakteenhecken eingezäunt.
Als ich kurz anhalte um ein Foto zu machen, kommt eine junge Frau aus einem der Häuschen gerannt und ruft mir zu:
„Yuma, casate conmigo“.
Ich fahre schnell weiter.
Gegen 10 Uhr erreiche ich ein winziges Nest namens Uvero. Ein paar Häuser, ein Miniladen, eine Cantina. Wasser kann ich nirgends kaufen, da der Miniladen geschlossen ist. In der Cantina haben sie immerhin Pomos de Naranja und Cerveza. Man muss nehmen was es gibt, also trinke ich zwei Pomos de Naranja, süß, klebrig, aber kalt. Um den süßen Geschmack loszuwerden, spüle ich eine Cervecita hinterher.
Dann sitze ich ein bisschen im Schatten eines akazienähnlichen Baumes herum und beobachte das Leben von Uvero. Viel gibt es da allerdings nicht zu sehen, ein paar Leute schlurfen die Straße entlang, andere chillen im Schatten der Veranden, oder der Bäume.
Ein Guajiro fragt mich, woher ich komme und wohin ich wolle. Seine Tochter lebt in Deutschland:
„Mi hija vive en Alemania Dusseldoff“
Er lädt mich ein, ich könne in seinem Haus übernachten. Seine Frau sei eine gute Köchin und alles sei „muy tranquilo“ dort.
Ich danke für die Einladung, aber ich möchte heute noch weiter. Vielleicht das nächste Mal? Er schreibt seine Adresse auf einem Papierfetzen und geht seines Weges.
Und ich fahre meines Weges.
Die zerstörte Brücke kurz nach Uvero
Die Brücke wurde schon vor Jahren bei einem Hochwasser zerstört. Sie wird trotzdem von Fußgängern und „leichteren“ Fahrzeugen benutzt. Für die anderen gibt es eine Umfahrung durch das Flussbett. Als ich dort vorbeikomme ist es knochentrocken, aber ich könnte mir vorstellen, dass zu anderen Jahreszeiten Wasser fließt und es dann nicht immer einfach ist, durchzukommen.
Nach Uvero nimmt die Straßenqualität spürbar ab. Die Gegend wird einsamer und wilder, die Kakteen stachliger, die Felsen steiler, die Berge höher, die Landschaft noch schöner. Manchmal stürzen schroffe Felswände bis zur Küste hinab.
Ich muss ein paar Anstiege bewältigen, aber nichts Dramatisches. Für die Strecke Chivirico – La Mula benötige ich zwar fast 5 Stunden, aber das liegt nicht am Schwierigkeitsgrad, sondern an den vielen Stopps, die ich einlege. Ich halte oft an, fotografiere, genieße die Landschaft, unterhalte mich hier und da mit einem Campesino.
Campismo La Mula
Den Campismo La Mula, erreiche ich gegen Mittag. Die Anlage liegt zwischen einem steinigen Strand und dem Rio La Mula. Campismo bedeutet in Kuba Ferienanlage mit kleinen Ferienhäuschen, primär für Kubaner. Die Häuschen sind sehr spartanisch eingerichtet, oft müssen die Gäste Bettwäsche, Ventilator, Geschirr etc. selber mitbringen. Für Touristen gibt es manchmal spezielle ‚Devisenhäuschen‘, die etwas mehr Komfort bieten.
So auch hier in La Mula. Für 8.50 CUC (con desayuno) bekomme ich eines der Luxushäuschen. Der Luxus besteht aus einer Toilette/Dusche, einem Ventilator und einem Kühlschrank. Soviel Luxus habe ich in La Mula nicht erwartet. Und der Hammer: Der Kühlschrank ist bis zum Rand mit kaltem Bier gefüllt. Was das bedeutet, kann nur nachvollziehen, wer schon mal mit dem Fahrrad nach La Mula gefahren ist.
Die Devisen-Cabaña
Mit kaltem Bier gefüllter Frio - Luxus pur
Leider funktioniert die Dusche nicht. Als ich die Rezeptionistin entsetzt anschaue meint sie mit einem Blick auf mein verschwitztes Äußeres:
„Chico, báñate en el río! El agua es muy rica“
Unweit des Campismo gibt es zum Baden geeignete Stellen im Fluss. Das Wasser ist klar und angenehm kühl. Der Rio dient auch den Einheimischen als Wasch- und Badeplatz. Ein Campesino schrubbt sein Pferd, dann seift er sich selber ein und springt zu seinem Pferd ins Wasser. Andere waschen ihre Kleider, oder planschen im Wasser herum. Ich habe meine Kernseife dabei und tue ebenso.
Ich komme mit einem der Wäscher ins Gespräch. Er ist Santiaguereo und auf Familienbesuch in La Mula. Nachdem ich ihm erzählt habe, wer ich bin und woher ich komme, was ich in Kuba mache, welchen Familienstand und wieviel Kinder ich habe, warnt er mich sehr eindringlich vor der Gefahr, überfallen und beraubt zu werden. Er sagt, dass es in dieser Gegend sehr wenig Polizisten gäbe, und so ein Yuma mit Fahrrad wäre eine attraktive Beute. Er rät mir, mich nie von meinem Bicicleta oder meinen Sachen zu entfernen.
„Ten mucho cuidado“, sagt er mehrmals.
Diese Warnung passt irgendwie nicht in diese friedliche Landschaft, ich nehme mir trotzdem vor aufzupassen.
Campismo La Mula, Sonnenuntergang
Zum Sonnenuntergang setze ich mich an den Campismo-Strand. Er ist so steinig, dass es fast unmöglich ist, sich bequem hinzusetzen. Während die Sonne malerisch hinter den Ausläufern der Sierra Maestra verschwindet, versuche ich die zahlreichen Moskitos zu ignorieren, die sich hungrig auf mich stürzen. Außer dem Zirpen der Grillen, dem Summen der Insekten und dem gedämpften Donnern der Brandung, ist es ruhig und friedlich. Offensichtlich bin ich der einzige Gast im Campismo. Selbst die Angestellten sind längst nach Hause gegangen.
Dass es bisweilen lebhafter zugehen muss, beweisen die Abfälle, die am Strand herumliegen: leere Bierdosen, Rumflaschen und Verpackungen von Kondomen. Scheinbar wird hier gelegentlich kräftig geschnackselt. Ich frage mich, wie die Leute das auf dem steinigen Untergrund hinkriegen…
Schnell wird es dunkel. Ein bisschen unheimlich ist es schon, ganz alleine auf dem unbeleuchteten Gelände zu sein. Da ich heute bereits vor Überfällen gewarnt wurde, bin ich etwas sensibilisiert. Als ich zurück zu meinem Häuschen gehe, sehe ich immerhin im Eingangsbereich einen Wächter herumsitzen.
Leider hat meine Luxushütte kein Moskitonetz. Überall wo ich hinschaue, krabbelt geflügeltes und ungeflügeltes Getier herum. Als ich in einen der aus Santiago mitgebrachten Turrones de Mani beiße, habe ich plötzlich Mund und Hand voller winziger Ameisen, die mich schmerzhaft attackieren. Ich erschlage ein paar der fettesten Moskitos, die als blutiger Matsch an der Wand kleben bleiben. Als ich ein paar Minuten später nachschaue, sehe ich, dass die sterblichen Überreste von Miniameisen abgebaut werden, die in langen Kolonnen die Wände überqueren. Noch ein paar Minuten später, ist nichts mehr da. Perfectes Recycling.
Bevor ich ins Bett gehe, öle ich mich äußerlich dick mit Autan ein und innerlich mit einer ordentlichen Portion Rum. Dann stelle ich den Ventilator auf volle Pulle und lege mich schlafen.
#52 RE: Der Hahn in Nachbars Garten kräht... Meine Reise durch den Oriente
nico_030
(
gelöscht
)
#53 RE: Der Hahn in Nachbars Garten kräht... Meine Reise durch den Oriente
#54 RE: Der Hahn in Nachbars Garten kräht... Meine Reise durch den Oriente
#55 RE: Der Hahn in Nachbars Garten kräht... Meine Reise durch den Oriente
Clandestino, klasse Bericht gute Fotos.
Muss Dich ja bewundern mit dem Fahrrad. Sieht aber so aus, als wenn die Tour auch
gut mit dem Motorrad zu fahren ist. Werd ich mal testen in 5,5 Jahren...
#56 RE: Der Hahn in Nachbars Garten kräht... Meine Reise durch den Oriente
#57 RE: Der Hahn in Nachbars Garten kräht... Meine Reise durch den Oriente
#58 RE: Der Hahn in Nachbars Garten kräht... Meine Reise durch den Oriente
Zitat von Clandestino im Beitrag #51
„Yuma, casate conmigo“.
Ich fahre schnell weiter.
Süß!
Schade, dem Fahrrädchen hätte ´ne kleine Rast bestimmt auch gut getan...
#59 RE: Der Hahn in Nachbars Garten kräht... Meine Reise durch den Oriente
Zitat von cabeza mala im Beitrag #52
Schöne Bericht.
Übernachtung mit Frühstück und einem Kühlschrank voll Bier für 8,50.
Das Bier war leider nicht inklusive
#60 RE: Der Hahn in Nachbars Garten kräht... Meine Reise durch den Oriente
Zitat von falko1602 im Beitrag #55
Clandestino, klasse Bericht gute Fotos.
Muss Dich ja bewundern mit dem Fahrrad. Sieht aber so aus, als wenn die Tour auch
gut mit dem Motorrad zu fahren ist. Werd ich mal testen in 5,5 Jahren...
Die Tour mit einem Roller zu machen, hatte ich auch mal in Planung. Im nachhinein bin ich aber froh, es mit dem Fahrrad gemacht zu haben, es ist schon etwas Besonderes, wenn man so eine Strecke aus eigener Kraft bewältigt. Finde ich.
#61 RE: Der Hahn in Nachbars Garten kräht... Meine Reise durch den Oriente
#62 RE: Der Hahn in Nachbars Garten kräht... Meine Reise durch den Oriente
Zitat von Flipper20 im Beitrag #58In Cuba ist man schneller verheiratet, als man auf drei zählen kann, da hilft nur die Flucht.Zitat von Clandestino im Beitrag #51
„Yuma, casate conmigo“.
Ich fahre schnell weiter.
Süß!
Schade, dem Fahrrädchen hätte ´ne kleine Rast bestimmt auch gut getan...
#63 RE: Der Hahn in Nachbars Garten kräht... Meine Reise durch den Oriente
Zitat von Clandestino im Beitrag #62Zitat von Flipper20 im Beitrag #58In Cuba ist man schneller verheiratet, als man auf drei zählen kann, da hilft nur die Flucht.Zitat von Clandestino im Beitrag #51
„Yuma, casate conmigo“.
Ich fahre schnell weiter.
Süß!
Schade, dem Fahrrädchen hätte ´ne kleine Rast bestimmt auch gut getan...
wie Recht du hast. toller Bericht.
Zitat von Clandestino im Beitrag #61Hübsche Gegend, da bin ich ja quasi dran vorbeigefahren.
[quote=nico_030|p8088034]Hi@all!
Ein Ortsteil von Asseradero, 45 km nach Santiago, 33 km vor Chivirico.
Habe im Feb. März nach dem Haus von nico_030 gefragt, aber es konnte mir niemand richtig beantworten.Habe früher einige Jahre in Juan Gonzales und in Caleton Blanco gewohnt.
#64 RE: Der Hahn in Nachbars Garten kräht... Meine Reise durch den Oriente
Zitat von falko1602 im Beitrag #55
Clandestino, klasse Bericht gute Fotos.
Muss Dich ja bewundern mit dem Fahrrad. Sieht aber so aus, als wenn die Tour auch
gut mit dem Motorrad zu fahren ist. Werd ich mal testen in 5,5 Jahren...
sorry falko aber 65 monate sind echt lange ,gefühlt werde ich nur 42 monate überleben.
nico_030
(
gelöscht
)
#65 RE: Der Hahn in Nachbars Garten kräht... Meine Reise durch den Oriente
Hi@all!
Zitat von caleton im Beitrag #63Hübsche Gegend, da bin ich ja quasi dran vorbeigefahren.
Ein Ortsteil von Asseradero, 45 km nach Santiago, 33 km vor Chivirico.
Habe im Feb. März nach dem Haus von nico_030 gefragt, aber es konnte mir niemand richtig beantworten.
[/quote]
Das liegt daran das Ihr nur den Fisch ankiekt.
Das Haus, ist das Blaue da im Hintergrund.
2. Parada in Asseradero, von Santiago kommend.
joerg
#66 RE: Der Hahn in Nachbars Garten kräht... Meine Reise durch den Oriente
Zitat von Karo im Beitrag #49@Karo Meinst du um Übernachtungen zu buchen? Ich hatte nichts gebucht, ich war auch nicht in der Saison dort. Auf der ganzen Strecke bis Manzanillo begegnete mir nur ein einziger weiterer Yuma-Radfahrer. Im Dez./Jan soll es allerdings etwas voller werden, in dieser Zeit wäre es vielleicht ratsamer Casas vorauszubuchen.
Für diese Strecke war mir immer ein Rätsel, wie man da voraus zuständige Buchungsagenten findet. Da weiss meist niemand Bescheid, echt mühsam.
#67 RE: Der Hahn in Nachbars Garten kräht... Meine Reise durch den Oriente
Zitat von Clandestino im Beitrag #66Zitat von Karo im Beitrag #49
Für diese Strecke war mir immer ein Rätsel, wie man da voraus zuständige Buchungsagenten findet. Da weiss meist niemand Bescheid, echt mühsam.
@Karo Meinst du um Übernachtungen zu buchen? Ich hatte nichts gebucht, ich war auch nicht in der Saison dort. Auf der ganzen Strecke bis Manzanillo begegnete mir nur ein einziger weiterer Yuma-Radfahrer. Im Dez./Jan soll es allerdings etwas voller werden, in dieser Zeit wäre es vielleicht ratsamer Casas vorauszubuchen.
Ja, genau darum ging es, keiner der da schon durch war konnte was nennen, teils opAir oder Zufall bei irgendwem.
#68 RE: Der Hahn in Nachbars Garten kräht... Meine Reise durch den Oriente
Für die, die es interessiert habe ich das Höhenprofil der Strecke Santiago (rechts) - Pilon (links) erstellt. Die einzelnen Anstiege sind nicht besonders hoch, dafür steil. Diese schroffen Anstiege sind typisch für die Sierra Maestra. Dieser Streckenabschnitt ist ungefähr 185km lang. Ich habe ihn in 3 Tagen gemacht, es soll Leute geben, die fahren das in einem Rutsch. Habe ich gehört...
nico_030
(
gelöscht
)
#69 RE: Der Hahn in Nachbars Garten kräht... Meine Reise durch den Oriente
Hi@all!
Zitat von Clandestino im Beitrag #68
Strecke Santiago (rechts) - Pilon (links) erstellt. Ich habe ihn in 3 Tagen gemacht, es soll Leute geben, die fahren das in einem Rutsch.
Ich bin einige Male in einem Stück diese Strecke gefahren. Lt. meinem Tacho Pilon- Santiago Altamira 200 km.
Allerdings mit dem schnellen E-Bike und 2 x Mal nach laden.
Damals war die Strecke noch im üblen Zustand.
Für mich neben der Farola die schönste Radl Strecke in Cuba.
joerg
#70 RE: Der Hahn in Nachbars Garten kräht... Meine Reise durch den Oriente
#71 RE: Der Hahn in Nachbars Garten kräht... Meine Reise durch den Oriente
Weiter geht's. Manchmal ist es gut, dass man morgens noch nicht weiß, wie der Tag enden wird.
La Mula - Marea del Portillo
Es ist noch dunkel, als der Campismo-Hahn mit ganzer Kraft zu krähen beginnt. Einen Moment glaube ich, er säße direkt neben mir auf dem Kopfkissen. Meine Uhr zeigt 7.01 Uhr. Einen Wecker braucht man in Kuba wirklich nicht. Wegen Wassermangel entfällt die Morgendusche. Ich packe schnell mein Zeug zusammen. Heute möchte ich auf jeden Fall vor der großen Hitze des Tages aufbrechen. Mein Tagesziel ist das ca. 55km entfernte Marea del Portillo.
Das Höhenprofil der heutigen Strecke zeigt vier Peaks. Sie sind nicht besonders hoch, sehen aber steil aus.
La Mula (rechts) - Marea del Portillo (links)
Mit dem Cantinero hatte ich abgemacht, dass es um acht Uhr Frühstück geben soll. Im Campismo Restaurant ist allerdings niemand zu sehen, alles ist verrammelt und dunkel. Ich gehe zum Rezeptionsgebäude. Auch hier verlassen und dunkel. Ich klopfe und rufe laut:
„Hola“, „hay alguien?“.
Keine Antwort. Ich gehe zum Wächterhäuschen beim Campismo-Eingang und wecke den Wächter. Cool, der Mann verdient sein Geld im Schlaf. Er blinzelt missmutig als ich frage, wann das Personal kommt.
„Es posible que alguien venga entre nueve y diez“, sagt er, während er versucht wach zu werden.
Also, es ist möglich, dass zwischen neun und zehn Uhr jemand kommt. Das heißt aber auch, es ist möglich, dass niemand kommt, oder, dass erst viel später jemand kommt.
So lange will ich nicht warten. Ich verabschiede mich innerlich vom Frühstück. Blöder ist allerdings, dass ich kein Trinkwasser kaufen kann. Ich habe nur noch eine 1,5L Flasche Wasser aus Chivirico. Das reicht nicht für den ganzen Tag und unterwegs wird es vermutlich nichts zu kaufen geben.
Hinter meiner Cabaña ragt eine Wasserleitung aus dem Boden. Es ist die einzige Möglichkeit, meine leeren Flaschen aufzufüllen. Da das Wasser vermutlich aus dem Rio La Mula stammt, wo die Leute sich, ihre Tiere, und ihre Kleider waschen und wer weiß was sonst noch einleiten, werfe ich lieber ein paar Wasserdesinfektionstabletten (Micropur) mit hinein.
Und los geht’s.
Ich folge zunächst einer ungeteerten Straße, voller Steine und Schlaglöcher. Nicht besonders schwierig, aber ich muss mich konzentrieren, immer aufpassen um größeren Steinen und Löchern rechtzeitig auszuweichen. Zwischendurch gibt es geteerte Straßenabschnitte, dann wieder Stücke, die mal vor langer Zeit geteert waren, aber im Laufe der Jahre durch Erosion weitgehend entteert wurden.
Die Anstiege sind steil und knackig, aber gut zu schaffen, da sie nicht allzu lang sind. Der Himmel ist wolkenlos, die Sonne brennt, mein Wasserverbrauch ist hoch. Ich frage mich, ob das zum Problem werden könnte.
Landschaftlich ist es zweifellos der schönste Streckenabschnitt der gesamten Küstenstraße. Wild, unzivilisiert, mit wunderschönen Ausblicken auf einsame Buchten und auf ein strahlend blaues Meer. Hier zu sein, und das aus eigener Muskelkraft geschafft zu haben, ist ein berauschendes Gefühl.
Die Straße ist stellenweise renovierungsbedürftig…
Früher gab es hier wohl mal ein Tunnel
Radeln macht hungrig. Vor allem, wenn man ohne Frühstück gestartet ist, fällt man irgendwann in ein Leistungsloch. Plötzlich ist alle Energie weg und man bekommt einen Heißhunger auf Kohlehydrate. Dann hilft nur eins, anhalten und etwas essen.
Am späten Vormittag mache ich unweit einer kleinen Ansiedlung ein Päuschen. Ich habe noch die Galleticas Saladas, ein Stück Käse und ein paar Schokoriegel im Gepäck.
Ich sitze nicht lange, da setzt sich ein älterer Guajiro mit Machete und Strohhut zu mir. Er erinnert mich spontan an Polo Montañez, den 2002 verstorbenen kubanischer Songschreiber und Sänger. Bei meinen ersten Kubareisen wurden dessen Lieder überall gespielt, besonders der Song „Guajiro Natural“, ist mir in Erinnerung geblieben.
„Hola Compay“, beginnt er das Gespräch.
Ich biete ihm von meinem Proviant an, doch Kräcker mit Käse will er nicht.
Wir reden ein bisschen über das „woher, wohin, welche Nationalität, wie oft in Kuba, wie viele Kinder“, etc., der typische Smalltalk, dem man als Tourist oft begegnet. In den Städten, oder Touristengebieten blocke ich solche Konversationen i.d.R. schnell ab, da selten ein wirkliches Interesse am Gespräch besteht. Meistens geht es darum, etwas zu verkaufen, zu betteln, oder halt Abzockversuche.
Aber hier auf dem Land ticken die Leute noch anders. Nicht zum ersten Mal auf dieser Tour werde ich eingeladen. Ganz selbstverständlich bietet der Mann mir sein Haus an, ich könne dort übernachten, essen, Wasser nachtanken, was immer ich bräuchte. Ich habe nicht das Gefühl, dass er einen materiellen Vorteil erwartet, er ist einfach freundlich und hilfsbereit. Und da es in dieser Gegend nicht viel Abwechslung gibt, ist ihm ein Yuma-Besuch willkommen.
Ich antworte, dass ich heute noch Marea del Portillo erreichen möchte, aber Trinkwasser könnte ich gut gebrauchen. Das Rio La Mula Wasser ist inzwischen unangenehm warm, schmeckt zunehmend merkwürdiger und würde bald zur Neige gehen.
Wir gehen also zu seinem Haus, wo seine Frau gerade eine Überschwemmung veranstaltet. Kubanische Hausfrauen reinigen ihre Häuser gerne, indem sie einen Eimer Wasser auskippen und dann mit einem Besen das Wasser zur Tür hinausfegen.
Das Haus steht auf einem schattigen Grundstück. Es ist hübsch hier und unglaublich friedlich. Die Frau begrüßt mich herzlich, als wären wir alte Bekannte und bringt mir dann einen 1,5 Liter Pomo mit eiskaltem Wasser. Wie geil! Kaltes Wasser hat in Kuba eine ganz andere Bedeutung als in Germanien.
Die beiden strahlen mich an. Ich danke vielmals und verabschiede mich von diesen gastfreundlichen Menschen.
Nach jedem Anstieg...
folgt...
das nächste Panorama
Die Straße ist Abschnittsweise sehr schlecht
Irgendwann habe ich die letzte Höhe erklommen, das letzte Panorama bewundert und fotografiert, und vor mir liegt nur noch eine, letzte Abfahrt nach Marea del Portillo, meinem Tagesziel.
Die Straße ist hier sehr schlecht. Alte gesprungene Teerreste wechseln mit Schotter- und Geröll, tiefe Furchen und Schlaglöcher überziehen die Fahrbahn. Wegen der kaputten Oberfläche muss ich sehr konzentriert fahren. Ich darf den Blick keine Sekunde von der Straße abwenden. Da es bergab geht, lasse ich mein Fahrrad flott laufen. Ich genieße den kühlenden Gegenwind und freue mich schon auf ein kaltes Bier in Marea.
Plötzlich reißt mir ein Windstoß den Hut (von La Abuela) vom Kopf. Reflexartig versuche ich mit der linken Hand danach zu greifen. Im selben Moment gerät mein Vorderrad in eine Spurrille, das Fahrrad kommt ins Schleudern. Da ich nur eine Hand am Lenker habe, kann ich es nicht abfangen. Ich fliege im hohen Bogen auf die Straße und schlittere mehrere Meter über Steine, Schotter, Teer. Ich spüre noch, wie Arme, Beine und auch mein Kinn über die raue Oberfläche schrammen. Dann bleibe ich, kurz vor Marea del Portrillo, mitten auf der Straße liegen.
#72 RE: Der Hahn in Nachbars Garten kräht... Meine Reise durch den Oriente
#73 RE: Der Hahn in Nachbars Garten kräht... Meine Reise durch den Oriente
Das tut schon beim Lesen weh.
Und genau deshalb wäre so eine Radtour nix für mich. Mich nervt es schon in Las Tunas in der Stadt mit dem Rad zu fahren. Einmal einer chica nachgeschaut und schon fällt man fast hin.
Ist mit dem Auto ähnlich, mir einfach zu anstrengend.
Aber der Bericht ist wie immer top. Weiter so!
#74 RE: Der Hahn in Nachbars Garten kräht... Meine Reise durch den Oriente
#75 RE: Der Hahn in Nachbars Garten kräht... Meine Reise durch den Oriente
Zitat von Clandestino im Beitrag #71
Es ist noch dunkel, als der Campismo-Hahn mit ganzer Kraft zu krähen beginnt. Einen Moment glaube ich, er säße direkt neben mir auf dem Kopfkissen. Meine Uhr zeigt 7.01 Uhr.
das war ja bestimmt ein kräftiger Broiler
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