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Die "Wahrheit" über Kuba ...
Für "Experten" wenig neues. Aber für "Ersteinsteiger" und
"Wiederholungstäter" m. M. n. ein guter Überblick /
Stimmungsbild.
Saludos, Karsten
Aus: Reiseteil des Tagesspiegels vom 09.02.2003:
Die Wahrheit über Kuba
Von Jürgen Frenzel
Fidel Castro hat Blutkrebs, sagt Rudi, und nun wird er nicht mehr lange leben. Das wissen alle, aber man spricht nicht darüber. Es ist ein offenes Geheimnis. Er soll in Frieden sterben. Danach wird man weitersehen. Die Revolution war seine Idee, und sie soll nicht vor ihm sterben. Das wäre ungerecht. Klar, keiner hat ahnen können, dass sie ein halbes Jahrhundert dauern wird. Und dass man davon sehr müde werden kann. Trotzdem. Normalerweise sind Revolutionen nicht mehr als ein Lidschlag der Geschichte. Auf Kuba ist das eben anders. Kuba hat die immerwährende Revolution erfunden. Siempre. Die meisten Leute, die heute auf Kuba leben, wissen gar nicht, wie das ist, wenn keine Revolution herrscht. Sie würden es gern wissen. Aber das geht erst, wenn Fidel seine Ruhe gefunden hat.
Von Rudi erfahren wir alles, was wir über Kuba wissen müssen. Er schaut nach rechts und links, ob kein Polizist in der Nähe ist, bevor er weiterspricht. Ich war noch nie im Gefängnis, sagt er. In Kuba ist es sehr leicht, ins Gefängnis zu kommen. Er hat keine Erlaubnis, außerhalb seiner Arbeit mit Fremden zu sprechen. Als wir ihn fragen, wo der Bäcker ist, zeigt er die Straße hinauf. Dann entschließt er sich vorauszugehen. Wir müssen immer ein paar Schritte hinter ihm bleiben. Rudi spricht Deutsch. Er hat sich uns mit seinem deutschen Namen vorgestellt. Den hat er in Cottbus bekommen, Mitte der 80er Jahre während seiner Ausbildung. Da hatte er schon lange keinen Vater mehr. Sein Vater ist in Vietnam gefallen.
Hier Dollars, dort Pesos
Rudi hat in der DDR Textilfärber gelernt. Ein Beruf, mit dem er in Kuba nichts anfangen kann. Er arbeitet als Kellner in einer Pizzeria. Das heißt, eigentlich arbeitet er in zwei Gaststätten gleichzeitig. Sie liegen nebeneinander. In der einen bezahlt man mit Dollars, in der anderen mit Pesos. In der Dollar-Pizzeria ist die Pizza angeblich etwas größer und etwas besser. Wir treffen noch einen Kellner, der seine Ausbildung im Kernkraftwerk Greifswald gemacht hat, und eine Frau, die in der Nähe von Leipzig Gewindedreherin gelernt hat. Sie lebt von der Provision, die sie bekommt, wenn sie Touristen zu einem Privat-Restaurant führt, das man allein nicht finden kann.
Nach dem Bäcker zeigt uns Rudi noch den Schwarzmarkt und den Laden, in dem man für Dollar Käse und Butter kaufen kann. Am Eingang fragt er einen unauffällig gekleideten Mann, ob er mit hinein darf.
Wir Kubaner, sagt Rudi, sind voller Tatendrang. Wir wollen nicht herumsitzen und Däumchen drehen. Aber Fidel verbietet alles, was nach Kapitalismus riecht. Und was er zähneknirschend erlaubt, wird von der Bürokratie erstickt. Seit er krank ist und keinen Spaß mehr am Sex hat, verbietet er auch die Prostitution. Deshalb sind die Strände voller Polizisten. Die Frau, die zum dritten Mal erwischt wird, muss für zwanzig Jahre ins Gefängnis. Aber es gibt weibliche und männliche Huren. Die Männer brauchen das Geld für Drogen, sagt Rudi. Ich sage, die Jungen, die wir mit den Touristinnen gesehen haben, waren noch keine Männer. Ja, sagt Rudi und spricht nicht weiter. Wir stehen an der Bushaltestelle. Er hat die ganze Zeit die Straße beobachtet. Plötzlich springt er mit einem Satz auf die brusthohe Rückwand des Wartehäuschens. Dort setzt er sich hin und lässt die Beine baumeln, als habe er Langeweile. Ein Streifenwagen fährt vorbei. Langeweile ist nicht strafbar.
Warten auf den Schaukelstuhl
Das beliebteste Möbelstück der Kubaner ist der Schaukelstuhl. Auf jeden Einwohner kommen wahrscheinlich zehn davon. Die alten sind aus Holz, die neuen meistens aus Eisen. Natürlich sind sie, wie alles, ungerecht verteilt. Aber niemand muss ohne Schaukelstuhl auskommen. Man wartet.
Im Fernsehen hält Fidel Castro eine Rede. Er weiht eine Poliklinik ein und schildert lange und eindringlich die Vorzüge jeder einzelnen Fachabteilung. Die Poliklinik ist der Beweis dafür, dass die Revolution lebt. Am Ende greift er sich trotzig in den dünnen Bart, schiebt das Manuskript beiseite und wackelt ein wenig mit dem Kopf, bevor er mit erhobenem Zeigefinger seine Drohung ins Publikum schleudert: Viva la revolucion! Patria o muerte, Vaterland oder Tod! Der Beifall ist kurz.
Die meisten Denkmäler auf Kuba sind aus Marmor und zeigen den zu Lebzeiten erfolglosen Freiheitshelden José Marti. Fidel Castro, der zu Lebzeiten erfolgreiche Revolutionär, hat sich keine Denkmäler bauen lassen. Er ist sein eigenes Denkmal. Trotzdem gibt es Skulpturen, die ihm verblüffend ähnlich sehen. Sie zeigen Don Quijote de la Mancha, den Ritter von der traurigen Gestalt. Sancho Pansa sieht aus wie Raul, Fidels Bruder. Niemand geht so weit zu behaupten, die Tragödie, in der José Marti die Hauptrolle gespielt hat, wiederhole sich als Farce. Dafür ist sie nicht lustig genug.
Man muss durch die Kleinstadt Trinidad gehen. Dort befindet sich in der Calle Antonio Maceo ein Haus mit besonders vielen Schaukelstühlen. Es unterscheidet sich von außen nicht von den anderen. Große, bis zum Boden hinunter reichende Fenster ohne Glas, mit kunstvoll gedrehten Gittern davor. Nichts verwehrt den Blick nach innen. In den Schaukelstühlen sitzen lauter ausgelassene Frauen. Man kommt mit ihnen leicht ins Gespräch. Sie schwatzen, singen, oder amüsieren sich über das Fernsehprogramm. Während sie lachen, umfassen sie ihre prallen Bäuche. Es ist das Entbindungsheim. Alle Gedanken sind auf morgen gerichtet.
In Antwort auf:
hanna,ich weiß von den cubis das die initiative dafür von raouls frau kommt.
sie hat schon vor jahren zu dem thema "prostitution" das große sagen gehabt.
und hat groß aufgeräumt
hoffentlich trifft die bald der Schlag
zuviel schindluder wird unter dem deckmantel der prosti-hatz durchgezogen
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