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Hospital "Lenin" Holguin - ein Zustandsbericht
#1 Hospital "Lenin" Holguin - ein Zustandsbericht
Nachdem ich 1993 im Hospital „Lenin“, also in der Período Especial, schon mal durch eine Notoperation dem Tod sozusagen von der Schippe gesprungen bin (Magendurchbruch, Peritonitis) und ich die Operation einschl. Nachfolgeerscheinungen nicht unbedingt zu meinen besten Erfahrungen zählen will, hatte ich es bis heute vermieden, mir dieses Krankenhaus mal ab und zu von Innen anzusehen. Aber wie das Schicksal so spielt, musste ich am vergangenem 13. Januar erneut notoperiert werden, da sich durch postoperative Verwachsungen (Adhäsionen) 4 Darmverschlüsse gebildet hatten. Das bedeutete 8 Tage Krankenhausaufenthalt und wieder im Hospital „Lenin“ und auf der gleichen Station.
Bin inzwischen wieder auf dem Weg der Besserung, und die Operation ist bestens verlaufen.
Meine Krankengeschichte soll aber nun nicht das Thema dieses Treades werden.
Was mich vielmehr bewegt, sind die äußeren Umstände, unter denen die frisch Operierten in diesem Hospital ihrer Genesung harren, zumal ich ja die Vergleichsmöglichkeit mit den Zuständen von 1993 habe.
Die chirugische Krankenstation muss sich zurzeit die zur Verfügung stehenden Plätze mit der Orthopädie teilen, das bedeutet eine totale Überbelegung der Station. An Stoßtagen ist dann sogar der Gang mit Betten vollgestopft.
Wie in Kuba üblich, werden die Patienten von Familienangehörigen oder Freunden rund um die Uhr betreut. Die Krankenschwestern kümmern sich nur um die medizinischen Belange, für alles andere haben die gar keine Zeit. Erlaubt ist für jeden Patienten 1 Betreuer, aber in der Praxis haben manche Patienten tagsüber 2 oder 3 Leute um sich. So entsteht auf der Station ein beträchtlicher Lärmpegel, der den ganzen Tag anhält. Das frisch Operierte ihrer Ruhe bedürfen, scheint da keiner so richtig zu verstehen, oder es wird einfach ignoriert.
Früh ab ca. 8.00 Uhr müssen die Betreuer die Zimmer verlassen und es rücken ganze Heerscharen von bolovianischen und kubanischen Medizinstudenten ein. Wahnsinn! Das Krankenzimmer und die Gänge sind mit denen total verstopft. Die reden alle in einer Lautstärke, die bei gefühlten 80 dB liegen dürfte.
Die sanitären und sonstigen Einrichtungen sind in einem unbeschreiblich schlechten Zustand.
Alle Toiletten ohne Spülung. Handwaschbecken alle verstopft. Wasser gibt es ca. 10 Std. pro Tag, und das auch nur aus einer Dusche, aus der ein dünner Strahl läuft, der mit Behältern aufgefangen werden muss, und das für die gesamte Station mit ca. 70 Patienten. In der Haupttoilette waren an einem Tag die Toilettenbeckem verstopft und die ganze Sch... schwappte über und ergoß sich in den Raum. Notlösung seitens des Personals: Eine Zimmertür, die irgendwo aufgetrieben wurde, legte man auf den Boden, damit die Leute trocken zu der o.g. Dusche gelangen konnten. Erst massiver Protest und Aufschrei seitens der Angehörigen der Patienten konnte die Krankenhausleitung dazu bringen, einige Leute zu schicken, die sich der Sache annahmen.
Auf der ganzen Station gab es keine einzige Steckdose f. Ventilatoren oder sonstige elektrische Geräte. Ich habe dann meine Family veranlasst, in der Tienda eine zu kaufen, die dann installiert wurde. Stromführende Drähte gab es ja zur Genüge. Glücklicherweise waren die Tage während meines Aufenthaltes relativ kühl, aber wenn ich mir vorstelle, im Sommer ohne Ventilator im Krankenbett zu liegen, kommt mir das Grauen.
Bettwäsche muss natürlich von zu Hause mitgebracht werden. Die krankenhauseigene Bettwäsche würde ich nicht mal als Putzlappen verwenden. Ursprünglich weiß, ist diese von dunklen Flecken übersät, also Verschmutzungen, die sich durch Waschen nicht mehr entfernen lassen. Viele Patienten sind aber trotzdem auf diese Bettwäsche angewiesen.
Die Krankenbetten sind in der Mehrzahl OK, aber die Schaumgummimatratzen sind total abgenutzt, weisen große Löcher auf und sind voller Flecken. Gut, wenn man dann die Bettwäsche überzieht, sieht man nichts mehr davon, aber das Problem ist, daß man durch den Zustand der Matratzen nach maximal 2 Tagen Rückenlage jede einzelne Feder des Bettes im Rücken spürt, was beträchtliche Schmerzen verursacht, die dann stärker sind als die der Operationswunde. Auch jetzt, 1 Woche nach meiner Entlassung, habe ich noch mit starken Rückenschmerzen zu kämpfen.
Rauchverbot gilt natürlich für das gesamte Krankenhaus, was aber auf typisch kubanische Art ignoriert wird. Sogar einige Ärzte qualmen in den Gängen. Inoffizieller Raucherbereich ist der Vorraum, von dem die Stationen abgehen. Das Reiniungspersonal kehrt mit stoischer Ruhe mehrmals am Tag die Kippen zusammen. Aber um ehrlich zu sein: Ich als leidenschaftlicher Raucher haben mir in dem Fall die Umstände zunutze gemacht und mitgepafft.
Zur Reinigung der Zimmer und Gänge gibt es Reinigungsbrigaden, die 2 x täglich mit einem Minimalaufwand an Wasser sauber machen. Da ich aufgrund gütlicher Zusprache meines Chirurgen das einzige 2-Bett-Zimmer der Station beziehen konnte, und meine Leidensgenossin (es gibtauf der Chirurgie keine getrennten Frauen- und Männerabteilungen mehr) eine nette alte Dame war, die auch unter den sanitären Umständen sehr leidete, habe ich von zuhause Desinfektions- und andere Reinigungsmittel kommen lassen und sie dem Reinigungspersonal zur Verfügung gestellt, die sich dann redlich an die Arbeit machten und somit das Zimmer einigermaßen hygienisch auf den Vordermann brachten. Das Zweibettzimmer hatte eine eigene angrenzende Toilette, die nun peinlich sauber gehalten werden konnte, obwohl auch hier nach jeden Toilettengang Wasser besorgt und gespült werden musste.
Die Schwestern ist sehr gut ausgebildet, alle sehr freundlich und geben sich große Mühe, ihrer Aufgaben gerecht zu werden. Tagsüber arbeiten auf der Station 2 Schwestern und nachts 1.
Die Chirurgen sind Spitzenklasse, ohne Ausnahme absolute Könner auf ihrem Gebiet. Von „Halbgöttern in Weiß“ nichts zu spüren. Obwohl es eine klare Aufgabentrennung zwischen den Operationspersonal und den Stationsärzten gibt, kam mein Chirurg mehmals täglich an mein Bett, um sich nach meinem Zustand zu erkundigen. Die Stationsärzte sind sehr umgänglich, hilfsbereit und immer auch zu einem privaten Gespräch bereit.
Medikamente sind im Moment kein Problem. Die einheimischen Pharmaziebetriebe scheinen auf Hochtouren zu arbeiten. Alles vorhanden, was zur postoperativen Behandlung notwendig ist.
Mein Fazit: medizinische Betreuung Spitze. Im Vergleich zu 1993 hat sich aber der Zustand des Hospitalgebäudes und der Sanitäranlagen eher verschlechtert. Aussicht auf Verbesserung: keine.
Gruss
kdl
Zitat von falko1602
"Netter" Bericht.
Was kostet Dich denn nun diese neue Erfahrung?
falko
Verstehe ich nicht so richtig. Wenn du das finanziell meinst, natürlich 0,0 Peso. Gesundheitlich habe ich aber nun erstmal einige Jahre Ruhe. Die Adhäsionen bilden sich ja nach jeder Bauchoperation erneut und sind unvermeidbar. Kann also sein, daß ich in ein paar Jahren das ganze erneut über mich ergehen lassen muss. Lieber nicht dran denken.
Gruss
kdl
Erstmal gute Besserung
Ich muß auch immer wieder meine höchste Bewunderung aussprechen, wenn es um die Qualifikation und (vor allen Dingen) Einsatzbereitschaft des medz. Personals in Cuba geht.
Mit welcher Ruhe sich z.B. die Ärzte mit den Patienten beschäftigen ist schon bemerkenswert. Nicht umsonst haben die cub. Ärzte weltweit einen hervorragenden Ruf.
Auch wenn ich die kostenlose Behandlung nie so richtig glauben kann. Hier ein bißchen Kaffee, da ein bißchen Fleisch, Blutreserven selbst besorgen usw. kostet auch.
Es ist ein Jammer, das so gutes Personal unter so schlechten Bedingungen arbeiten muß.
Hätten sie annähernd europäischen Hygienestandard, wären das cub. Medizinwesen wohl wirklich vorbildlich in dieser Welt.
Zitat von kdlZitat von falko1602
"Netter" Bericht.
Was kostet Dich denn nun diese neue Erfahrung?
falko
Verstehe ich nicht so richtig. Wenn du das finanziell meinst, natürlich 0,0 Peso.
Stimmt, hatte vergessen das Du über Deinen Ausbeuter versichert bist.
Auch von mir gute Besserung..
falko
#6 RE: Hospital "Lenin" Holguin - ein Zustandsbericht
Zitat von flicflac
Auch wenn ich die kostenlose Behandlung nie so richtig glauben kann. Hier ein bißchen Kaffee, da ein bißchen Fleisch, Blutreserven selbst besorgen usw. kostet auch.
Wie das? Denkst du, ich habe, bevor die mich auf den Operationstisch legten, erstmal jemand zum Kaffee kaufen losgeschickt und dann auch noch zum Markt, um ne Schweinekeule zu besorgen? Dann wäre ich wahrscheinlich nicht mehr unter den Lebenden, denn das hätte zu viel Zeit in Anspruch genommen.
Wenn es heisst "kostenlose Behandlung", dann ist das auch so! Wobei ich dir in einem Recht gebe: Wenn es sich um eine Operation handelt, die aufschiebbar ist und man evtl. in einer Warteliste steht, könnte man sich schon vorstellen, daß man über Beziehungen in der Liste nach vorn rückt. In diesem Fall könnten dann auch Kaffee, Fleisch oder andere Dinge etwas nachhelfen. Das hat aber doch nichts mit der kostenlosen medizinischen Versorgung zu tun.
Gruss
kdl
Zitat von Pauli
@ guter Bericht KDL ,und gute besserung.
Habe aber eine Frage : Was passiert wenn ein Touri operiert
werden muss ?? Kommt er auch in dieses " Krankenhaus" ?
Gruss Pauli
Was HOG betrifft bin ich nicht so auf dem Laufenden, aber in HAV gibt es z.B> die Klinik Ciro Garcia,
im Krankenhaus in Matanzas gibt es eine Etage fuer Auslaender. Diesen Sonderservice lassen sich die Cubaner
allerdings fuerstlich bezahlen!!!!
#11 RE: Hospital "Lenin" Holguin - ein Zustandsbericht
Zitat von Pauli
@ guter Bericht KDL ,und gute besserung.
Habe aber eine Frage : Was passiert wenn ein Touri operiert
werden muss ?? Kommt er auch in dieses " Krankenhaus" ?
Gruss Pauli
Natürlich, aber auf eine gesonderte Station mit weitaus besseren Bedingungen. Bevor die mich unter's Messer nahmen, hat mir der Chirurg gesagt, daß man mich evtl. dort unterbringt, was ich aber von Anfang an nicht so richtig glauben konnte. Als die merkten, daß ich Residente bin, mit mir also nichts zu verdienen ist, schickten die mich natürlich auf die allgemeine Krankenstation.
Gruss
kdl
Edit: Die Touris kommen aber auch in die gleichen Operationssäle, und die sind, habe ich mir von meinem Arzt sagen lassen, sehr gut ausgerüstet und entsprechen einem hohen Hygienestandard. Selbst habe ich davon nichts gesehen, weil ich vorher schon "eingeschläfert" wurde.
#12 RE: Hospital "Lenin" Holguin - ein Zustandsbericht
ehemaliges mitglied
(
gelöscht
)
#15 RE: Hospital "Lenin" Holguin - ein Zustandsbericht
Zunächst mal...
erhole dich gut, gönne dir etwas Ruhe,Erholung,Entspannung.
Sicher verträgt unser Körper einiges mehr als wir Ihm in Europa zumuten würden, doch die Frage die sich stellt... muß mann das haben?
Schön jedoch wenn doch trotz aller wiedrigkeiten du schon wieder auf den Beinen bist.
Vermutlich bist Du schon bevorzugt behandelt worden (welch ein Trost), laut aktueller Aussage einer Doctora in Hav. bedürfen OP gleich welcher Dringlichkeit mehrerer Wochen Wartezeit.
Beste Genesungswünsche!
Zitat von pedacito
Und wahrscheinlich doppelt froh, wieder aus dem KH raus zu sein...
zunächst mal gute genesung für kdl und das er bald wieder die alte höchstgeschwindigkeit erreicht.
aus dem krankenhaus kommt man u.u. schneller, als es gut ist. eine nette tante wurde in havanna morgens an der bandscheibe operiert. ich traute meinen augen nicht, als sie abends zuhause war mit verband und "korsett".
der grund: im krankenhaus seien zu viele bakterien.
.
Zitat
Aber das war von kdl selbst so geschrieben das es nicht das Thema hier werden soll.
und was erwartest du das alle schreiben ja toll super bericht...aber wie es dir geht interessiert uns nicht
Zitat von TineZitat
Aber das war von kdl selbst so geschrieben das es nicht das Thema hier werden soll.
und was erwartest du das alle schreiben ja toll super bericht...aber wie es dir geht interessiert uns nicht
Nein, doch auf den Bericht geht fast keiner mehr ein.
Ach lass mal gut sein. Kein Stress bitte. Ich sag(schreib) auch nix mehr dazu.
Und das kdl und ich uns nicht grün sind ist Quatsch. Da hat jemand zu viel Fantasie.
Es gab mal nen kleinen Diskussionspunkt, lange her und denke von beiden Seiten vergeben und längst vergessen.
Saludos.
@kdl
Gute Besserung!
Hola kdl - auch von mir "Gute Besserung".
Das die Ärzte gut, die hygienischen Verhältnisse aber schlecht sind, ist wohl auch bekannt.
Darin liegt wohl das Problem - der deutsche Exilant sich ´ne Zimmerreinigung erkaufen muß, zeigt wohl schon die Idee des Systems - obwohl ich es natürlich auch witzig fand, das mir ´ne enfermera ständig ´ne Kaffeetasse als Aschenbecher nachgetragen hat.
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