Alle 14 Tage schlagen sie sich

01.03.2009 17:11
avatar  osbo
#1 Alle 14 Tage schlagen sie sich
avatar
Mitglied

Hallo Freunde,

hier eine kleine Kurzgeschichte, die ich im Feb geschrieben habe:

Alle 14 Tage schlagen sie sich

El pan, el pan! Trillerpfeife und wieder el pan, el pan! Es wird Morgen in unserer Straße. Der Brotverkäufer macht den Anfang, ca. eine halbe Stunde später kommt „el cloro, el cloro“, dann Gemüse, später oft noch Besen und andere selbst gemachten Reinigungsgeräte. Bis zum Mittag war dann auch der Feuerzeugauffüller „Se llenan fosforeras“ und der Aufkäufer für die leeren Rumflaschen der letzten Nacht da. Hell ist es schon lang, Spatzen sind draußen, Pferdekutschen klappern immer wieder vorbei. So früh schon so viel Leben, dabei ist die Straße nichts besonderes. Sie ist nicht breit, eher schmal. Haus an Haus. Nur ein Auto passt gleichzeitig durch, würde eins parken, ist die Straße dicht. Hier aber kein Problem. Keiner besitzt ein Auto. Glücklich ist, wer ein Fahrrad hat. Sie und die Bicis prägen den Verkehr. Kutschen kommen eher selten vorbei, sie machen nur Langstrecken, sind als Sammeltaxis unterwegs. Einsteigen kann man an der Ecke, Fahrpläne, Haltestellenschilder oder sonstigen Zivilisationsmüll sucht man vergebens. Man weiß wo und wann es losgeht oder man fragt. Denn das gesprochen Wort ist hier alles. Sich grüßen und ein bisschen tratschen hat schon manchen kurzen Spaziergang zur mehrstündigen Exkursion werden lassen. Gleich nach verlassen des Hauses rufen die Frauen: Y la nina?. Immer sind Leute draußen. Wie viele ist von Wetter abhängig. Einige trifft man fast immer, sie leben förmlich auf der Straße. So die Alkis, die immer gut drauf sind und mich mit „My friend“ schon aus 20 Meter Entfernung lautstark begrüßen. Hier muss ich immer stoppen, und ein, zwei Scherze machen. Oder die Rubia, die blonde Nachbarin, die ihren Posten vor der eigenen Haustür nie verlässt, aus Angst sie könnte auch nur einen Fetzen Tratsch verpassen. Das ihre blutjunge Schwiegertochter im Haus allein für ihr Neugeborenes rackern muss stört sie nicht. In der Sonne, auf der anderen Straßenseite, wartet die Reyna, die heimlich Königin der Straße. Sie lebt hier seit 84 Jahren, nur die kolonialen Häuser sind älter. Ihr Sohn, unser direkter Nachbar war mehr im Knast als hier, seine zahlreiche Tätowierungen zeugen davon. Seine Frau schickt er nachts in den Park, anschaffen. Die Straße ist mitunter sehr problematisch. Einmal in 14 Tagen schlagen sie sich. Mein Nachbar und seine Freunde. Er mit Schweinskopf in der Hand bewaffnet, der Andere mit einem Dachziegel. Die Frauen schreien dazu, kratzen sich ein wenig. Dann gegen Ende noch mal einen Stein gegen die Tür gepfeffert, dann ist Ruhe. Nach solch kurzweiligen 15 Minuten kann ich meinen Logenplatz hinter dem Fenster wieder verlassen, die Rest der Straße macht wohl das Gleiche, den die Musik fängt wieder an zu spielen. Sie begleitet den Tag wie das Licht, manchmal aber auch die Nacht. Ab 12 sollte es eigentlich ruhig sein, aber wenn Fiesta ist, und die ist oft, ist man nicht kleinlich. Dann wird wieder gesoffen und gesungen und erst wenn der Rum leer ist geht man schlafen.
In der Nacht wandern Katzen über die Dächer, kriechen die Kakerlaken aus ihre Verstecken,. Doch schon bevor der Morgen beginnt kommen die fumadores, die mit einem lächerlichen Stofftuch vor der Nase geschützt, massenweise Insektengift versprühen und so den kommenden Tag einläuten.


 Antworten

 Beitrag melden
01.03.2009 21:00
#2 RE: Alle 14 Tage schlagen sie sich
avatar
Rey/Reina del Foro

Hallo Osbo!
Könnte unsere Straße sein,abgesehen von den Schlägereien.
Wo bist Du in Cuba?


 Antworten

 Beitrag melden
01.03.2009 21:14
#3 RE: Alle 14 Tage schlagen sie sich
avatar
Rey/Reina del Foro

Zitat von osbo
... die fumadores ...

die fumigadores

... schöner, authentischer Bericht, wie man es so ähnlich immer wieder erlebt! - Wo ist deine Straße?


 Antworten

 Beitrag melden
Seite 1 von 1 « Seite Seite »
Bereits Mitglied?
Jetzt anmelden!
Mitglied werden?
Jetzt registrieren!