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Julio Garcia Espinosa: Meine Beziehung zu Brecht
01.03.2007 23:38 (zuletzt bearbeitet: 01.03.2007 23:41)
#1 Julio Garcia Espinosa: Meine Beziehung zu Brecht
Meine Beziehung zu Brecht
Von Julio Garcia Espinosa
1898 wurde Bertolt Brecht geboren. 1898 endete auch der Kampf Kubas gegen die spanische Kolonialherrschaft. Zwischen 1918 und 1945, d. h. zwischen den beiden Weltkriegen, schuf Brecht einen Großteil seiner Werke und seiner theoretischen Schriften. 1951 hörte ich das erste Mal von Brecht. In dem Zeitraum zwischen 1951 und 1954 studierte ich am Zentrum für Experimentelle Filmkunst in Rom. Zusammen mit Filmemachern wie Rosselini,Visconti, de Sica, Sabatini entdeckt ich die von Stanislawski und Brecht. Diese beiden Theatermenschen sprachen aber von Methoden des Rollenspiels. Die Theorie von Stanislawski könnte man beim Film anwenden, die von Brecht aber wahrscheinlich nicht gleichermaßen.
(...) Die 1950er Jahre waren für uns noch keine Brecht-Jahre, es waren die Jahre, in denen wir unbewusst den Weg vorbereiteten, der uns in den 60er Jahren dazu führen würde, Brecht zu finden. In diesen 50er Jahren war der italienische Neorealismus unser großes kulturelles Banner. Obwohl Kuba noch unter einer harten Diktatur stand, sind wir 1954 aus Italien zurückgekehrt.Wir schlossen uns der Gruppe an, die unter Leitung von Vicente Revuelta gebildet worden war. Diese Gruppe hatte die Absicht, eine Theaterbewegung mit tiefen volkstümlichen Wurzeln zu schaffen. Vicente ist der bedeutendste Theaterschaffende unseres Landes gewesen.
Das Erste, was die Gruppe tat: sie widmete sich dem Studium des Marxismus. Wir wollten unbedingt unsere Realität, unsere Geschichte, unsere Kultur und unsere Beziehung zur Welt kennen. Und es gab nichts Besseres als den Marxismus, der uns sagte, es geht nicht nur darum, die Welt zu verstehen, sondern es geht darum, sie zu verändern. Brecht sagte, dass dies nicht selbstverständlich sei. Alles hätten die Menschen geschaffen, und demzufolge wäre alles veränderbar. Er war tief davon überzeugt, dass das Theater mit einem neuen sozialen Inhalt nicht nur als ästhetischer Kampf, sondern auch als politischer Kampf vorangebracht werden sollte. Er forderte ein Theater der Ideen. Er sagte, die Ideen sind wie das Geld, das da ist, um genutzt zu werden und nicht, um es zu lagern.
In diesen schwierigen Jahren hat man sowohl beim Theater als auch beim Film einiges geschafft. Beim Theater hat Vicente „Juana de Lorenca“ von Maxwell Anderson inszeniert. Seine Schwester Raquel, eine der größten Schauspielerinnen unseres Landes, die auch durch ihre Arbeit im Fernsehen sehr bekannt war, spielte die Juana. Ich schrieb die Bearbeitung für die kubanische Version und Vicente machte eine sehr schöne Inszenierung, wobei der Kampf der Barbudos von Fidel Castro in der Sierra Maestra zur Aufführung kam.
Beim Film habe ich zusammen mit Tomás Gutiérrez Alea, der auch in Rom Film studiert hatte, und Alfredo Guevara, der Jahre später der Vorsitzende des Instituts für kubanischen Film wurde, „El Negano“ realisiert. Dieser Film zeigt das armselige Leben der Bauern südlich von Havanna. Wie erwartet, waren weder das Theaterstück noch der kleine Film der Diktatur angenehm. Ich wurde verhaftet und musste das Filmnegativ von „El Negano“ abgeben. Es war offensichtlich, dass wir auf anständige Weise nicht erreichen konnten, was uns auf unanständige Weise verweigert wurde.Wir haben uns dann dem Untergrundkampf in der Stadt gewidmet. Es war die konkrete Form, uns mit denen zu solidarisieren, die in der Sierra Maestra gegen die Diktatur kämpften. 1959 – Sieg der kubanischen Revolution. Das erste Gesetz im Bereich der Kultur betraf die Gründung des kubanischen Instituts für Kunst und Filmindustrie. Die Revolution lehrte uns, dass der Krieg gegen Spanien ein unvollendeter Krieg war. Die Vereinigten Staaten hatten Spanien abgelöst, aber als gute Demokraten verkleidet über fast ein halbes Jahrhundert ein Neokolonialsystem errichtet, das unsere Entwicklung hemmte und unser Land noch ärmer machte.
Noch heute, noch 50 Jahre danach, konzentriert sich die Revolution darauf, dass sich die USA Kubas nicht wieder bemächtigen und uns ihre Annexionspolitik nicht wieder aufzwingen können. Beim Film macht sich diese Situation auch bemerkbar. Es ist unmöglich, eine nationale Produktion zu entwickeln, wenn man nicht mit dem eigenen nationalen Markt rechnen kann. Dieser Markt war offensichtlich nicht reif. Er war durch die großen nordamerikanischen Filmgesellschaften kontrolliert. Wir sprachen mit den Kinobesitzern. Im Prinzip ging es darum, dass sie ihre freie Auswahl von Filmen mit den kubanischen Filmemachern teilen sollten. Sie haben es aber nicht akzeptiert. Die Kinos wurden dann verstaatlicht und nun konnten wir Filmemacher über unseren eigenen Markt verfügen.Wie es zu erwarten war, haben die nordamerikanischen Filmgesellschaften das Land verlassen. Danach geschah etwas Eigenartiges. Diese Freigabe unserer Leinwände für die Filmschaffenden der ganzen Welt hat die Zuschauer nicht vertrieben, sondern es wurden immer mehr. Zum ersten Mal wurden Filme aus Lateinamerika, aus Europa und Asien gezeigt, und natürlich auch weiterhin Filme aus den Vereinigten Staaten, die uns gute Freunde zukommen ließen. Die besten Kinosäle öffneten ihre Türen für gute Filme, egal aus welchem Land sie kamen.Außerdem, Filme aus allen Teilen der Welt zu sehen, garantierte den Zuschauern das Recht der Wahl. Ohne die Freiheit der Auswahl durch die Zuschauer existierte keine wirkliche Freiheit für alle Filmschaffenden.
Die 60er Jahre waren für uns die Bertolt-Brecht-Jahre. Vicente Revuelta konsolidierte seine Gruppe und es entstand das Teatro Estudio. Dieses Experiment auf der Bühne ging Hand in Hand mit den Klassikern des Welttheaters. Selbstverständlich nahm Brecht im Repertoire eine besondere Stellung ein. Es wurden nicht nur seine Theorien studiert und verbreitet, sondern auch einige seiner bekanntesten Stücke inszeniert: Mutter Courage, Der gute Mensch von Sezuan, Galileo Galilei waren große Zuschauer- und Kritikererfolge. Dadurch wurde endlich erreicht, dass die Theorie von Brecht bei uns diesen hervorragenden Platz einnahm, den sie schon in der Weltkultur innehatte.
1967 habe ich meinen Film „Die Abenteuer des Juan de Quin Quin“ realisiert. Es war mein dritter Film. (...)
Quelle und vollständiger Artikel:
http://marxblaetter.placerouge.org/show_...132&ausgabe=107
Der Artikel erschien in der aktuellen Ausgabe von Marxistische Blätter und dokumentiert den Vortrag von Julio Garcia Espinosa, gehalten auf der Veranstaltung BRECHT UND DER KOMMUNISMUS, »er ist das einfache, das schwer zu machen ist« am 14.10.2006 in Berlin.
Von Julio Garcia Espinosa
1898 wurde Bertolt Brecht geboren. 1898 endete auch der Kampf Kubas gegen die spanische Kolonialherrschaft. Zwischen 1918 und 1945, d. h. zwischen den beiden Weltkriegen, schuf Brecht einen Großteil seiner Werke und seiner theoretischen Schriften. 1951 hörte ich das erste Mal von Brecht. In dem Zeitraum zwischen 1951 und 1954 studierte ich am Zentrum für Experimentelle Filmkunst in Rom. Zusammen mit Filmemachern wie Rosselini,Visconti, de Sica, Sabatini entdeckt ich die von Stanislawski und Brecht. Diese beiden Theatermenschen sprachen aber von Methoden des Rollenspiels. Die Theorie von Stanislawski könnte man beim Film anwenden, die von Brecht aber wahrscheinlich nicht gleichermaßen.
(...) Die 1950er Jahre waren für uns noch keine Brecht-Jahre, es waren die Jahre, in denen wir unbewusst den Weg vorbereiteten, der uns in den 60er Jahren dazu führen würde, Brecht zu finden. In diesen 50er Jahren war der italienische Neorealismus unser großes kulturelles Banner. Obwohl Kuba noch unter einer harten Diktatur stand, sind wir 1954 aus Italien zurückgekehrt.Wir schlossen uns der Gruppe an, die unter Leitung von Vicente Revuelta gebildet worden war. Diese Gruppe hatte die Absicht, eine Theaterbewegung mit tiefen volkstümlichen Wurzeln zu schaffen. Vicente ist der bedeutendste Theaterschaffende unseres Landes gewesen.
Das Erste, was die Gruppe tat: sie widmete sich dem Studium des Marxismus. Wir wollten unbedingt unsere Realität, unsere Geschichte, unsere Kultur und unsere Beziehung zur Welt kennen. Und es gab nichts Besseres als den Marxismus, der uns sagte, es geht nicht nur darum, die Welt zu verstehen, sondern es geht darum, sie zu verändern. Brecht sagte, dass dies nicht selbstverständlich sei. Alles hätten die Menschen geschaffen, und demzufolge wäre alles veränderbar. Er war tief davon überzeugt, dass das Theater mit einem neuen sozialen Inhalt nicht nur als ästhetischer Kampf, sondern auch als politischer Kampf vorangebracht werden sollte. Er forderte ein Theater der Ideen. Er sagte, die Ideen sind wie das Geld, das da ist, um genutzt zu werden und nicht, um es zu lagern.
In diesen schwierigen Jahren hat man sowohl beim Theater als auch beim Film einiges geschafft. Beim Theater hat Vicente „Juana de Lorenca“ von Maxwell Anderson inszeniert. Seine Schwester Raquel, eine der größten Schauspielerinnen unseres Landes, die auch durch ihre Arbeit im Fernsehen sehr bekannt war, spielte die Juana. Ich schrieb die Bearbeitung für die kubanische Version und Vicente machte eine sehr schöne Inszenierung, wobei der Kampf der Barbudos von Fidel Castro in der Sierra Maestra zur Aufführung kam.
Beim Film habe ich zusammen mit Tomás Gutiérrez Alea, der auch in Rom Film studiert hatte, und Alfredo Guevara, der Jahre später der Vorsitzende des Instituts für kubanischen Film wurde, „El Negano“ realisiert. Dieser Film zeigt das armselige Leben der Bauern südlich von Havanna. Wie erwartet, waren weder das Theaterstück noch der kleine Film der Diktatur angenehm. Ich wurde verhaftet und musste das Filmnegativ von „El Negano“ abgeben. Es war offensichtlich, dass wir auf anständige Weise nicht erreichen konnten, was uns auf unanständige Weise verweigert wurde.Wir haben uns dann dem Untergrundkampf in der Stadt gewidmet. Es war die konkrete Form, uns mit denen zu solidarisieren, die in der Sierra Maestra gegen die Diktatur kämpften. 1959 – Sieg der kubanischen Revolution. Das erste Gesetz im Bereich der Kultur betraf die Gründung des kubanischen Instituts für Kunst und Filmindustrie. Die Revolution lehrte uns, dass der Krieg gegen Spanien ein unvollendeter Krieg war. Die Vereinigten Staaten hatten Spanien abgelöst, aber als gute Demokraten verkleidet über fast ein halbes Jahrhundert ein Neokolonialsystem errichtet, das unsere Entwicklung hemmte und unser Land noch ärmer machte.
Noch heute, noch 50 Jahre danach, konzentriert sich die Revolution darauf, dass sich die USA Kubas nicht wieder bemächtigen und uns ihre Annexionspolitik nicht wieder aufzwingen können. Beim Film macht sich diese Situation auch bemerkbar. Es ist unmöglich, eine nationale Produktion zu entwickeln, wenn man nicht mit dem eigenen nationalen Markt rechnen kann. Dieser Markt war offensichtlich nicht reif. Er war durch die großen nordamerikanischen Filmgesellschaften kontrolliert. Wir sprachen mit den Kinobesitzern. Im Prinzip ging es darum, dass sie ihre freie Auswahl von Filmen mit den kubanischen Filmemachern teilen sollten. Sie haben es aber nicht akzeptiert. Die Kinos wurden dann verstaatlicht und nun konnten wir Filmemacher über unseren eigenen Markt verfügen.Wie es zu erwarten war, haben die nordamerikanischen Filmgesellschaften das Land verlassen. Danach geschah etwas Eigenartiges. Diese Freigabe unserer Leinwände für die Filmschaffenden der ganzen Welt hat die Zuschauer nicht vertrieben, sondern es wurden immer mehr. Zum ersten Mal wurden Filme aus Lateinamerika, aus Europa und Asien gezeigt, und natürlich auch weiterhin Filme aus den Vereinigten Staaten, die uns gute Freunde zukommen ließen. Die besten Kinosäle öffneten ihre Türen für gute Filme, egal aus welchem Land sie kamen.Außerdem, Filme aus allen Teilen der Welt zu sehen, garantierte den Zuschauern das Recht der Wahl. Ohne die Freiheit der Auswahl durch die Zuschauer existierte keine wirkliche Freiheit für alle Filmschaffenden.
Die 60er Jahre waren für uns die Bertolt-Brecht-Jahre. Vicente Revuelta konsolidierte seine Gruppe und es entstand das Teatro Estudio. Dieses Experiment auf der Bühne ging Hand in Hand mit den Klassikern des Welttheaters. Selbstverständlich nahm Brecht im Repertoire eine besondere Stellung ein. Es wurden nicht nur seine Theorien studiert und verbreitet, sondern auch einige seiner bekanntesten Stücke inszeniert: Mutter Courage, Der gute Mensch von Sezuan, Galileo Galilei waren große Zuschauer- und Kritikererfolge. Dadurch wurde endlich erreicht, dass die Theorie von Brecht bei uns diesen hervorragenden Platz einnahm, den sie schon in der Weltkultur innehatte.
1967 habe ich meinen Film „Die Abenteuer des Juan de Quin Quin“ realisiert. Es war mein dritter Film. (...)
Quelle und vollständiger Artikel:
http://marxblaetter.placerouge.org/show_...132&ausgabe=107
Der Artikel erschien in der aktuellen Ausgabe von Marxistische Blätter und dokumentiert den Vortrag von Julio Garcia Espinosa, gehalten auf der Veranstaltung BRECHT UND DER KOMMUNISMUS, »er ist das einfache, das schwer zu machen ist« am 14.10.2006 in Berlin.
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