»Die Auseinandersetzungen werden zunehmen«

05.01.2005 01:19
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Rey/Reina del Foro

»Die Auseinandersetzungen werden zunehmen«
Interview: Harald Neuber

Kuba reagiert auf die Bedrohung aus den USA militärisch und politisch. Ein Gespräch mit Juan Carlos Frometa, Referent auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz am Sonnabend in Berlin

* Der Politologe Juan Carlos Frómeta ist Mitarbeiter der Abteilung Internationale Beziehungen des ZK der KP Kubas (siehe auch unten)


F: Mitte Dezember hat in Kuba das größte Militärmanöver seit zwei Jahrzehnten stattgefunden. Welche Rolle haben dabei die Erfahrungen aus den vergangenen und andauernden Angriffskriegen in Jugoslawien, Afghanistan oder Irak gespielt?

Das strategische Manöver Bastion 2004 war Teil der kubanischen Verteidigungspolitik. Es war keineswegs ein außergewöhnliches Ereignis, denn schon in der Vergangenheit haben solche Übungen stattgefunden. Das nächste Manöver ist für 2007 geplant. Natürlich werden bei jeder neuen Übung die neuesten Erkenntnisse beachtet. So hat die kubanische Militärführung die Erfahrungen des militärischen Widerstandes gegen die genannten Angriffskriege genau studiert, um sie in der Übung umzusetzen.

F: Mit welchem Ergebnis?

Das Manöver Bastion 2004 hat eines deutlich gemacht: Sollte ein Aggressor den Versuch einer Invasion in Kuba unternehmen, würde er auf den koordinierten Widerstand der Streitkräfte und der Bevölkerung stoßen. Immerhin haben an der vergangenen Übung vier Millionen Menschen teilgenommen. In Kuba haben wir nicht nur Kenntnisse über den Guerillakampf, es existiert auch die nötige Verteidigungsbereitschaft in der Bevölkerung. Das hat sie in der Vergangenheit schon mehrfach bestätigt.

F: Ein solcher Widerstand findet derzeit in Irak statt. In der europäischen Linken aber gibt es sehr unterschiedliche Meinungen dazu. Welche Position nimmt Kuba ein?

Wir begreifen den irakischen Befreiungskampf als legitimen Widerstand eines Volkes, das im Namen der »Freiheit« und des »Kampfes gegen den Terrorismus« unterdrückt und massakriert wird. Es ist ein gerechtfertigter Widerstand, auch wenn er international als Sabotage und Terror diffamiert wird. Diese Propaganda wird aber nichts an den politischen Realitäten ändern. Die US-Imperialisten lernen weder aus ihren Erfahrungen – etwa in Vietnam –, noch aus der Geschichte. Die britischen Besatzer hatten in Irak im letzten Jahrhundert schließlich ein ähnliches Desaster erlebt. Aus all diesen Gründen ist es nicht gewagt, den USA in Irak ihr »zweites Vietnam« zu prophezeien. Vergleichbare Erfahrungen würden sie auch in Kuba machen ...

F: Neben dem Ausbau der militärischen Verteidigung setzen Sie aber auch auf die regionale Integration. Welche Rolle spielt die Einbindung in die lateinamerikanische Gemeinschaft für Kuba?

Seit der Revolution hat Kuba immer zur politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Einheit Lateinamerikas aufgerufen. Nur durch diesen Zusammenhalt können wir uns gegen die imperialistischen Vorstöße aus den USA zur Wehr setzen. Ein konkretes Beispiel ist das US-dominierte Freihandelsabkommen ALCA. Vielen Menschen ist klar, daß diese Initiative Washingtons auf die Aneignung der Reichtümer südlich der US-amerikanischen Grenze abzielt. Das Dilemma ist, daß in der Vergangenheit niemand Gegenvorschläge vorgebracht hat. Aus diesem Grund unterstützen wir die Idee des venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez Frias, der eine Bolivarianische Allianz für Lateinamerika vorgeschlagen hat. Mitte Dezember wurde diese Alternative durch eine Reihe erster Abkommen zwischen Kuba und Venezuela konkretisiert. Dieser Entwicklung kommt auch die Gründung eines lateinamerikanischen Staatenbundes zugute, die kürzlich in Peru vollzogen wurde.

F: Auch in Brasilien, Uruguay und Argentinien trifft die US-Regierung mit ihrer aggressiven Handelspolitik auf Widerstand. Welche Perspektive sehen Sie mittelfristig?

Ohne Zweifel durchlebt Lateinamerika derzeit eine wichtige Entwicklung: Immer mehr Regierungen in der Region haben sich eine soziale und politische Erneuerung auf ihre Fahnen geschrieben. Bislang hat dieser Prozeß aber noch nicht die strukturell ungleichen Besitzverhältnisse berührt. Dieser Zeitpunkt aber wird kommen. Deswegen gehe ich von einer Zuspitzung der Auseinandersetzungen aus, spätestens, wenn die Interessen der Oligarchien beeinträchtigt werden.

F: Die venezolanische Umweltministerin Ana Elisa Osorio hat auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz im vergangenen Jahr den Standpunkt vertreten, daß die »bolivarianische Revolution« nur so weit entwickelt werden konnte, weil die Kräfte des US-Imperialismus im sogenannten Antiterrorkrieg gebunden sind. Teilen Sie diese Ansicht?

Teilweise. Die venezolanische Regierung hat durch den Krieg in Irak vielleicht mehr Freiräume gehabt. Die progressiven Tendenzen aber hätte es auch im Fall einer stärkeren US-Präsenz in Lateinamerika gegeben. Das beste Beispiel dafür ist die bolivarianische Regierung in Venezuela selbst, wo die Regierungsgewalt von einer breiten Volksbewegung gestützt wird. Sei es in Venezuela, Uruguay, Argentinien, Brasilien oder in anderen Staaten: Immer mehr Menschen sehen die Krise des Kapitalismus und begreifen, daß das Ende des Kalten Krieges für sie keine Verbesserung gebracht hat – im Gegenteil.


* Vorgestellt

Mit 37 Jahren gehört Juan Carlos Frómeta zu der jüngeren Generation im Zentralkomitee der KP Kubas. Als er seine politische Karriere 1994 in der internationalen Abteilung des Jugendverbandes UJC begann, hatte die kubanische Revolution gerade eine ihrer härtesten Bewährungsproben bestanden: die 1990 ausgerufene »Spezialperiode in Friedenszeiten«, mit der dem Wegbruch von 85 Prozent der Außenhandelsbeziehungen begegnet wurde. Damit verbunden waren immense Aufgaben – politisch, ökonomisch und ideologisch. Juan Carlos Frómeta schreckte das nicht ab, und das macht ihn zu einem glaubwürdigen Vertreter des heutigen revolutionären Kubas. Denn während Kubas Emigranten in der internationalen Presse immer wieder als Beleg für den Verfall präsentiert werden, verlieren hiesige Redaktionen kaum ein Wort über diejenigen, die das Erreichte trotz aller Schwierigkeiten nicht aufgeben wollen.

Auch gegen diese Medienblockade kämpft der junge Politiker. Ob vor Studenten in den USA oder auf Kongressen in Portugal – Juan Carlos Frómeta sucht das Gespräch mit den Menschen. Dabei trifft er nicht nur auf die immer gleichen Vorurteile, mitunter auch auf die gleichen Fragen. Was etwa geschähe, wenn Fidel Castro stirbt? Juan Carlos Frómeta begegnet der Frage mit Humor. Karl Marx’ Tochter habe den Philosophen einmal gefragt, was nach dem Kommunismus komme. Marx habe darauf geantwortet: »Mehr Kommunismus«. So sei es auch in Kuba. »Nach Fidel wird es in Kuba viele Fidels geben«, sagt er, »und mehr Revolution.«

http://www.jungewelt.de/2005/01-05/021.php


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