Wie ist Cuba heute? Wieder mal ein kurzer Reisebericht.

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28.08.2015 10:24 (zuletzt bearbeitet: 28.08.2015 10:25)
#51 RE: Wie ist Cuba heute? Wieder mal ein kurzer Reisebericht.
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Rey/Reina del Foro

Y. treffe ich noch einmal am Sonntag, dem letzten Abend in Cuba zu einem Plausch. Wir laufen am Malecon entlang und schwatzen wieder. Sie ist wirklich nicht dumm und die Unterhaltung mit ihr macht Spaß. Ihr Schicksal und ihre Art sprechen auch meine Helferseite an, aber die lasse ich lieber nicht zu Wort kommen. Ich kann ihr nur wünschen, dass sie mit ihrem Schweizer novio Glück hat, auch wenn ich sehr daran zweifle. Die chica zeigt mir ihre Unterkunft, direkt am Malecon. Obwohl ich kubanische Behausungen kenne, bin ich erschrocken. Es ist ein schon fast verfallenes Haus, die Treppe echt gefährlich. Die salzige Gischt und ungepflegte Häuser sind offensichtlich eine zerstörerische Kombination.

Die Wohnung hat ca. 16 m² Grundfläche. Davon gehen das vergammelte Bad ab und die Einbauküche. Keine Möbel, nichts zum Sitzen, ein paar Nägel in der Wand, um etwas aufzuhängen und ein kleines Wandregal mit dem Altar für die tote Tochter. Ansonsten ist die untere Ebene vollkommen leer. Eine Wendelleiter führt auf die in halber Höhe des Zimmers eingezogene Zwischendecke. Dort liegt eine verschlissene Matratze, die ein (schmutziges? verfärbtes?) Laken unzureichend bedeckt, eine alte Tasche mit Kleidungsstücken, ein paar Schuhe auf dem Boden und ein paar Shirts. Auch hier keine Möbel und nichts, was den Aufenthalt erträglicher machen würde. Da sich das Fenster nur im unteren Teil der Behausung öffnet, ist die Luft nahezu unerträglich stickig. Diese Bruchbude soll monatlich 80 CUC kosten? Ich kann es gar nicht glauben. Als ich wieder auf die Straße kann, bin ich erleichtert. So zu leben erscheint mir als Alptraum.

Da ist es am Malecon viel angenehmer, wo wir uns Gegenüber von einer Bar auf die Mauer setzen, uns gelegentlich ein Bier holen und reden. Langsam beginne ich den Spaß der Cubaner am Malecon zu verstehen. Es kommen immer wieder Bekannte vorbei, mit denen die chica in einer Geschwindigkeit schwatzt, der meine alten Ohren nicht folgen können. Zunehmend werde ich in den Plausch mit einbezogen und es ergeben sich angenehme Gespräche. Als ich ins Bett will, möchte Y. mich gebleiten. Ich zitiere meine Aussage aus der casa de la música nachdrücklich, dass ich ein geiziger Deutscher sei. Genau deswegen meint sie, wolle sie ja mitkommen. Angesichts ihrer Unterkunft kann ich nachvollziehen, dass sie ein echtes Bett und eine Dusche mit warmen Wasser zu schätzen weiß und wehre mich nicht mit größerem Nachdruck.

Unterwegs hält uns ein Polizist an und kontrolliert die Papiere von Y. Es folgt dann eine längere Dis-kussion zwischen chica und Polizist, der ich bei der Sprechgeschwindigkeit und dem sehr östlichen Dialekt des Polizisten nur unzureichend folgen kann. Als ich ihn dann frage, was das Problem sei, faucht er mich ziemlich aggressiv an „Bajate tus manos!“ und droht an, mich zur zuständigen Behörde mitzunehmen. Ich fauche zurück und erkläre, dass ich ihn mit Respekt behandele und ebensolchen Respekt erwarten würde. Aber letztlich mag ich gerade heute keine weitergehende Auseinandersetzung. Ich nehme mir aber vor, bei einer erneuten solchen Gelegenheit mal die Erfahrung zu machen, wie eine solche fortgeführte Diskussion ausgeht. Aber Y. will ich keine Probleme bereiten und so gehen wir schließlich weiter.

Es wird dann eine sehr angenehme Nacht, in der ich nicht viel zum Schlaf komme, obwohl wir gar nicht mehr so viel reden. Y. bleibt auch am Montag noch bei mir, bis ich in das Taxi zum Flughafen steigen muss. Als ich dann doch inkonsequent werde und ihr entgegen meiner Ankündigung ein Geschenk zum Abschied machen will, lehnt sie dies zum meiner Verblüffung ab. „No quiero que te acuerdes de mi como una jinetera. Quiero que pienses en mi como una chica caliente y como tu amiga!” ist ihre Erklärung. Amiga? Solche behandelten mich bislang anders.

In das Flugzeug steige ich mit dem mit so gut bekannten Gefühlswirrwar. Ich bin froh, wieder nach Hause zu kommen. Es ist doch schön, in geordneten Verhältnissen zu leben, eine gut funktionierende Dusche zu haben und mein bequemes Bett, unproblematisch essen zu können, mein geregeltes und problemloses Leben zu führen. Gleichzeitig bin ich traurig, dass ich wieder weg muss und die schönen Seiten Cubas nicht mehr habe, das Wetter, die Ansichten, die Nächte. Doch die nächsten 6 Wochen halte ich schon noch durch, bis ich wieder unterwegs bin.

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Aus aktuellem Anlass: "Nichts auf der Welt ist so gerecht verteilt wie der Verstand. Jeder ist überzeugt, er habe genug davon."

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28.08.2015 10:45
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#52 RE: Wie ist Cuba heute? Wieder mal ein kurzer Reisebericht.
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jan
Rey/Reina del Foro

https://files.homepagemodules.de/b2001662...n5_CIPHbjrn.jpg

links gehts zur Monserrate.
Bin auch oft dran vorbei gekommen.
Es stand mal dran was es früher war, habs vergessen.

28.08.2015 17:06
avatar  Ralfw ( gelöscht )
#53 RE: Wie ist Cuba heute? Wieder mal ein kurzer Reisebericht.
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Ralfw ( gelöscht )

und wieder ein toller Bericht von Sisyphos! Bei vielen Passagen läuft es wie ein Film vor meinen Augen ab und ich fühle mich mit einbezogen, wie in einem guten Buch.


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28.08.2015 19:29
#54 RE: Wie ist Cuba heute? Wieder mal ein kurzer Reisebericht.
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Rey/Reina del Foro

Danke, Sisyphos!

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Der Gesunde hat viele Wünsche - der Kranke nur einen.

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29.08.2015 20:24
#55 RE: Wie ist Cuba heute? Wieder mal ein kurzer Reisebericht.
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Rey/Reina del Foro

Nachtrag

Die US-Firmen sind schon viel besser in Cuba angekommen als man glauben sollte. In Camagüey gibt es sogar einen McDonalds!

P1030811.JPG - Bild entfernt (keine Rechte)

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Aus aktuellem Anlass: "Nichts auf der Welt ist so gerecht verteilt wie der Verstand. Jeder ist überzeugt, er habe genug davon."

La mulata es la mejor creación de los españoles!

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29.08.2015 21:46
#56 RE: Wie ist Cuba heute? Wieder mal ein kurzer Reisebericht.
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Rey/Reina del Foro

Die Corporate-Identity-Ausrüstung der Filiale steckte wohl noch im Zoll fest, oder?

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29.08.2015 22:06
#57 RE: Wie ist Cuba heute? Wieder mal ein kurzer Reisebericht.
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Rey/Reina del Foro

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Der Gesunde hat viele Wünsche - der Kranke nur einen.

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30.08.2015 12:52
#58 RE: Wie ist Cuba heute? Wieder mal ein kurzer Reisebericht.
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Top - Forenliebhaber/in

Toller Reisebericht, vielen Dank dafür. In vielen deiner Beobachtungen hatte ich ein Dejar Vue obwohl ich eher eine stationäre Kubareise bevorzuge, kann ich deine Variante des sich treiben lassen, alle 2-3 Tage mal woanders sein und sehen was passiert, etwas abgewinnen.

Wem genug zu wenig ist, ist immer unzufrieden!

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