Adios, Ideologen: Das rollende R der Revolution (von Hans Christoph Buch)

21.06.2008 13:26 (zuletzt bearbeitet: 21.06.2008 13:28)
#1 Adios, Ideologen: Das rollende R der Revolution (von Hans Christoph Buch)
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Adios, Ideologen: Hans Christoph Buchs reist durch Lateinamerika und spürt den Missständen des Kontinents nach

[...]

Komisch ist all dies nicht: Der Antisemitismus im Lande wächst, viele mittelständische Juden haben bereits ihre Koffer gepackt, eine neue Fluglinie nach Damaskus und Teheran schreibt zwar rote Zahlen, ist aber politisch ebenso gewollt wie eine spanischsprachige Website der Hisbollah-Miliz. Freilich erinnert Buch auch daran, das Lateinamerikas neue Despoten nie hätten reüssieren können, hätte die einheimische Feudal-Oligarchie nicht seit Ewigkeiten "ihre" Bevölkerung dermaßen in Armut und Elend gehalten - und hätte Washington (wofür sich in den Neunzigerjahren Präsident Clinton offiziell entschuldigte) nicht jahrzehntelang reaktionäre Potentaten und Massenmörder geduldet und gehätschelt. Diese atmosphärisch ebenso dichten wie nach allen Seiten tatsächlich politisch unkorrekten Reportagen - alternierend mit Schriftsteller-Porträts vom konzisen Jorge Edwards bis zur Kitschproduzentin Isabel Allende - sind nichts für bestätigungsselige Besserwisser. Eher schon für skeptische Zeitgenossen, die ahnen, dass man nie alles endgültig weiß - dies aber dann zumindest ein bisschen besser als die rechtslinke Internationale der Ignoranten.



Hans Christoph Buch:

Das rollende R der Revolution.

Zu Klampen, Springe. 160 S., 16 Euro.

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22.06.2008 00:14
#2 RE: Adios, Ideologen: Das rollende R der Revolution (von Hans Christoph Buch)
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Zitat:


In Antwort auf:
Was also erfährt man in diesem Band, dessen Titel "Das rollende R der Revolution" bereits auf jene billige Guantanamera-&-Che-Guevara-Romantik anspielt, mit der die westliche Linke bis heute die Regimes von Castro bis Chavez verharmlosen? In Havanna trifft Buch auf Dissidenten wie Elizardo Sánchez (acht Jahre Lagerhaft) oder den Christdemokraten und Sacharow-Preisträger Oswaldo Payá, der bereits mit 17 Jahren zu drei Jahren Haft und Zwangsarbeit in einem Steinbruch verurteilt worden war. Payá wird mit bedenkenswerten Worten zitiert: "Ich danke den USA für ihre moralische Unterstützung, aber ich sage ihnen immer wieder, dass sie auf Kuba zugehen müssen, weil es auch hier vernünftige Leute gibt - ebenso wie im Exil in Miami. Als Ausweg aus seiner selbstgewählten Isolation braucht Kuba eine Neuauflage der Entspannungspolitik, auch wenn dies schwer fallen wird."

Hans Christoph Buchs Ablehnung jeglicher Diktatur steht außer Frage. Vor allem jedoch ist er denkbar fern jener wohlfeilen (und nicht selten selbst zutiefst ideologischen) Ideologiekritik, die "Kuba" oder "Venezuela" allein als Beglaubigungs-Chiffre der eigenen Weltsicht wahrnimmt, die sich - erfahrungsfrei von deutschen Schreibtischen aus - dann entweder "rechtsliberal" oder "linksprogressiv" geriert. Das Widersprüchliche, die Hegelsche List der Vernunft wird diesem Schriftsteller-Reporter jedenfalls nicht zum pikiert marginalisierten Kollateralschaden, sondern zum eigentlich movens der Wirklichkeit. Könnte es nämlich zum Beispiel nicht sein, dass Hugo Chavez' Kuba-Freundschaft unter der Hand ganz andere Wirkungen hat als beabsichtigt? "Verglichen mit Kuba ist Venezuela ein Konsumparadies. Die dorthin entsandten Ärzte und Lehrer kehren mit Waschmaschinen und Laptops nach Hause zurück, und was noch wichtiger ist: Im venezuelanischen Fernsehsender Telesur, der auch auf der Insel empfangen wird, kommt die Opposition gegen Chávez zu Wort - für Kubas staatlich gelenkte Medien eine Sensation!"






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22.06.2008 00:23
#3 RE: Adios, Ideologen: Das rollende R der Revolution (von Hans Christoph Buch)
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Forums-Senator/in

zum Inhalt:

In Antwort auf:
Lateinamerika scheint dazu verdammt, die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen. Hans Christoph Buch, der über diese Region der Welt seit Jahrzehnten berichtet, begibt sich auf die Suche nach den Gründen dafür.

Nirgendwo auf der Welt erfreut sich revolutionäres Pathos einer so ungebrochenen Konjunktur wie in Lateinamerika, wo es mit rhetorischer Kraftmeierei, Eros, Exotismus und Folklore eine schier unwiderstehliche Verbindung einzugehen scheint: divenhafte Diktatorengattinnen werden zu Nationalheiligen verklärt, gefallene Guerilleros genießen Popstar-Status. Die politischen Szenarien in den betreffenden Ländern ähneln einander. Volksbefreier linker und rechter Provenienz treten auf die politische Bühne, verkünden das Ende von Armut und Korruption. Einmal an die Macht geputscht oder ins Amt gewählt, werden Hoffnungsträger zu Diktatoren oder deren Bewunderer. Buchs Reiseberichte und Reportagen, Analysen und politische Kommentare erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Seine außerordentliche Beobachtungsgabe, seine intime Kenntnis der politischen Zustände und kulturellen Verfaßtheit gewähren dem Leser einen privilegierten Einblick in die lateinamerikanische Realität.



»Ein Erzähler, der seine Leser nicht strapaziert, wenn er in Tagebuchmanier und gekonnt kurzer Form Eindrücke und Begegnungen mitteilt. Schmaler Band, breites Panorama.«
Deutschland Radio Kultur

»Seine messerscharfen Beobachtungen, seine intime Kenntnis der politischen Zustände und kuturellen Verfasstheit bieten Einblick in die lateinamerikanische Realität.«
Profil



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