Die heilige Atheistin

22.01.2006 14:49
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#1 Die heilige Atheistin
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Die heilige Atheistin

Im krisengeplagten Lateinamerika ist Chile ein Hort von Wohlstand und Stabilität. Die neue Präsidentin Michelle Bachelet verkörpert die Widersprüche des Landes - und ihre Versöhnung

von Hans Christoph Buch

Hans Christoph Buch Chiles neue Präsidentin wird vom Volk wie eine Heilige verehrt. Michelle Bachelet, die am vergangenen Sonntag ins Amt gewählte Mittfünfzigerin, löste bei ihren Wahlkampfauftritten frenetischen Jubel aus - jedesmal, wenn sie eine Marktfrau umarmte, ein Kind abküßte oder in einen chilenischen Apfel biß. Viele ihrer Anhänger versuchten gar, ihr Haar und ihre Kleider zu berühren, als sei sie eine Wunderheilerin.

Ihre konservativen Rivalen, den Harvard-Absolventen und Unternehmer Piñera und den Bürgermeister von Santiago, Lavín, schlug die Sozialistin und Kandidatin des Parteienbündnisses der linken Mitte, der "Concertación", mühelos aus dem Feld. Dabei waren die chilenischen Präsidentschaftswahlen, anders als in Peru oder Bolivien, nicht von Gewalt überschattet. Politische Differenzen wurden sachlich und fair ausgetragen. Demagogen wie Venezuelas Präsident Hugo Chávez hatten und haben in Chile keine Chance. Wie kommt es, daß der Andenstaat, der lange nur durch Folter und Verschwundene, Terror und Diktatur von sich reden machte, zum Hort von Wohlstand und Stabilität im krisengeplagten Südamerika geworden ist?

"Chile ist zu lang, zu schmal und viel zu weit weg", sagt augenzwinkernd der Romancier und Diplomat Jorge Edwards, der in Spanien mit dem renommierten Cervantes-Preis ausgezeichnet wurde: "Wir sollten es gegen was Kleineres eintauschen, näher an Paris!"

Edwards wurde von dem damaligen Präsidenten Salvador Allende Anfang der siebziger Jahre als Botschafter nach Kuba geschickt und auf Castros Befehl hin ausgewiesen. Er hatte sich für den Dichter Heberto Padilla eingesetzt, der gefoltert und zur Selbstkritik gezwungen worden war.

Edwards Buch "Persona non grata", eine Abrechnung mit dem kubanischen Polizeistaat, wurde in alle Weltsprachen übersetzt - nur nicht ins Deutsche. Die Wahrheit über Castros totalitäres System paßte nicht in die politische Landschaft. Jorge Edwards erinnert sich noch gut an die Zeit, als seine Freunde sich beklagten, in Chile passiere nie etwas. "Dann kam Allendes Unidad Popular, danach der Putsch von Pinochet, und nun sehnte man sich nach den ereignislosen fünfziger Jahren zurück."

Dem Militärputsch vom 11. September 1973 fielen etwa 3000 Personen zum Opfer, die zu Tode gequält oder erschossen und in der Atacama-Wüste verscharrt wurden. Weniger bekannt ist, daß Argentiniens 1976 an die Macht gekommene Offiziersjunta zehnmal soviel Menschen auf dem Gewissen hat. Daß die Linke stets nur Pinochet an den Pranger stellte, lag daran, daß Argentiniens Junta gute Beziehungen nach Moskau unterhielt und der Sowjetunion Weizen lieferte - die Opfer des Terrors hakte man dort kurzerhand als "Trotzkisten" ab.

Neben der Bundesrepublik ist Chile einer der wenigen Staaten weltweit, der seine blutige Vergangenheit selbstkritisch aufgearbeitet hat,...
http://www.wams.de/data/2006/01/22/834891.html

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25.01.2006 23:09 (zuletzt bearbeitet: 25.01.2006 23:19)
avatar  Jogni
#2 RE: Die heilige Atheistin
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spitzen Mitglied
Oh, wann hatte die Bundesrepublik ihre blutige Vergangenheit aufgearbeitet, hab ich was verpasst?
Ich finde es einfach unglaublich, dass eine solche Frau in Chile Präsidentin werden konnte, das lässt hoffen, für Chile, für die Frauen, ... . Die Leipziger Student/innen sind ohnehin zur Zeit ganz gut im Kommen, eine Bundeskanzlerin Angela Merkel, eine chilenische Präsidentin Bachelet ...

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