Kubas Wirtschaft in der Devisenklemme

17.08.2004 08:55
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#1 Kubas Wirtschaft in der Devisenklemme
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Rey/Reina del Foro

Kubas Wirtschaft in der Devisenklemme
Stabilität und Wachstum als Hauptsorgen

Erneut versuchen die USA, dem Regime in Havanna für das Überleben wichtige Devisen zu entziehen. Dank gestiegener Erdölförderung, boomendem Tourismus und grossen Rimessen hat sich die Wirtschaftslage stabilisiert.

bau. Miami/Havanna, im August

Beidseits der Strasse von Florida haben die Massnahmen Washingtons zur Beschränkung von Rimessen und Reisen aus den USA (vgl. Kasten) empörte Reaktionen ausgelöst. Die kubanische Regierung sprach von einem neuen Versuch, die Wirtschaft des Landes zu erdrosseln, und verfügte präventive Preiserhöhungen von 10% bis 30% auf Importgütern. Besonders stark davon betroffen sind Benzin, alkoholische Getränke und Zigaretten, während lebenswichtige Produkte wie Kindernahrung, Speiseöl, Teigwaren und Fleisch lediglich 10% teurer wurden. Die Dollarläden, die für die Kubaner häufig die einzige Quelle zur Beschaffung dieser Artikel jenseits der staatlichen Rationierungskarte sind, blieben im Mai während zweier Wochen geschlossen, was bei der Bevölkerung Befürchtungen auslöste, eine neue Zeit der Entbehrungen wie nach dem Zusammenbruch des Ostblocks stehe bevor.

Stumpfe Waffen

Auch eine Mehrheit des kubanischen Exils betrachtet die Einschränkungen als skandalöse Schikanen, die lediglich wahlkampfpolitischem Kalkül gehorchten und von Washington über kurz oder lang wieder zurückzunehmen seien. Bush und seine Berater verstünden eben nichts von der kubanischen Psychologie, heisst es überall in Miami. Dem Präsidenten gehe es um die republikanischen Wähler bei den Novemberwahlen, um das Wohl und den Zusammenhalt der kubanischen Familien kümmere er sich nicht einen Deut. Sogar die in Washington einflussreiche erzkonservative Cuban-American Foundation musste ob der lautstarken Protestwelle im eigenen Lager gegenüber Bush auf Distanz gehen und betonen, wie wichtig es sei - trotz allen ideologischen Differenzen -, die traditionellen Familienbande über alles zu stellen. «Castro regiert seit über 40 Jahren, und nichts scheint ihn zu erschüttern», schrieb ein Leser der «Sun Sentinel» in Florida und fügte bei: «Die neuen Massnahmen treffen das kubanische Volk, nicht die Regierung».

Als Ende Juni die Chartergesellschaften, welche den Passagiertransport zwischen den USA und Kuba besorgen, gezwungen wurden, in Miami mit leeren Maschinen zu starten, um lediglich Heimkehrer aus Havanna abzuholen, kam es zu Tumulten im Abflugterminal. Laut kubanischen Angaben sind im vergangenen Jahr 115 000 Kubaner der ersten und zweiten Auswanderergeneration zu Besuchen nach Kuba gereist. Das entspricht etwa 6% aller auf die Karibikinsel reisenden Touristen. Amerikanische Quellen schätzen, dass etwa die Hälfte der 1,3 bis 1,5 Mio. Kubaamerikaner regelmässig Geld in die alte Heimat überweisen und Geschenkpakete und Medikamente an ihre Verwandten senden.

Unter Kuba-Experten ist umstritten, wie stark der Einfluss der neuen Restriktionen auf den seit dem Ende des Sowjetblocks prekären Devisenhaushalt der Insel sein wird. Glaubt man dem Bericht, den die Commission for Assistance to a Free Cuba im Mai Präsident Bush ablieferte, so beliefen sich die Einnahmen für die kubanische Wirtschaft aus dem Verwandten-Tourismus 2003 auf rund 100 Mio. $. Dieser Betrag wird um einiges schrumpfen. Dagegen ist unwahrscheinlich, dass die Geldüberweisungen wesentlich zurückgehen werden. Diese betragen je nach Quelle zwischen 800 Mio. und 1,2 Mrd. $. Dank einer Vielzahl von (vorwiegend informellen) Überweisungskanälen, die zum Teil über Kanada und Mexiko führen, dürfte es den amerikanischen Behörden schwer fallen, den stetig plätschernden Rimessenfluss auch nur einigermassen zu verfolgen und Sünder zu büssen. Nach dem Tourismus mit 1,9 Mrd. $ Einnahmen sind die familiären Notgroschen Kubas wichtigste Devisenquelle und Rettungsanker des Regimes. Berücksichtigt man, dass für jeden Dollar aus dem Tourismus 32 Cent wieder für Lieferungen ins Ausland abgeführt werden, so wird die Bedeutung der Überweisungen für den staatlichen Devisenhaushalt noch deutlicher.

Bruch des Embargos

Die drastischen und alles andere als populären Preiserhöhungen dürften nicht nur die Reaktion auf die neuen Massnahmen der USA sein. Man darf annehmen, dass die kubanische Regierung einen allgemeinen Devisenengpass antizipiert. 2003 standen bescheidenen Exporten von knapp 1,5 Mrd. $ - namentlich Zucker, Nickel und Tabak - Importe von 4,5 Mrd. $ gegenüber. Wichtige Posten sind hier die Einfuhren für Grundnahrungsmittel (1,2 Mrd. $) und Erdölprodukte (1 Mrd. $). Dank gezielter Förderung der eigenen Schwerölreserven kann Kuba heute 40% des Bedarfs selber decken, doch die hohen Weltmarktpreise für Erdölprodukte bilden gegenwärtig eine schwere Hypothek für die Handelsbilanz. Nicht zu verachten sind die Einnahmen aus dem internationalen Telefonverkehr. Sie werden von US-Experten auf gegen 100 Mio. $ veranschlagt und sind die direkte Folge der zwangsweise getrennt lebenden Familien.

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass trotz aller Anti-Kuba-Rhetorik aus Washington die USA in den letzten Jahren für Kuba zu einem der wichtigsten Zulieferer von Landwirtschaftsprodukten aufgestiegen sind. Dies ist die Folge einer teilweisen Aufhebung des Embargos von 2001. Für das laufende Jahr rechnet man mit einem Verkaufsvolumen von 400 Mio. $, was einem Drittel der Nahrungsmittelimporte der Insel entspräche. Die Kubaner profitieren bei diesem Geschäft von günstigen Transportkosten und der politische Hebelwirkung bei der Agrarlobby der USA zugunsten normaler Handelsbeziehungen. Cargill und andere Unternehmen lachen sich ins Fäustchen, weil sie sich nicht um Exportfinanzierungen oder Schuldeneintreibung kümmern müssen: Auf Anordnung Washingtons ist jeder Transport bar zu bezahlen, bevor das Schiff den amerikanischen Hafen verlässt.

Strände statt Zucker

Trotz permanenter Mangelwirtschaft, die der Kubaner angesichts leerer Schaufenster und Verkaufsregale auf Schritt und Tritt zu spüren bekommt, befindet sich die Wirtschaft in einer dem sklerotischen Regime Castro willkommenen Verschnaufpause. Der konjunkturell bedingte Rückgang im Fremdenverkehr nach dem 11. September, als zeitweise ein Drittel aller Hotels geschlossen waren, ist Geschichte. Kuba wird 2004 erstmals über 2 (i. V. 1,9) Mio. Gäste beherbergen, eine Rekordzahl für den in den neunziger Jahren aus dem Boden gestampften Wirtschaftszweig. Die Saison ist gut angelaufen, und das Land verzeichnet in den ersten sechs Monaten 14% mehr Ankünfte als 2003. Nickelpreis und -produktion liegen erfreulich hoch und kompensieren etwa die Ausfälle aus der Zuckerproduktion. Die heurige Ernte ist mit 2,75 Mio. t fast ebenso schlecht ausgefallen wie im Vorjahr, als 2,4 Mio. t Zuckerrohr eingebracht wurden. Verantwortlich gemacht wird dafür eine ungewohnt schwere Dürre in den östlichen Provinzen, die in der Landwirtschaft Schäden von mindestens 70 Mio. $ angerichtet hat.

Das offiziell deklarierte Wirtschaftswachstum für 2003 von 2,6 (i. V. 1,5)% verdankt Kuba der Erholung im Tourismus und der gestiegenen Erdölförderung. Die Prognostiker der Economist Intelligence Unit rechnen für dieses und das nächste Jahr mit einem Wachstum von jeweils mehr als 3%. Amerikanische Experten stimmen darin überein, dass zu Lebzeiten von Revolutionsführer Castro mit keinen grundlegenden Änderungen des Wirtschaftssystems zu rechnen sei. Die relative Stabilisierung der Situation erlaube es dem Regime sogar, gewisse in der extremen Notlage der neunziger Jahre zugestandene Konzessionen wieder zurückzunehmen. Dies betrifft etwa die starke Besteuerung der immer kleiner werdenden Gruppe der Selbständigerwerbenden oder die neuerliche Zentralisierung der Devisenbewirtschaftung. An eine Bedienung der Auslandschulden in Höhe von 13 Mrd. $ (ohne alte Rubelschulden gegenüber Russland) sei in nächster Zeit nicht zu denken.

Experten vergleichen die Lage auf Kuba mit jener in China und stellen resigniert fest, im Gegensatz zu Peking fehle es Havanna an der politischen Überzeugung, den Marsch in Richtung Marktwirtschaft anzutreten. Damit stünden die Aussichten für einen neuen Boom bei den Auslandsinvestitionen denkbar schlecht. In der Regierung sei man stolz, die bodenlos tiefe Krise der neunziger Jahre erfolgreich gemeistert zu haben. Die auf Bewahrung der Errungenschaften des Sozialismus eingeschworene Equipe um Fidel und Raúl Castro behalte die Oberhand und gebe reformfreudigen Kräften keinerlei Chancen.


Weniger Reisen und Rimessen

Im Rahmen ihrer jahrzehntealten Embargopolitik gegenüber Kuba haben die USA Ende Juni Familienbesuche und Geldüberweisungen nach Kuba weiter eingeschränkt. Statt wie bisher einmal pro Jahr dürfen in den USA lebende Kubaner ihre Verwandten auf der Insel nur noch einmal alle drei Jahre besuchen, und dies nur während 14 Tagen. Das erlaubte Reisegeld pro Tag wird von bisher 164 $ auf neu 50 $ begrenzt. Der Kreis der Bezüger von Rimessen wird auf engste Verwandte beschränkt, die nicht Mitglied der Kommunistischen Partei sein dürfen. Pro Jahr darf jeder Exilkubaner wie bisher 1200 $ überweisen. Geschenkpakete aus den USA sind besonderen Beschränkungen unterworfen.

Quelle



Cuba-Reiseinfos
avenTOURa


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