Beobachtungen in Santiago de Cuba

27.03.2001 15:06
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#1 Beobachtungen in Santiago de Cuba
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Gast -
Freitagabend. Der erste Ausgang ist angesagt. Zuerst rasch ins Reparto Versalles zur Briefübergabe und dann zur Mutter an die Trocha. Die halbe Familie wartet schon auf der Strasse, denn natürlich haben wir wie immer Verspätung. Umarmungen, grosses Geschrei. Toto sagt uns, dass in der Casa de la Tradiciones ein Orchester mit einem alten Musiker spielt, der M. sehr liebt. Also nichts wie hin. Der alte Musiker scheint mir zuerst fast ohne Stimme. Er singt auch ohne Mikrophon. Wenn wir dann aber in seiner Nähe tanzen, merke ich wie gut der Mann ist. Wie originell sein Vortrag und mit wieviel Herz und Emotion er singt. Entfernt erinnert er mich an Eliades Ochoa. Das lokal ist tjokkevoll, auch im Innenhof wo die Sänger a Capella auftreten und einander immer wieder abwechseln. Viele Touristen aber auch viele Cubaner. Vorne tanzt eine Gruppe von sieben, recht elegant gekleidete Frauen, ich tippe auf Französinnen, zwischen 30 und 40, begeistert mit ebensovielen jungen schwarzen Männern. Und sie können's! Auch wenn manchmal einer der jungen Männer spasseshalber komplizierte Tanzfiguren anordnet und die eine oder andere mal aus dem Rhythmus fällt, fangen sie sich sofort wieder. Es ist ein Genuss die Paare anzuschauen. Sie sind gleichwertig und an einander gewagt. Das Ambiente ist auch wundervoll angeheizt. Nur ein paar Jineteras langweilen sich. Es gibt nur wenige ausländische Männer. Das Lokal hat sich aber schon geändert. Früher hat sich hierhin kaum ein Ausländer verirrt. Ist es weil der Eintrittt nur 10 Pesos kostet und nicht obligatorisch konsumiert werden muss? Das kann ja dem Tourist soweit gleich sein; es gibt aber dadurch ein wirklich cubanisches Ambiente und nicht eine Plastikwelt wie die Casa de la Trova es jetzt leider meistens ist, denn kein normaler Cubaner kann sich der Eintritt dort noch leisten.

Ein paar Tage später. Leider ist das Gartenrestaurant in der Nähe von La Maison inzwischen dollarisiert, da aber Aldo y su Son spielen, gehen wir natürlich hin. Als wir um 9.00 Uhr eintreffen, stellt sich heraus, dass sie erst gegen 11.00 Uhr spielen werden. Macht ja nichts, aber es gibt nur noch ein paar Bier und jugo de Tamarinde, trotz Dollarisierung (das Bier ist dann eine Stunde später auch ausverkauft). Aldo und einer der anderen Musiker setzen sich zu uns in der Ecke und wir diskutieren lange Zeit über Gott und die Welt und die Möglichkeiten zusätzlicher Konzerte in CH. Sie gehen nämlich zum ersten Mal auf Tournee nach Europa und haben gegen Sommer verschiedene Engagements in einem Restaurant in der Nähe von Zürich. Wunderbar. Als sie dann anfangen zu spielen wechseln wir den Tisch in die Nähe des Orchesters. Ach, da sitzen, bis jetzt für uns versteckt durch eine hohe Hecke, eine Gruppe von neun 50-60jährigen Männern zusammen mit 10 jungen cubanischen Frauen. Es wurde offenbar schon viel gebechert: der Tisch liegt voller Abfall und unter dem Tisch auch. Die Hecke wurde mit Blechdosen verziert. Aldo y su Son spielen toll wie immer, auch wenn der Trompetist (Vistel ging nach Havanna) ausgewechselt wurde. Ein paar Paare und wir auch tanzen während einigen Nummern. Dann aber stehen die 10 cubanische Frauen auf und fangen an zu tanzen, leider fast alle mit der Zigarette im Mund oder in der Hand und der Platz ist nur klein. Wir setzen uns also alle wieder hin. Die Frauen tanzen gut aber wie peinlich ist die ganze Sache. Sie tanzen zusammen oder allein. Die deutschen Männer schauen nur zu. Offenbar muss eine Wahl für den späteren Abend getroffen werden. Ach, immerhin bequemt sich einer aufzustehen und mit einer der Frauen zu tanzen. Er ist der Einzige, der sich jetzt zu amüsieren scheint. Die anderen schauen nur stumm zu. Auch die Cubaner sind inzwischen verstummt und begucken die eigenartige Szene. Auch bei mir stellt sich ein ungemütliches Gefühl ein. Einerseits gehöre ich vom Typ und Alter her und auch kulturell zu dieser Männergruppe, andererseits befremdet mich das Verhalten dieser Männer sehr. Ich will nur noch weg. Später zu Hause versuchen wir zu analysieren. Wieso bedrückte uns die Szene, im Gegensatz zu dem was wir einige Tage zuvor in der Casa de las Tradiciones miterlebten, so sehr? War es der grosse Altersunterschied? Ja, zum Teil. Das Aussehen der Männer? Nein, nicht einmal, natürlich hatten sie mehr oder weniger Bierbäuche, aber das ist normal bei biertrinkenden Männern dieses Alters. Das sie die Frauen alleine tanzen liessen. Ja, das ist gegen allen cubanischen Gepflogenheiten. Ein cubanischer Mann lässt eine Frau nicht alleine tanzen. Aber vor allem die Ungleichwertigkeit störte unheimlich. Da war nur ein Geschäft, und nichts anderes.

Schöne Grüsse von Elisabeth.


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27.03.2001 17:56
avatar  Gast - Le Baron
#2 Ja, ja
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Gast - Le Baron
Diese "Pariada" oberhalb von La Maison gefiel mir auch ganz
gut. Vielleicht waren wir sogar zur gleichen Zeit da, um den
Tag der Frauen herum - für die Pariada Anlass, zuzumachen.

Der Kuba-übliche katastrophal schlechte Service dort (45
Minuten Wartezeit für ein pollo frito) wird wenigstens durch
moderate Preise kompensiert (Cerveza 45 centavos, pollo
ab $1.05). Da hier wenig einzelne Damen reinmarschieren,
sollte man in Begleitung kommen. Im Bedarfsfall kann man ja
einfach eins der gelangweilten Mädels aus La Maison
mitnehmen, deren mittlere Aufreißzeit liegt bei 5 Sekunden.

Spielen nicht zwei Bands, eine um neun und eine um elf?
Die Band-Namen habe ich vergessen, die Musik fand ich als
Liebhaber von Merengue einfach nur zum Einschlafen.

Die alten Herren kenne ich zum Teil, genau wie deren Chicas. Eine habe ich mal am Strand von Siboney kennengelernt.
Natürlich keine Jinetera! War nie mit einem Touristen
zusammen! Trotzdem fuhren wir vom Strand direkt zu meiner
Casa. Und trotzdem war sie zwei Tage später mit dem Opi in
der Pariada. Wenigstens war es ihr abgrundtief peinlich.
Also doch kein schlechtes Mädchen, oder? Ich hätte sie ja
auch mal anrufen können.

Wo ist denn das "Casa de las Traiciones" (kleiner Scherz)?

Mein Mädchen tanzt übrigens nie allein.

/Le Baron

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27.03.2001 18:07
avatar  Gast -
#3 Re: Beobachtungen in Santiago de Cuba
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Gast -
Monsieur le Baron,
in der Parillada oberhalb la Maison waren wir am 14. März, ich nehme deshalb an, dass du nicht zur gleichen Gruppe gehörtest?!
Die Casa de las Tradiciones ist im Tivolí, etwa halbwegs zwischen Trocha und Parque Céspedes.
Elisabeth

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03.04.2001 21:06
avatar  Gast - Le Baron
#4 Re: Beobachtungen in Santiago de Cuba
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Gast - Le Baron
Querida Elisa,

so ist es. Ich habe mich schon Ende Februar - angewidert
von der Liderlichkeit der Santiagueras - aufgemacht in
die klösterliche Ruhe von ... Havanna!

Danke für den Tip zu Casa de las Tradiciones und die
orthografische (?) Korrektur der Parillada.

Vielleicht schau ich nächstes mal rein, vielleicht kann
mich Kuba aber auch mal gern haben und ich reise wieder
zu meiner Lieblingsinsel: der Dominikanischen Republik.

Glaubst Du, so etwas wäre dort passiert?

Mein Freund Mariachi, seine Novia und ich fahren zur
Disko Tropicana. NATÜRLICH werden beim Kartenverkauf
ihre Personalien aufgenommen. Bei der Kartenkontrolle
am Aufgang zur Treppe kommen uns einige Kubaner entgegen.
Sie warnen uns davor, nicht reinzugehen, da die Geheimpolizei die Disko abfilmt!

Wir beratschlagen kurz und gehen trotzdem rein. Nach einiger
Zeit kommt der "Kameramann" von der Terasse draussen in
die Disko, verkleidet als harmloser Tourist. Ich gehe auf
ihn zu und frage ihn, warum er hier filmt. Er fragt zurück
"Aus welchem Land kommen Sie?"
"Ich stelle hier die Fragen! Was soll die Filmerei?"
"Wird in ihrem Land nicht gefilmt?"
"Schon, aber man fragt die Leute vorher um Erlaubnis.
Sollten Sie mich filmen, werde ich Ihnen die Kamera
demolieren, verstanden?"
Er nickt.

Le Baron versucht, sich bei einem Mojito zu beruhigen und
träumt von Santo Domingo, nur eine Flugstunde von diesem
Drecksland weg. Flieg ich doch noch rüber?

Der größte Fehler in der Disko war, nicht immer bei der
Kleinen von Mariachi zu bleiben. Unmißverständlich klar
zu machen, dass sie zu ihm gehört.

Einmal sagt sie "Ich gehe auf die Toilette" und wart nicht
mehr gesehen! Am nächsten morgen taucht sie auf und teilt
mit, dass sie die Nacht auf der Polizeiwache verbringen
durfte. NATÜRLICH wurde ihr eine advertencia verpaßt, bei
der nächsten darf sie fünf Jahre in den Knast.

Nicht nur deshalb tanzt mein Mädel nie allein.

/Le Baron


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04.04.2001 09:05
avatar  pedrito ( Gast )
#5 Re: Beobachtungen in Santiago de Cuba
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pedrito ( Gast )
An die Fremdgeher:
Polio-Epedemie in der Dominikanischen Republik!
so stand es gestern im Hamburger Abendblatt.
Also: impfen lassen!.....oder gleich nach Santiago :-))

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04.04.2001 13:04
avatar  Elisabeth ( Gast )
#6 Re: Beobachtungen in Santiago de Cuba
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Elisabeth ( Gast )
Monsieur le Baron,
War das nicht das Tropical, alias Salon Rosado, alias Salon Benny Moré, alias das heisseste Pflaster das Havanna zu bieten hat? Deine Beschreibung könnte darauf hinweisen. Oder gibt es auch noch eine Disco die Tropicana heisst?
Grüsse, Elisabeth.

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04.04.2001 16:43
avatar  Gast - Le Baron
#7 Re: Beobachtungen in Santiago de Cuba
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Gast - Le Baron
Hallo Elisa,
ich meine das Tropicana in Santiago.
Da ist im ersten Geschoss eine Disko, eigentlich nicht
schlecht, aber die GESTAPO-Schergen haben mir den Spass
gründlich verdorben.

/Le Baron

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04.04.2001 17:45
avatar  Rey ( Gast )
#8 Re: Beobachtungen in Santiago de Cuba
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Rey ( Gast )
Hola Le Baron,

die Leute von kubanischen Stasi filmen die Gäste in der
Disko des Tropis ab ? Wenn,war es die Sitten-Polizei in
zivil.Aber warum sollten sie dort filmen, da ja eigentlich
jeder weiß, was dort abgeht. Besoffene Touris, die
Geld für den Eintritt mit Alk-Schluckerei wieder wett machen wollen und ihre jineteras samt Anhang.
Aber die Barkeeper sind von Seguridad, doch in Kuba arbeiten
fast alle im Tourismus auch für die Geheimpolizei.
Doch herrscht in der Dom.-Rep. nicht die selbe Verbandelung
zwischen Staatssicherheit und der Tourismusbranche?

Ar

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04.04.2001 17:54
avatar  uwe ( Gast )
#9 Re: Beobachtungen in Santiago de Cuba
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uwe ( Gast )
In Antwort auf:
was dort abgeht. Besoffene Touris, die
Geld für den Eintritt mit Alk-Schluckerei wieder wett machen wollen und ihre jineteras samt Anhang.


rey, das hoert sich fuer immer so an: die andere sind touris, ich bin was besseres.
http://santiago.online.de

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05.04.2001 09:36
avatar  Elisabeth ( Gast )
#10 Re: Beobachtungen in Santiago de Cuba
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Elisabeth ( Gast )
Das man in Santiago fast überall und ständig kontrolliert wird kann ich nur bestätigen. Als wir an einem Abend während dem Festival de la Trova auf der Plaza Dolores (wird ihren Namen gerecht!) ausruhten und mitansehen mussten wie alle junge Frauen (jineteras oder nicht jineteras) ausnahmslos und systematisch gebusst wurden, hat uns Wut und Verzweiflung gepackt. Eine Gruppe von 3 Freundinnen setzte sich nachdem sie gebusst wurden neben uns auf die Bank und wir kamen ins Gespräch. Die Frauen waren aus einer Ortschaft ausserhalb von Santiago und wollten einfach den freien Abend geniessen und ein bisschen Musik hören. Eine erzählte uns u.a. wie sie immer begeisterte Pionierin gewesen sei. Meine Meinung war: dies sind ganz normale Frauen und mein Mann, der es besser beurteilen kann, hat später gesagt: das sind auf keinen Fall Jineteras. Aber jetzt kommt's: zwei Polizisten blieben vom Anfang an hinter unserer Bank stehen und nach 10 Minuten sass auch gegenüber uns auf einer anderen Bank ein Polizist in Zivil, der erst wieder ging als wir alle zusammen weggegangen sind. Fragt jetzt nicht wie wir das so genau wissen. Wir wussten es.
Grüsse, Elisabeth.

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05.04.2001 14:44
avatar  Gast - ulf
#11 Re: Beobachtungen in Santiago de Cuba
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Gast - ulf
Hola Elisabeth,

dein Bericht stimmt 100%ig. War Dez. 2000-Jan 2001 6 Wochen in Santiago. Die Stadt wie im Belagerungszustand der Bullen.
Allerdings weniger Kontrollen als früher. Was mich wundert. Allerdings läßt Castro ab und zu die Zügel schleifen um wieder Touristen zwecks Dollar-Einnahmen anzulocken. Geschieht immer wieder im bestimmten Rythmus. Hat Methode.
Die Bullen unverschämt provozierend zum Teil gegenüber den Touris.Haben durch Ihre zahlenmäßige Übermacht vermutlich Oberwasser bekommen. Doch aufgrund ihrer Dummheit (die meisten sind campesinos mit deutlicher Leseschwäche) eigentlich kein Problem. Aber es nervt.
Die Cubaner immer mehr eingeschüchtert u. verängstigt. Sogar meine Bekannten die man vielleicht zum Teil der Opposition zuordnen kann,trauen sich kaum noch was zu sagen, weil auch die Wände hellhörig sind.

ulf

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05.04.2001 15:15
avatar  Gast - Le Baron
#12 Re: Beobachtungen in Santiago de Cuba
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Gast - Le Baron
Ich war im Februar/März in Cienfuegos, Santiago, Baracoa
und Havanna. Die Repressalien waren in Santiago eindeutig
am schlimmsten. Dies betrifft Anzahl der Bullen auf der
Straße ("mas policia que comida") genauso wie Kontrolle
der Casas. Die Zügel sind straff angezogen im Moment.

Letzlich kann jedoch selbst der kubanische Polizeistaat
Kontakte aller Art zwischen Touristen und den nach
fula verde gierenden Einheimischen kaum eindämmen.

Alle geht eben a lo cubano.


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05.04.2001 15:21
avatar  El Comandante ( Gast )
#13 Re: Beobachtungen in Santiago de Cuba
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El Comandante ( Gast )
was ist an der polizei so schlimm ??? mich stören sie nicht. nenn mir doch mal wann sie dich belästigt haben.

im februar stand auch an jeder ecke einer. einer half mir ein geschäft zu finden (ist sogar mitgegangen) und ein anderer half mir sogar mal meinen rumvorrat ins casa zu bringen.

also ich habe wie man liest keine probleme mit der polizei

el comandante

ps. meine chica war immer dabei.
www.santiago-de-cuba.de

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05.04.2001 15:28
avatar  pedrito ( Gast )
#14 Re: Beobachtungen in Santiago de Cuba
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pedrito ( Gast )
Havanna ist auf jeden Fall "liberaler".
Santiago wird von den Einwohnern auch "Distrito Federal
de Santiago" genannt.

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07.04.2001 09:26
avatar  Dagobert ( Gast )
#15 Re: Beobachtungen in Santiago de Cuba
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Dagobert ( Gast )
Hmmm, also ich weiß nicht...
Weder die Mädels, mit denen ich zusammen war, noch ich hatten bis jetzt Probleme mit der Polizei. Dabei haben wir uns damals immer offen auf der Straße gezeigt.
Auch am Strand in Guanabo, in Pinar del Rio oder in Santiago im Tropicana - keinerlei Probleme.
Vielleicht liegt es ja daran, wie sich die Dame gibt, und wie Du sie vor Ort behandelst? Auch ein noch so dummer Bulle kann eine rein geschäfltliche "Beziehung" sicher erkennen. Schon am Gesichtsausdruck der Mädel *ggg*


Mein Motto: Geht nicht - gibt's nicht

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