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Herzkranke kub. Kinder
21.02.2008 23:49 (zuletzt bearbeitet: 21.02.2008 23:50)
santiaguero aleman
(
gelöscht
)
#1 Herzkranke kub. Kinder
santiaguero aleman
(
gelöscht
)
Details
DIE ZEIT, 17.01.2008 Nr. 04
Politisch brisante Herzkatheter
Von Harro Albrecht
Wie herzkranke Kinder zu Opfern der strikten amerikanischen Außenhandelspolitik werden
Mario Tama/Getty Image
Sind Kinder die Feinde?«, fragt sich Gunther Fischer, stellvertretender Direktor der Kinderkardiologie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein. Seit sieben Jahren bildet der Arzt in Havanna kubanische Kollegen in den neuesten Techniken zur minimalinvasiven Therapie von kindlichen Herzfehlern weiter. Kürzlich aber machte Fischer eine verstörende Erfahrung. Die sehr speziellen Sonden aus den USA für die Behandlung der Kinder unterliegen neuerdings offenbar ähnlich strikten Ausfuhrbeschränkungen wie der bombenträchtige Export von Ultrazentrifugen zur Uran-Anreicherung nach Iran.
Viele angeborene Herzfehler lassen sich mittlerweile über einen Herzkatheter korrigieren, ohne dass der Brustkorb geöffnet werden muss. So lässt sich ein Loch in der Herzscheidewand von der Leiste aus über die Blutgefäße mit einem Flicken verschließen. Oder eine verengte Herzklappe wird mit einem Ballon aufgedehnt. Die Eingriffe sind weniger riskant als die Operation am offenen Herzen, und die Kinder können nach wenigen Tagen das Krankenhaus verlassen. Ideale Bedingungen für ein armes Land, das ein extrem niedriges Pro-Kopf-Einkommen hat und das alle Ressourcen möglichst effizient einsetzen muss.
Leider haben zwei US-Firmen, AGA Medical Corporation und NuMed, gleichsam ein Monopol auf die feinen Kinderkatheter, die aus hygienischen Gründen nur einmal eingesetzt werden dürfen. In den vergangenen Monaten wurde der Import für Kuba erheblich erschwert, die kleinen Patienten drohen jetzt das Opfer der Politik zu werden. Wer versucht, das Embargo zu umgehen, der riskiert hohe Geldstrafen und die strafrechtliche Verfolgung durch die amerikanischen Behörden. Sollen Kinder sterben, weil keine Katheter mehr da sind? Dieses Szenario sei »realistisch«, zitiert Fischer seinen Kollegen Eugenio Selman-Housein Sosa, Direktor des zentralen Kinderherzzentrums William Soler in Havanna.
Nicht nur Kuba ist vom Embargo für die begehrten Instrumente betroffen. »Wir wollen Katheter nach Syrien und Iran liefern, aber wir mussten dafür eine Lizenz in den USA beantragen«, bestätigt Geret van Wageningen, der europäische Repräsentant von NuMed. Er habe den Antrag bereits vor einem Jahr gestellt. Ob die Lizenz erteilt würde, sei ungewiss. Könnten andere Filialen liefern? Auch über die kanadische Niederlassung von NuMed sei der Export in gebannte Länder nicht zu umgehen, warnt van Wageningen.
Eine Rückfrage beim NuMed-Eigner Allen Tower ergab: Angeblich weiß er nichts von Problemen. »Wir liefern über Kanada«, behauptet er. Das bedeute mehr Papierkram, aber es ginge. »Allen Tower interessiert sich nicht so sehr für Feinheiten des Exports«, kontert Michael Tynan, Nestor der kubanischen Kinderkardiologie. Er wisse, »dass der kanadische Ableger auch Schwierigkeiten hat«.
Auslöser der Embargoverschärfung war der Verdacht, die Kubaner behandelten ausländische Patienten gegen Devisen und stützten damit ihr Regime. Jetzt verlangen die US-Behörden die Offenlegung der Nationalität jedes Patienten. Die kubanischen Ärzte aber wollen die Daten nicht preisgeben, sie seien vertraulich. »Ich bin mir nicht sicher, wessen Entscheidung das war«, sagt Tynan. Möglicherweise verweigern die Ärzte die Akteneinsicht auf Anordnung der Regierung.
Wie auch immer, das Bürokratengezänk hat Folgen: Bald werden Kubas Kardiologen den letzten Herzkatheter verbraucht haben. Dann wird ihnen wohl nichts anderes übrig bleiben, als den kranken Kindern den Brustkorb zu öffnen – aus politischen Gründen.
http://www.zeit.de/2008/04/M-Herz
Für die westliche Freiheit dürfen schon einmal Kinder sterben.
Politisch brisante Herzkatheter
Von Harro Albrecht
Wie herzkranke Kinder zu Opfern der strikten amerikanischen Außenhandelspolitik werden
Mario Tama/Getty Image
Sind Kinder die Feinde?«, fragt sich Gunther Fischer, stellvertretender Direktor der Kinderkardiologie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein. Seit sieben Jahren bildet der Arzt in Havanna kubanische Kollegen in den neuesten Techniken zur minimalinvasiven Therapie von kindlichen Herzfehlern weiter. Kürzlich aber machte Fischer eine verstörende Erfahrung. Die sehr speziellen Sonden aus den USA für die Behandlung der Kinder unterliegen neuerdings offenbar ähnlich strikten Ausfuhrbeschränkungen wie der bombenträchtige Export von Ultrazentrifugen zur Uran-Anreicherung nach Iran.
Viele angeborene Herzfehler lassen sich mittlerweile über einen Herzkatheter korrigieren, ohne dass der Brustkorb geöffnet werden muss. So lässt sich ein Loch in der Herzscheidewand von der Leiste aus über die Blutgefäße mit einem Flicken verschließen. Oder eine verengte Herzklappe wird mit einem Ballon aufgedehnt. Die Eingriffe sind weniger riskant als die Operation am offenen Herzen, und die Kinder können nach wenigen Tagen das Krankenhaus verlassen. Ideale Bedingungen für ein armes Land, das ein extrem niedriges Pro-Kopf-Einkommen hat und das alle Ressourcen möglichst effizient einsetzen muss.
Leider haben zwei US-Firmen, AGA Medical Corporation und NuMed, gleichsam ein Monopol auf die feinen Kinderkatheter, die aus hygienischen Gründen nur einmal eingesetzt werden dürfen. In den vergangenen Monaten wurde der Import für Kuba erheblich erschwert, die kleinen Patienten drohen jetzt das Opfer der Politik zu werden. Wer versucht, das Embargo zu umgehen, der riskiert hohe Geldstrafen und die strafrechtliche Verfolgung durch die amerikanischen Behörden. Sollen Kinder sterben, weil keine Katheter mehr da sind? Dieses Szenario sei »realistisch«, zitiert Fischer seinen Kollegen Eugenio Selman-Housein Sosa, Direktor des zentralen Kinderherzzentrums William Soler in Havanna.
Nicht nur Kuba ist vom Embargo für die begehrten Instrumente betroffen. »Wir wollen Katheter nach Syrien und Iran liefern, aber wir mussten dafür eine Lizenz in den USA beantragen«, bestätigt Geret van Wageningen, der europäische Repräsentant von NuMed. Er habe den Antrag bereits vor einem Jahr gestellt. Ob die Lizenz erteilt würde, sei ungewiss. Könnten andere Filialen liefern? Auch über die kanadische Niederlassung von NuMed sei der Export in gebannte Länder nicht zu umgehen, warnt van Wageningen.
Eine Rückfrage beim NuMed-Eigner Allen Tower ergab: Angeblich weiß er nichts von Problemen. »Wir liefern über Kanada«, behauptet er. Das bedeute mehr Papierkram, aber es ginge. »Allen Tower interessiert sich nicht so sehr für Feinheiten des Exports«, kontert Michael Tynan, Nestor der kubanischen Kinderkardiologie. Er wisse, »dass der kanadische Ableger auch Schwierigkeiten hat«.
Auslöser der Embargoverschärfung war der Verdacht, die Kubaner behandelten ausländische Patienten gegen Devisen und stützten damit ihr Regime. Jetzt verlangen die US-Behörden die Offenlegung der Nationalität jedes Patienten. Die kubanischen Ärzte aber wollen die Daten nicht preisgeben, sie seien vertraulich. »Ich bin mir nicht sicher, wessen Entscheidung das war«, sagt Tynan. Möglicherweise verweigern die Ärzte die Akteneinsicht auf Anordnung der Regierung.
Wie auch immer, das Bürokratengezänk hat Folgen: Bald werden Kubas Kardiologen den letzten Herzkatheter verbraucht haben. Dann wird ihnen wohl nichts anderes übrig bleiben, als den kranken Kindern den Brustkorb zu öffnen – aus politischen Gründen.
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