Oldtimer auf Kuba Rauchzeichen aus Havanna

07.04.2007 07:34
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Cubaliebhaber/in





Ressort: Auto & Mobil
URL: /automobil/artikel/44/108935/article.html
Datum und Zeit: 07.04.2007 - 07:31


06.04.2007

Oldtimer auf Kuba
Rauchzeichen aus Havanna
Sie waren Statussymbole des Kapitalismus, heute sind die Oldtimer aus vorrevolutionärer Zeit längst kubanisches Kulturgut. Eine Probefahrt.
Von Margit Kohl


Wo Kommunisten leben, sterben die Probleme, heißt einer dieser platten Propagandasprüche auf Kuba, die man bisweilen auf Werbetafeln am Straßenrand findet. Vermutlich fallen sie einem nur deshalb auf, weil das Land in kommerziellen Dingen sonst eine gänzlich werbefreie Zone ist. Aus der Kühlerhaube unseres Ford Victoria Baujahr 1953 steigt indes grauer Rauch auf, der mittlerweile direkt in den Fahrgastraum hineindrückt und einem nur deshalb nicht das Hirn vernebelt, weil es sich bei diesem Wagen um ein Cabriolet handelt. Als Beifahrer würde man dennoch am liebsten aus dem Auto springen, aus Angst, das Gefährt könnte gleich in Flammen aufgehen. Schließlich liegt die letzte Panne erst eine Viertelstunde zurück, als der Taxifahrer nach einem kurzen Zwischenstopp seinen Ford nicht mehr zum Laufen brachte, ohne für eine kurze Montageaktion hinter der Kühlerhaube zu versinken.

Das wird's wohl jetzt gewesen sein mit der nostalgischen Oldtimerfahrt durch Alt-Havanna, denkt man als Fahrgast, doch der Taxi-Chauffeur verzieht noch immer keine Miene. Nein, er lächelt sogar. Immerhin fährt er langsam rechts ran und bedeutet einem, dass das bisschen Rauch kein Grund zur Panik sei. Na dann möchte man im real existierenden Sozialismus doch gern auch dieses Problemchen sterben sehen. Als hätte er einen laut denken hören, sagt der Fahrer: "Kubaner finden immer eine Lösung."

"Kubaner finden immer eine Lösung." Vor allem, wenn'ss um die Oldtimer geht

Fürwahr, auf Kuba muss man schon allein wegen des Handelsembargos, das die USA seit 1961 verhängt haben, erfinderisch sein. Da werden abgeschnittene Strumpfhosenoberteile zu Mützen umfunktioniert, kleine Knöpfe als Paillettenersatz auf Abendkleider genäht und Omas Silbergabel aus vorrevolutionärer Zeit wird zum Armreif umfunktioniert. Auch unser Fahrer ist inzwischen unter der Kühlerhaube fündig geworden und hält grinsend die verkokelten Plastikgriffreste einer Beißzange in den Händen. Das Werkzeug hatte er bei der vorangegangenen Reparaturaktion doch glatt auf dem Motorblock liegen lassen, weshalb sich das Plastik nun gänzlich in Rauch aufgelöst hat. Problem gelöst, einsteigen, weiter geht die Fahrt durch Havannas Altstadt.

Sie galt einst als Perle unter den Städten der Karibik und lebt heute, zumindest in den Augen der Touristen, von ihrem morbiden Charme und einer einzigartigen Mischung aus Tropen und Sozialismus, Prachtbauten und Ruinen, russischen Ladas und amerikanischen Oldtimerlimousinen aus vorrevolutionärer Zeit. "Wenn es etwas in dieser Stadt im Überfluss gibt, dann sind es die Einstürze", schreibt der kubanische Schriftsteller Abilio Estévez in "Los palacios distantes" (Die fernen Paläste), einem Schlüsselroman über den Zerfall Havannas und seines politisch maroden Regimes.


Der architektonische Stilmix aus Klassizismus, Barock, Empire und Jugendstil verbindet sich mit den mit Wäscheleinen, Vogelkäfigen und mit jeder Menge Gerümpel bestückten Balkonen zu einer höchst surrealen Kulisse. Während im Stadtteil von Habana Vieja die Sanierungsmaßnahmen unter Regie der Unesco in großen Teilen schon umgesetzt sind, recken nur ein paar Häuserblocks weiter Ruinen ihre Stümpfe wie ein kariöses Gebiss in den Himmel.

Zwar sehen manche windschiefe Gebäude so aus, als sollte man keine Zeit mehr verlieren und die Bewohner schnell in Sicherheit bringen; die Menschen wollen aber lieber bleiben - aus Furcht, sie könnten im Falle einer Sanierung für immer in einen Plattenbau an den Stadtrand verbannt werden. Doch so weit kommt es selten, denn der Staat gibt für gewöhnlich nur Geld für die Instandsetzung von staatlichen Gebäuden aus. Bliebe also nur die Privatinitiative. Doch ein Sack Zement ist, wenn überhaupt, nur für Devisen zu bekommen und kostet umgerechnet fast einen halben Monatslohn.

"Bei der Frage, ob man sein Geld für einen Teller Reis mit Bohnen oder für Baumaterialien ausgibt, fällt die Antwort wohl nicht schwer", sagt unser Chauffeur, wenn er denn überhaupt etwas sagt. Meistens schaut er sich erst einmal um, ob uns jemand zuhört, bevor er die scheinbar indiskreten Fragen beantwortet. Denn mit Fremden sprechen generell nur wenige Kubaner gerne offen über die sozialpolitische Misere ihres Landes. Geben wir unserem Taxifahrer also der Einfachheit halber den Namen Pedro.

Langsam tuckert unser Ford Victoria durch Centro Habana, als diesmal weißer Rauch nicht etwa erneut aus unserer Kühlerhaube, sondern aus einem der alten Kolonialhäuser dampft. Ob da einer der Bewohner an den maroden Elektroleitungen herumgebastelt hat, um endlich einer der nächsten nächtlichen Stromsperren zu entgehen, wollen wir wissen. "Das Problem kommt aus den Wassertanks", meint Pedro, denn die meisten Wohnungen haben keine Wasserleitungen, und in den Tanks brüten gerne Larven von Moskitos, die Dengue-Fieber verbreiten. Und da ist er auch schon wieder, dieser Kubaner-finden-immer-eine-Lösung-Blick, und Pedro sagt: "Kontrolleure der Gesundheitsbehörde sprühen regelmäßig Insektizide gegen diese Biester, das dampft ein wenig, hilft aber ungemein."


Noch 1959 fuhren 192.000 amerikanische Automobile über die Karibikinsel, heute sind noch etwa 48 000 davon übrig. Jedes Museum der Welt würde sich vermutlich glücklich schätzen, manch seltenes Modell in seiner Sammlung zu haben.



Der sozialistischen Logik verdankt Kuba auch, dass es inzwischen das größte Reservat für ausgestorbene amerikanische Autos ist. Eigentlich darf ein einfacher Genosse kein Privatauto besitzen, schließlich sollen doch alle Menschen gleich sein. Eine Ausnahme gibt es allerdings. Erlaubt sind nur Autos, die schon vor der Revolution 1959 im Land waren. Einen legalen Verkauf von Oldtimern an zahlungskräftige Ausländer hat die Kulturbehörde schon vor geraumer Zeit untersagt und all die Chevys, Chryslers, Studebakers, Fords und Buicks, die wie protzige Statussymbole des Kapitalismus durch Havannas Straßen gleiten, zum kubanischen Kulturgut erklärt.

Noch 1959 fuhren 192 000 amerikanische Automobile über die Karibikinsel, heute sind noch etwa 48 000 davon übrig. Die unverwüstlichen Schlitten sind inzwischen meist alle älter als ihre Besitzer, und jedes Museum der Welt würde sich vermutlich glücklich schätzen, manch seltenes Modell in seiner Sammlung zu haben. Nur darf man sich dabei nicht der Illusion hingeben, es handle sich um auf Hochglanz polierte Garagenfahrzeuge, die nur alle Schaltjahre zum Einsatz kommen. Auf Kuba sind Oldtimer keine Sonntags-, sondern Alltagsfahrzeuge, an denen wegen der hohen Luftfeuchtigkeit und des Salzwassers permanent der Rost nagt. Ersatzteile sind schon allein aufgrund des Embargos Mangelware, deshalb wird in den Autowerkstätten einfach passend gemacht, was gerade zur Verfügung steht. Längst stammt so mancher Austauschmotor aus einem Wolga und der Vergaser von einem Lada.

So mancher Austauschmotor stammt aus einem Wolga, mancher Vergaser von Lada

Verschweigen sollte man auch nicht, dass die meisten Besitzer einer quietschenden, durchgesessenen Nostalgieschaukel diese liebend gerne gegen einen Golf neueren Baujahrs tauschen würden. Denn es kann dauern, bis aus manchem Schrotthaufen wieder ein fahrtüchtiges Auto gebastelt ist. Der Straßenverkehr auf Kuba folgt daher bisweilen einem ganz eigenen Rhythmus. Nein, nicht dem von Mambo, Rumba oder Salsa, sondern dem vom Fahren, Schrauben, Fahren und erneutem Schrauben.

Schon allein deshalb ist es vermutlich sogar klug, dass man Touristen generell keine Oldtimer selbst fahren lässt. Für dieses Vergnügen muss man sich ein Taxi mit einem Chauffeur mieten, der die Tücken seines Fahrzeugs genauso gut kennt wie all die trügerischen Schlaglöcher schrundig aufgebrochener Fahrbahnen.


Der Straßenverkehr auf Kuba folgt seinem eigenen Rhythmus. Nein, nicht dem von Mambo, Rumba oder Salsa, sondern dem vom Fahren, Schrauben, Fahren.



Doch um den richtigen Wagen zu finden, muss man zunächst die bunte Vielfalt von gelben, braunen, orangen, roten, bordeaux-farbenen, weißen, schwarzen und blauen Nummernschildern richtig deuten lernen. Die gelben gehören zu Privatfahrzeugen und sind für Touristen schon deshalb tabu, weil die Fahrer ihre Lizenz und im Wiederholungsfall gar das Auto riskieren, sollten sie einen Urlauber durch die Gegend kutschieren. Schließlich soll der Kontakt zur Bevölkerung von Staats wegen auf ein gewisses Maß beschränkt bleiben. Weshalb es blau beschilderte staatliche Fahrzeuge gibt, zu denen auch solche Taxis gehören, die den Touristen vorbehalten sind. Was das alles soll? Der bunte Fuhrpark macht nicht nur die Verkehrsüberwachung einfacher, er dient auch der Kontrolle, schließlich hat ein Dienstfahrzeug an Werktagen nichts am Badestrand verloren.

Pedro fährt übrigens für eine staatliche Firma, der 40 Oldtimertaxis, davon sieben Cabrios, gehören. Umgerechnet 30 Euro kostet eine Stunde im Oldtimer-Cabrio mit Chauffeur, das ist mehr als der durchschnittliche Monatslohn eines Kubaners. Dabei hatten die Revolutionäre doch ursprünglich geplant, Geld generell abzuschaffen.

30 Euro kostet eine Stunde im Oldtimer-Cabrio mit Chauffeur

Noch während man darüber nachdenkt, weshalb einem dann noch immer Che Guevara vom Drei-Peso-Schein so heldenhaft entgegenschaut, fährt unser Ford-Cabrio inzwischen die Auffahrt zum Habana Libre hoch. Im früheren Hilton Hotel ist dann Endstation, obwohl hier eigentlich alles begann. Denn in den ersten Monaten nach dem Umsturz war das Haus Hauptquartier der Revolution gewesen.

Im Foyer hängen noch die alten Schwarz-Weiß-Fotos, als die Hiltons das Hotel 1958 mit großem Pomp eröffneten. Daneben die Bilder von jungen Revolutionären, die, gerade mal ein halbes Jahr später, mit Maschinenpistolen lässig in der Lobby sitzen und auf ihren Comandante warten. Unbeholfene Bauernsöhne zumeist, die sich als Sieger fühlten und dennoch völlig eingeschüchtert waren von all dem Prunk eines Fünf-Sterne-Hauses. In einem der oberen Stockwerke ist die Suite, in der Fidel Castro seinerzeit logierte, noch immer im Originalzustand erhalten. Sie wird nicht mehr vermietet, sondern wie ein kostbarer Schatz im Verborgenen gehütet, denn es bedarf einiger Überredungskunst, einen Blick in die erste Kommandozentrale der Republik werfen zu dürfen.


Hinter schweren, schallgedämmten Türen tut sich dann eine komplette Wohnung auf: zwei getrennte Schlafzimmer, Rauchglasspiegel mit Bronzeornamentik als Kopfverzierungen der Betten, weinrot und blau gemusterte Fünfziger-Jahre-Sofas, die auf so dünnen Beinen stehen, als kämen sie gerade aus der neuesten Ikea-Kollektion. Ein Wohnraum, abgetrennt mit einem Paravent aus filigranen Mustern, dahinter ein Flügel, ein Konferenz- und Arbeitszimmer mit zwölf lindgrünen Stühlen um einen quadratischen Holztisch. Vom Balkon hat man den wohl schönsten Blick auf Havanna. Auf das Capitolio zum Beispiel, den früheren Sitz des Senats und Parlamentes, den man in den 1920er Jahren als weitgehende Kopie des Capitols in Washington gebaut hatte. Der Comandante wird da vermutlich lieber auf den Platz der Revolution geschaut haben, wo er das kubanische Volk bisweilen in mehrstündigen Reden auf revolutionäre Wachsamkeit einschwor.

Fidel Castro empfing einst einen Reporter im weißen Pyjama

Natürlich gibt es jede Menge Räuberpistolen, die sich angeblich hier oben zugetragen haben sollen. Fakt ist lediglich, dass Castro die Suite zusammen mit seiner damaligen deutschen Geliebten Marita Lorenz bewohnte, die ihn in ihren abenteuerlichen Memoiren ("Lieber Fidel") der Zwangsabtreibung des gemeinsamen Kindes bezichtigt, weshalb sie später angeblich vom CIA angeheuert hierher zurückkam, um Fidel Castro zu vergiften, was sie dann offensichtlich doch nicht übers Herz gebracht haben will.

Filmisch festgehalten ist dagegen ein Fernsehinterview, das CBS New York im Januar 1959 mit dem frischgebackenen Revolutionär aus der Suite übertrug. In dem Beitrag empfängt Fidel Castro die Zuschauer in weißem Pyjama auf dem Sofa sitzend und versichert dem amerikanischen Reporter, es bestünde kein Grund zur Sorge, auf Kuba gebe es ganz sicher keine kommunistischen Umtriebe. Wer wollte damals einem braven Familienvater misstrauen, der auch noch liebevoll die Promenadenmischung seines Sohnes Fidelito tätschelte, als dieser ebenfalls im Schlafanzug gekleidet, mit dem kleinen Hund im Arm, ins Zimmer kam.

Nur wie man bekanntlich weiß, kam dann alles doch ganz anders.


(SZ vom 5.4.2007)

http://www.sueddeutsche.de/automobil/artikel/44/108935/

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José Ortega y Gasset: "Ser de izquierdas, como ser de derechas, es una de las infinitas maneras que el hombre puede elegir para ser un imbécil; ambas, en efecto, son formas de hemiplejia moral".


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