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Unterricht an der Universität in Santa Clara: Nuevo Hombre vs. Homo Oeconomicus
11.03.2007 04:37 (zuletzt bearbeitet: 11.03.2007 04:39)
#1 Unterricht an der Universität in Santa Clara: Nuevo Hombre vs. Homo Oeconomicus
http://www.perspektive89.com/2007/03/10/...omo_oeconomicus
Unterricht an der Universität in Santa Clara: Nuevo Hombre vs. Homo Oeconomicus
Die Uni in Santa Clara: Nach den anfänglichen Schwierigkeiten mit meinen Kursen und der Einschreibung erhalte ich mittlerweile quasi-privaten Sprachunterricht. Gemeinsam mit Enes, einem Chinesen aus der Nähe von Shanghai, lerne ich täglich etwa 3 Stunden Spanisch. Leider sind die Möglichkeiten begrenzt: Es gibt kaum Papier bzw. Kopiermöglichkeiten, keine Audio- bzw. Videoabspielgeräte, keine Overhead-Projektoren und auch keine Lehrbücher.
Internetzugang haben die Studenten ab 20.00 Uhr, wobei die gesamte Uni über eine einzige Leitung von 100Mb/s verfügt (einen besseren Haus- bzw. regulären Büroanschluss in Deutschland). Daran sind hunderte von Computern angeschlossen, was zur Folge hat, dass das einfache Abrufen von 3-5 Mails normalerweise 1.5 Stunden dauert. Oft ist die Seite fast fertig aufgebaut und dann wird plötzlich aus irgendeinem Grund der Zugang verweigert.
Kreide und Tafel sorgen für’s Nötigste beim Lernen. Unsere Professorin beglückt uns beständig mit linientreuen Texten, so lerne ich viel über die kapitalistische Ausbeutung des Landes vor der Revolution, über die Schlachten Chés gegen das Batista Regime und über die gegenwärtigen Erfolge des Sozialismus. Hierzu gehört unter anderem Material zur Schaffung des „Nuevo Hombre“ oder dem neuen Menschen. Dieser widerspricht dem Menschenbild des „Homo Oeconomicus“, welches in den Wirtschaftswissenschaften vorherrschend ist, in fast allen Punkten. Oft ist von altruistischen Taten die Rede, vom freundlichen, allzeit bereiten Arbeitern und Mitbürgern. Es wird appelliert an Mitgefühl und Zusammenhalt. Diese Nachrichten werden psychologisch verstärkt durch die sozialistischen Parolen, die an Stelle der heimischen Werbeplakate überall am Straßenrand zu finden sind. Diese beteuern, dass „eine bessere Welt möglich ist“, vergleichen Patriotismus mit Menschlichkeit und gipfeln in meinem Lieblingsspruch „Sozialismus oder Tod“. Letzterer spiegelt phantastisch die Schwarzweißmalerei wider, die das Weltbild dieses Landes bestimmt.
[...]
Ansonsten habe ich noch zwei andere Kurse belegt, nämlich Qualitätsmanagement in Tourismusbetrieben und Organisationspsychologie. Die akademische Messlatte ist hier nicht ganz so hoch anzulegen. Zugegebenermaßen erlauben die Umstände natürlich auch keine Lernqualität wie bei uns, dennoch besteht die Aufgabe der Studenten lediglich darin den Wortlaut der Professoren möglichst genau zu kopieren. Kritisches Denkvermögen ist hier nicht gefragt. Leider war das in meinem bisherigen Studium auch oft nicht anders, dennoch empfand ich es als nicht so offensichtlich wie hier.
[...]
Sozialismus im Klassenzimmer: Neulich wurde das Gespräch im Spanisch-Kurs politisch. Enes fing an zu wettern über das sozialistische Regime in China. Es gäbe zu viel Vetternwirtschaft, zu viel persönliche Vorteilnahme und die Partei nehme zu viel Einfluss auf das Leben der Individuen, dennoch sei das Leben dort immer noch 1000mal freier als in Kuba. Es gäbe mehr zu Essen, das Verkehrswesen sei fortgeschrittener und auch sonst sei die Lebensqualität wesentlich höher. Schon während seines Monologs bekam die Professorin einen roten Kopf und forderte Enes wiederholt auf zu flüstern bzw. komplett zu schweigen. Ich fühlte mich etwas wie im Kindergarten, begegnete den Aufforderungen der Professorin mit verständnislosem Kopfschütteln. Kaum hatte Enes ausgesprochen, unterrichtete sie uns flüsternd, man dürfe so etwas nicht sagen, noch nicht einmal denken, immerhin wäre die Überwachung hier sehr streng. Nervös hielt sie dabei Blickkontakt mit der Tür. In jedem Land gäbe es gute und schlechte Seiten des Lebens. Und Kuba hätte viele enorme Dinge erreicht. Dann kam die Leier mit dem Gesundheitswesen und der Armut, mit der man hier täglich konfrontiert wird. Enes grinste die ganze Zeit hocherfreut, weil er der Meinung ist, dass ihm als Ausländer hier nichts passieren kann. Zu Hause müsste er sich mit solchen Äußerungen natürlich auch vorsichtig verhalten, hier allerdings sieht er sich dazu nicht gezwungen.
http://www.perspektive89.com/2007/03/10/...omo_oeconomicus
Unterricht an der Universität in Santa Clara: Nuevo Hombre vs. Homo Oeconomicus
Die Uni in Santa Clara: Nach den anfänglichen Schwierigkeiten mit meinen Kursen und der Einschreibung erhalte ich mittlerweile quasi-privaten Sprachunterricht. Gemeinsam mit Enes, einem Chinesen aus der Nähe von Shanghai, lerne ich täglich etwa 3 Stunden Spanisch. Leider sind die Möglichkeiten begrenzt: Es gibt kaum Papier bzw. Kopiermöglichkeiten, keine Audio- bzw. Videoabspielgeräte, keine Overhead-Projektoren und auch keine Lehrbücher.
Internetzugang haben die Studenten ab 20.00 Uhr, wobei die gesamte Uni über eine einzige Leitung von 100Mb/s verfügt (einen besseren Haus- bzw. regulären Büroanschluss in Deutschland). Daran sind hunderte von Computern angeschlossen, was zur Folge hat, dass das einfache Abrufen von 3-5 Mails normalerweise 1.5 Stunden dauert. Oft ist die Seite fast fertig aufgebaut und dann wird plötzlich aus irgendeinem Grund der Zugang verweigert.
Kreide und Tafel sorgen für’s Nötigste beim Lernen. Unsere Professorin beglückt uns beständig mit linientreuen Texten, so lerne ich viel über die kapitalistische Ausbeutung des Landes vor der Revolution, über die Schlachten Chés gegen das Batista Regime und über die gegenwärtigen Erfolge des Sozialismus. Hierzu gehört unter anderem Material zur Schaffung des „Nuevo Hombre“ oder dem neuen Menschen. Dieser widerspricht dem Menschenbild des „Homo Oeconomicus“, welches in den Wirtschaftswissenschaften vorherrschend ist, in fast allen Punkten. Oft ist von altruistischen Taten die Rede, vom freundlichen, allzeit bereiten Arbeitern und Mitbürgern. Es wird appelliert an Mitgefühl und Zusammenhalt. Diese Nachrichten werden psychologisch verstärkt durch die sozialistischen Parolen, die an Stelle der heimischen Werbeplakate überall am Straßenrand zu finden sind. Diese beteuern, dass „eine bessere Welt möglich ist“, vergleichen Patriotismus mit Menschlichkeit und gipfeln in meinem Lieblingsspruch „Sozialismus oder Tod“. Letzterer spiegelt phantastisch die Schwarzweißmalerei wider, die das Weltbild dieses Landes bestimmt.
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Ansonsten habe ich noch zwei andere Kurse belegt, nämlich Qualitätsmanagement in Tourismusbetrieben und Organisationspsychologie. Die akademische Messlatte ist hier nicht ganz so hoch anzulegen. Zugegebenermaßen erlauben die Umstände natürlich auch keine Lernqualität wie bei uns, dennoch besteht die Aufgabe der Studenten lediglich darin den Wortlaut der Professoren möglichst genau zu kopieren. Kritisches Denkvermögen ist hier nicht gefragt. Leider war das in meinem bisherigen Studium auch oft nicht anders, dennoch empfand ich es als nicht so offensichtlich wie hier.
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Sozialismus im Klassenzimmer: Neulich wurde das Gespräch im Spanisch-Kurs politisch. Enes fing an zu wettern über das sozialistische Regime in China. Es gäbe zu viel Vetternwirtschaft, zu viel persönliche Vorteilnahme und die Partei nehme zu viel Einfluss auf das Leben der Individuen, dennoch sei das Leben dort immer noch 1000mal freier als in Kuba. Es gäbe mehr zu Essen, das Verkehrswesen sei fortgeschrittener und auch sonst sei die Lebensqualität wesentlich höher. Schon während seines Monologs bekam die Professorin einen roten Kopf und forderte Enes wiederholt auf zu flüstern bzw. komplett zu schweigen. Ich fühlte mich etwas wie im Kindergarten, begegnete den Aufforderungen der Professorin mit verständnislosem Kopfschütteln. Kaum hatte Enes ausgesprochen, unterrichtete sie uns flüsternd, man dürfe so etwas nicht sagen, noch nicht einmal denken, immerhin wäre die Überwachung hier sehr streng. Nervös hielt sie dabei Blickkontakt mit der Tür. In jedem Land gäbe es gute und schlechte Seiten des Lebens. Und Kuba hätte viele enorme Dinge erreicht. Dann kam die Leier mit dem Gesundheitswesen und der Armut, mit der man hier täglich konfrontiert wird. Enes grinste die ganze Zeit hocherfreut, weil er der Meinung ist, dass ihm als Ausländer hier nichts passieren kann. Zu Hause müsste er sich mit solchen Äußerungen natürlich auch vorsichtig verhalten, hier allerdings sieht er sich dazu nicht gezwungen.
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