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Notizen aus Kuba Februar 2005
Hier meine Notizen meiner Kubareise vom 11. Februar bis 7. März 2005.
Namen, Orte und Verwandschafts-/ Freundesbeziehungen habe ich ein wenig durcheinandergewirbelt, um Rückschlüsse auf die erwähnten Personen zu erschweren.
Am 11. Februar ging es los. Zusammen mit meinem 1 ¾- jährigen Sohn Danilo bin ich nach Cuba aufgebrochen, meine Frau sollte 3 Tage später nachkommen. Die 11 Stunden Flug hat mein Söhnchen perfekt mitgemacht, so wie er auch sonst trotz seines Temperamentes fast immer "easy to handle" ist. Leider fehlte bei der Gepäckausgabe sein Buggy, der kam dann aber glücklicherweise drei Tage später mit seiner Mutter an.
Habe doch entgegen allen Bedenken das Notebook mit eingebautem DVD- Brenner mitgenommen. Kein Problem bei der Einreise in Havanna - es hat sich schlichtweg keiner dafür interessiert. Das soll angeblich anders sein, wenn man aus den USA einreist - angeblich darf man von daher gar keine Notebooks mitbringen.
Am Flughafen wurden wir von unserer Freundin N erwartet, im Taxi ging's dann zu N.
Bei ihr in Marianao haben wir schwarz gewohnt.
Habe dort L kennen gelernt, er hat eine illegale Schuhfabrik und ist ein kleiner Großkotz Er hat N und mich sowie unsere Kinder zum Essen im Barrio Chino eingeladen. Das unvermeidliche kam, ein Sänger mit Gitarre schickte sich an, die anwesenden Gäste mit seinem Gesang zu erquicken. L rief ihn an unseren Tisch und ließ ihn nicht nach dem 1. Lied gehen, nicht nach dem 2., 3., 4. oder 5., sondern erst nach dem 6. Für den Sänger hat es sich gelohnt - 50 $ MN hat er dafür erhalten, soviel tun Kubaner vermutlich nicht so oft raus. Mir persönlich gehen die Sänger und Trios in den Restaurants auf den Sack.
Vor dem Essen waren wir in einem parque infantil (Spielplatz) an der Hafeneinfahrt gewesen. Dort gibt es die üblichen Geräte wie Schaukeln und Rutschen, außerdem einige Fahrgeschäfte wie Karussells und eine Eisenbahn. Das ganze in wesentlich besserem Zustand als der Parque Lenin bei meinem letzten Besuch 1996. Brot und Spiele.
Gegenüber vom Ns Haus wird samstags und sonntags ein bierähnliches Getränk direkt aus dem Tankanhänger verkauft. Kino kann nicht schöner sein als der Blick von Ns Balkon auf diese Szenerie. Es dauert bis zum späten Nachmittag, dann sind die 2 Tanks auf den Traktoranhängern leer. Mal wieder Brot und Spiele. Mit diesem billigen Vergnügen kann man wenigstens einen gewissen Schlag Menschen zeitweise ruhig halten.
Danilo hat sich spontan in Cuba eingelebt - ein Sprachproblem hat er nicht, seine Sprachentwicklung schreitet munter voran, im Spanischen wie im Deutschen. Bei so vielen kleinen Kindern in seiner derzeitigen Umgebung ist die Sprache aber ohnehin nicht soo wichtig. Die alten amerikanischen Straßenkreuzer werden in Kuba Maccina genannt, Danilo nannte sie Manamaka.
Der Sohn von I, einer Cousine von Lisettes Freundin N feierte in seiner Vorschule seinen 5. Geburtstag. Wir waren samt Videokamera dabei. Am nächsten Tag waren wir bei p zum Mittagessen eingeladen und haben gleich eine frisch gebrannte CD mit dem Geburtstagsvideo mitgebracht. Sie wohnen in einem unscheinbaren Häuschen, das innen alles bietet, unter anderem Videorekorder, DVD-Player, moderne Waschmaschine, neuem, prall mit Buccanero-Bier gefüllten Kühlschrank und SAT-TV. Für das SAT-TV zahlen sie monatlich 10 Dollar an den Nachbarn mit der versteckten Schüssel, für die Karte haben sie 100 Dollar gelöhnt. Ihr Mann ist "freischaffender Immobilienagent" und verdient an manchen von ihm eingefädelten permutas schon mal 1.000 Dollar. Ein Handy hat er natürlich auch, wie auch sehr viele andere, die im informellen Sektor ihr Geld verdienen. In den nächsten Monaten werden sie evtl. nach Miami ausreisen. Er wurde als Balsero erwischt und hat dafür im Knast gebrummt. Das bringt ihm wahrscheinlich nach viel Schriftverkehr und einem Interview bei der amerikanischen Interessenvertretung den Status eines politischen Gefangenen, dafür gibt's dann Visa für ihn + Frau + Kind.
Aufbruch nach Camaguey. Unser Taxifahrer Jesus (el taxista de mi vida, kein anderer fuhr so umsichtig wie er) sollte um 7:30 da sein, er kam erst um 8:15h bei uns an, unser Adrenalinspiegel war garantiert nicht unter dem Sollwert. Die Zeichen standen auf Scheißtag. Fast permanent hupend rasten wir zum Viazulterminal. Dort peeste Lisette gleich zum Schalter, unsere Reservierung war noch nicht verfallen, die Auslastung von Viazul ist derzeit also nicht dramatisch. Derzeit werden 5! Busse täglich nach Santiago eingesetzt. Derweil wurde ich draußen von einem Taxifahrer angesprochen. Er bot uns die Fahrt nach Camaguey zum gleichen Preis wie bei Viazul an. Schneller, da die Zwischenstationen sowie die einstündige Mittagspause entfallen. Wir haben eingeschlagen, fuhren mit in seinem Toyota Kleinbus und haben dabei eine Menge Zeit und Geld gespart. Er hat uns 66 CUC berechnet, bei Viazul hätten wir für den Kleinen noch mal die Hälfte vom regulären Fahrpreis von 33 CUC sowie einen nennenswerten Betrag für unser üppiges Gepäck bezahlt.
Bei Jatibonico haben wir zum Mittagessen an einem bohio gehalten. Dort gab es einen Riesenteller mit Congris, Yucca und zwei Lappen Kassler, das ganze superlecker und für gerade mal einen CUC pro Portion, das Tinima dazu für 10 $ MN.
Wir sind dann doch nicht bis Camaguey mitgefahren, sondern haben uns aufs campo zu Lisettes Familie fahren lassen.
Gegen 16:30 sind wir in Lisettes Heimatstädtchen angekommen, die Freude von Oma und Uroma war natürlich übergroß, man hatte erst ein paar Tage später mit uns, vor allem natürlich mit dem Enkelchen, gerechnet.
Am nächsten Morgen gleich bekamen wir Besuch von der Inmigracion Extranjera. "Man" hatte gehört, dass sich ein Ausländer im Haus aufhält. Danilito und ich hatten jedoch unsere Familien-Visa in den Pässen. Auf der Inmigracion in Camaguey hatten wir uns zwar noch nicht gemeldet und den Stempel noch nicht abgeholt, das war für den Kollegen aber kein Problem, es blieb bei der Ermahnung, dieses am Montag nachzuholen. Mehrfach bereits hatte ich bei meiner Schwiegermutter ohne A2 gewohnt - Schwein gehabt!
Hier im Städtchen hat sich ein wenig getan. Auf der Hauptstrasse sind einige Gebäude renoviert worden, zudem gibt's Einkaufsmöglichkeiten zuhauf, 2 Shoppies sowie diverse Verkaufscontainer. Zum Einkaufen gegen Devisen selbstredend.
In Camaguey haben wir uns zur Immi begeben, um dort die Visa von meinem Sohn und mir komplettieren zu lassen. Die hatte am Vormittag bis 12h auf, um 11:15h hat man uns aber bereits abgewiesen, man sei mit den drei bereits anwesenden Personsn schon bis zum Mittag ausgelastet. Am Nachmittag wurden wir wieder vorstellig, wieder vergeblich. Der Personalausweis der Mutter von Lisette wurde verlangt und den hatten wir natürlich nicht dabei, Lisettes Mutter wohnt ca. 100km von CMW entfernt. Ein paar Tage später kam ihre Mutter dann nach CMW, Lisette ist dann alleine zur Immi gefahren und konnte beim dritten Besuch endlich die Visaklamotte zu Ende bringen.
Bei Matthias K haben wir ein Paket Windeln abgeholt, das er für uns mitgenommen hatte. Dafür möchte ich mich an dieser Stelle noch mal herzlich bedanken.
Rum hatten wir in Camaguey reichlich. Vielmehr hatte ich reichlich Rum, Lisette trinkt so gut wie nie Alkohol. Wir haben eine nur für einen bestimmten Personenkreis zugängliche Quelle aufgetan, knapp 3 CUC für die Flasche Anejo.
Die Wasserknappheit ist derzeit sehr extrem. Noch nie habe ich so viele Lasten- Bicitaxis mit Wasserkanistern und Tankwagen auf den Strassen gesehen. Man kann so mit ca. 100,- Pesos MN für eine Füllung eines großen Tinajons kalkulieren - ein stolzer Preis, bei einigen Leuten im Haus hält der nur wenige Tage. Das Wasser aus der Leitung kommt momentan nur sehr sporadisch. Überall werden Brunnen gegraben. Wohl dem, der bereits einen Brunnen in seinem Hof hat. Aber auch für viele von denen wird es schwieriger. Der Grundwasserspiegel in Camaguey ist von ca. 14 Fuß auf 30-35 Fuß gefallen und nicht alle bestehenden Brunnen reichen so tief.
Für das Graben eines Brunnens und die dazugehörige Installation kann man mit ca. 2.000 bis 3.500 Pesos rechnen, je nach erforderlicher Tiefe. Die richtige Position für die Grabung wird hier häufig erfolgreich mit Wünschelruten ermittelt.
Natürlich macht man hier Klimaphänomene für das Ausbleiben des Regens verantwortlich. Das ist aber wohl nur die halbe Wahrheit. Was Kolumbus begonnen hatte, setzt der Bartmann munter fort: An den Wäldern wird Raubbau betrieben, das verändert das Makroklima, zudem speichern die erodierten Böden weniger Wasser als intakte Flächen, das Regenwasser verdunstet gleich wieder, statt in den Boden einzudringen. Trotzdem: die letzten Cyclones haben im Gegensatz zu früheren kaum Regen mit sich gebracht.
Die Stauseen in der Provinz sollen nur noch zu 14% gefüllt sein. Wenn weiterhin ergiebiger Regen ausbleibt, soll CMW in 100 Tagen völlig auf dem Trockenen sitzen. Wasser wird zur Zeit bereits mit Zügen aus den westlichen Provinzen hierher gekarrt.
Im Fernsehen wird hier mittlerweile die Vermutung geäußert, dass die Amis für das Ausbleiben des Regens verantwortlich seien. Wahrscheinlich sind sie auch an Schweißfüßen schuld.
Wir haben in Camaguey eine feria de libros besucht. Das Angebot war nicht gerade erschlagend. Es gab ein paar Stände sowie einen Pavillon. Immerhin haben unsere Freunde dort so ca. 6 Bücher erstehen können, Lisette kaufte sich die Autobiographie von Malcolm X.
Bemerkenswert war die recht sichtbare Präsenz von Polizisten in Uniform sowie ein "Kollege", der sich auf dem Dach einer Rumbos-Bude herumtrieb und das Geschehen im Auge behielt. Das System scheint eine Höllenangst vor seinen Schäfchen zu haben. Vor einigen Jahren war ich dort mal auf einem kleinen Rockfestival. Dort gab's keine uniformierten Polizisten, nur einen Zivilbullen, leicht zu erkennen und nicht gerade aussehend wie der Rest der Besucher.
Überhaupt wimmelt es in Camaguey von Polizisten. In den letzten 3 Monaten soll es hier 27 Morde gegeben haben.
Man sieht jede Menge Actividades, formelle Veranstaltungen, beispielsweise eine Versammlung der ETECSA- Mitarbeiter. Die kamen reichlich, alle mit Ihrer Belohnung für das Erscheinen am Körper: T-Shirts mit ETECSA- Emblem sowie einem inhaltsfreien Spruch darauf, sinngemäß etwa: Wir verbinden Euch. Typisch für hier. Große Versprechen, in der Realität aber wird der Bedarf an Telefonsanschlüssen bei weitem nicht gedeckt und die Kunden wie Scheiße behandelt.
Ein Bekannter sagte gestern, hier in Kuba sei man ein Verbrecher, sobald man morgens aufwache. Man trinkt den schwarz erworbenen Kaffee, irgendwann isst man dann das illegal erworbene Rindfleisch, und zwischendurch hat man jede Menge verbotener Sachen zur Sicherung des Lebensunterhalts unternommen. Überhaupt, das Rindfleisch: Man isst es in fast jedem Haushalt. Auf den Besitz stehen drei Jahre, auf das illegale Schlachten bis zu 20 Jahre Knast.
Ein Freund von Lisette war vor einigen Jahren zu 7 Jahren Knast verurteilt worden, wegen Drogenhandels. Vier Jahre davon hat er abgesessen. Drogen hat man bei ihm zwar nicht gefunden, war aber wohl auch nicht notwendig. Schließlich hat man ihn eigentlich einfahren lassen, weil er mit seiner Kunst dem Staat ein Dorn im Auge war.
Ein Bekannter von uns war tatsächlich mit Gras erwischt worden. Er musste nicht sitzen. Während der Ermittlungen stand er unter Hausarrest, schließlich kam er nach einer Drogentherapie wieder komplett auf freien Fuß. Für diese Vorzugsbehandlung gibt es einen Grund: Sein Vater ist ein national bekannter Künstler und konnte seine Beziehungen spielen lassen.
Einem national bekannten Maler ist vor kurzem etwas nettes passiert: Er fuhr mit seinem Auto nach Havanna und hat unterwegs eine Anhalterin mitgenommen. Sie wurden von Polizisten kontrolliert, die fanden im Gepäck der Anhalterin 4 Pakete mit Wäscheklammern, für die sie keine Kaufquittung vorweisen konnte. Außerdem fanden sie im Kofferraum reichlich Ölfarbe und and andere Malutensilien. Kurzerhand hat man dann die Wageninsassen ertstmal eingebuchtet, unter Vorwurf illegalen gewerbsmäßigen Handels. Drei Sachen haben die Bullen übersehen: Den Status des Malers und sein Handy sowie den Status der Anhalterin. Sie ist die Sekretärin einer international sehr bekannten Persönlichkeit aus Havanna. Aus der Zelle heraus konnte der Maler seine Frau telefonisch verständigen. Die hat dann im Kulturministerium angerufen, von dort aus hat man dann die Polizei von Ciego de Avila rund gemacht. Natürlich kam der Maler dann sehr schnell frei, bis hin zum Polizeichef der Provinz durfte sich der Polizeiapparat mehr oder weniger auf den Knien rutschend bei ihnen entschuldigen.
Heute wollte ich meine E-Mails checken. Ursprünglich hatte ich vor, mir eine Karte zu kaufen, mit der ich mich vom Haus aus ins Internet einwählen kann. Leider gibt es in Camaguey zur Zeit wohl gar keine Karten zu kaufen. Vielleicht befürchtet ER eine Inflation von Informationen.
Im Büro einer Organisation gewährte man mir einen Internetzugang. Ich war vorgewarnt, dass es langsam sein werde. Aber eine so miese Performance hatte ich nicht erwartet. In 35 Minuten habe ich es gerade mal geschafft, mich bei Yahoo einzuloggen und die Betreffzeilen meiner E-Mails zu lesen. Glücklicherweise schien keine der E-Mails so wichtig zu sein, dass ich sie lesen musste. Gerne hätte ich auch mal auf spiegel.de nach den aktuellen Nachrichten geschaut, da ich in den vergangenen 2 Wochen nichts von der Welt mitbekommen habe. Bei dieser Performance habe ich aber darauf verzichtet. Vielleicht gehe ich Sonntag morgen noch mal dahin, der Zugang soll schneller sein, wenn nicht die ganzen Firmen und Büros eingeloggt sind.
Immerhin eine Nachricht aus Kuba konnte ich auf einem anderen Rechner dort sehen: Es gibt mal wieder ein neues Gesetz. Allen Angestellten im Tourismus wird JEDER außergeschäftliche Kontakt zu Ausländern verboten. Erhaltene Geschenke hat man den Vorgesetzten abzugeben. Von höherer Stelle wird dann entschieden, wer für dieses Geschenk bedürftig ist und es dann erhält.
Endlich regnet es in CMW. Seit immerhin 30 Minuten fällt ordentlicher Regen. Das erste mal seit 14! Monaten. Und Lisette ist gerade in der City zum einkaufen.....
An Ärzten mangelt es hier mittlerweile. Sehr viele sind auf Auslandseinsätzen. Davon gibt es 2 verschiedene Arten. Die unbeliebteren Einsätze sind die Missiones, dabei gibt es für die Ärzte kaum finanzielles Zuckerchen. Zuhauf bewerben sie sich aber für die Cooperaciones. Diese Einsätze dauern zwei Jahre. Die Teilnehmer verdienen hierbei ab Abreise 50 Dollar monatlich, bis zu ihrem Lebensende bzw. bis zum Fall des jetzigen Systems soll das Geld fließen. Oder aber, bis ER es sich anders überlegt. Während des Auslandaufenthaltes wird der reguläre kubanische Lohn hier auf ein Sperrkonto weitergezahlt. Dazu dürfen die Ärzte bei ihrer Wiedereinreise nach Kuba 10 Transportkisten zollfrei einführen. Erlaubter Inhalt sind dabei unter anderem Klamotten, Computer, Fernseher und eine ganze Reihe von elektrischen Haushaltsgeräten.
Eine mit Lisette befreundete Ärztin hat sich dafür beworben, ihren Kinderwunsch will sie sich danach erfüllen. Mit den 50 monatlichen Dollar extra kann sie einem Kind natürlich einiges mehr bieten als mit ihrem bisherigen Einkommen von gut 300 Pesos.
Eine weitere Freundin von uns ist Familienärztin und wohnt in einer vernünftigen Wohnung über Ihrer consultoria. Sie verfügt über eine Zusatzausbildung für Endoskopie und würde sich noch gerne weiter fortbilden. Das unterlässt sie allerdings, sie müsste sonst in einem Krankenhaus o.ä. arbeiten und verlöre ihre schöne Wohnung. Auch sie hat sich für einen Auslandeinsatz beworben, ihr Sohn ist mittlerweile 4 Jahre alt. Gerne lässt sie ihn nicht für zwei Jahre zurück, aber die Hoffnung auf ein materiell besser abgesichertes Leben treibt sie dazu.
Bei aller angebrachten Kritik halte ich die generelle Verdammung des kubanischen Gesundheitswesens für nicht gerechtfertigt. Manches funktioniert hier bestens.
Als Danilo hier letztes Jahr eine Ohrenentzündung hatte empfing uns die Kinderärztin im Städtchen auch noch am Samstag gegen 21h. Die von ihr verschriebenen Medikamente waren in der Apotheke vorrätig und im Städtchen hier gibt es eine kleine Poliklinik, in der Danilo am folgenden Montag weitergehend untersucht wurde. Für die ärztlichen Leistungen mussten wir nichts bezahlen.
Einer der Nachbarn erhielt dieser Tage eine Operation an seinen Augen. Er war an grauem Star erkrankt.
Ein anderer Nachbar, mal gerade 18 Jahre alt, hatte Knochenkrebs in einem seiner Oberschenkel. Ein Stück Knochen wurde herausgetrennt. Währens die Knochen wieder zusammenwuchsen wurde sein Bein mit einer ziemlich aufwendigen Apparatur fixiert. Während unseres Besuchs im vergangenen Jahr wurde er von einem Krankenwagen abgeholt und in eine Spezialklinik im hunderte Kilometer entfernten Santiago gebracht. Mittlerweile ist er wieder auf eigenen Beinen unterwegs.
Eine Freundin von Lisette konnte sich die vorher immense Brust verkleinern lassen und hat danach zu ganz neuem Selbstbewusstsein und Lebensfreude gefunden.
Na ja, Lisettes Vater ist vor 5 ½ Jahren, man kann es wirklich kaum anders ausdrücken, 5 Tage nach unserer Hochzeit im Krankenhaus jämmerlich verreckt. Schuld war wohl ein Cocktail aus Behandlungsfehlern, Medikamentenmangel und fehlenden Reagenzien für die Untersuchungen.
Ein Freund von uns sammelt Jobs. Er hat vier davon, neben seinem Hauptjob arbeitet er als Teilzeitlehrer an verschiedenen Schulen und verdient somit ca. 1.200 Pesos monatlich. Nicht schlecht für kubanische Verhältnisse. Zwar schafft er es nicht, Geld zurückzulegen, er lebt aber wirklich nicht schlecht.
Zurück auf dem Land
Es herrscht eine Affenhitze. Es ist zwar seit Tagen eine neue frente frio angekündigt, zu merken ist davon bislang noch nichts.
Seit heute morgen spinnt die Wasserpumpe meiner Schwiegermutter verrückt. Nach kurzem Betrieb schaltet sie sich aus. Ob es an mangelndem Wasser im 36 Fuß tiefen Brunnen oder an der Pumpe selbst liegt, wissen wir noch nicht. Genau das hat uns bei dem Wetter gefehlt.
Apagones (Stromabschaltungen) habe ich diesmal noch nicht erlebt, bis auf ca. 20 min Stromausfall, die waren aber wohl technisch bedingt, kurz vorher war der Strom schon ein paar mal für einige Sekunden weg. Habe aber gehört, das in der Vergangenen Woche in Camaguey an zwei aufeinander folgende Tagen für jeweils drei Stunden der Strom abgestellt wurde. In der letzten Nacht hat es hier endlich mal einige Stunden geregnet. Die Pumpe fördert wieder Wasser zutage und die Luft ist nun sehr angenehm.
Danilo ist hundemüde, lässt sich nicht ins Bett bringen und wollte eben ständig von Mamas Arm auf Papis Arm wechseln und umgekehrt. Lisette nannte das ein Ablenkungsmanöver. Immer wieder bin ich über ihren deutschen Wortschatz erstaunt.
Eine Freundin von Lisette, Naturwissenschaftlerin, bewirbt sich demnächst auf einen Posten in Kanada und sieht gute Chancen, das Land dafür verlassen zu dürfen. Ihre zwei Kinder und ihr Mann werden dann mitreisen. Dafür wird er seine Mitgliedschaft in einer seit einigen Jahren auch im Ausland erfolgreichen Band aufgeben müssen. Wirtschaftlich geht es ihnen gar nicht schlecht, ihr Haus samt Interieur könnte auch glatt in Spanien oder Italien stehen. Vieles konnte er von seinen zahlreichen Auftritten im Ausland mitbringen
Nach nur einem Tag scheint die frente frio fertig zu haben, die Hitze kehrt zurück, die turbina meiner Schwiegermutter fördert mal wieder kein Wasser. Wasser holen wir uns von den Nachbarn. Seit einem Jahr gibt es eine Tür im Zaun zum Nachbargrundstück, wir können uns einfach am Tank der Nachbarn bedienen.
Lisettes Oma hat heute früh das Haus verlassen, um Ihrer Schwägerin die Finger- und Fußnägel zu schneiden. Es gibt fast gar nichts, was sie sich mit ihren fast 87 Jahren nicht zumutet und erfolgreich stemmt.
Die gute Frau kann auf knapp 30 Kinder, Enkel und Urenkel zurükblicken.
Es hat heute mal wieder etwas über eine Stunde kräftig geregnet. Hoffentlich geht das so weiter.
Lisette war eben mit der unglaublich süßen Tochter einer Nachbarin unterwegs, um für sie Schuhe zu kaufen. Das Mädchen war heute nicht zur Schule gegangen, weil es außer ein paar Lumpen mit dem Umriss von Schuhen keine Schuhe hatte. Sie kamen zurück mit einem Paar Turnschuhe, einem Paar Latschen und einer Bluse zurück. Die Mutter des Mädchens hat etwas Geld gespart, möchte das aber auf keinen Fall ausgeben. Sie brauchen dringend das Geld, um sich eine neue Bleibe zu suchen. Derzeit wohnen sie in einer privat angemieteten Bruchbude, deren Besitzer drängt auf baldmöglichste Räumung. Das Mädchen und ihre kleine Freundin halten sich fast den ganzen Tag über bei uns auf und hecheln Danilo hinterher.
Urlaub in Kuba mit Danilo ist keine außerordentlich große Belastung. Wie auch zu Hause ist er sehr aktiv und man muss ihm eigentlich ständig auf die Finger schauen. Aber diese Belastung verteilt sich hier meistens auf mehrere Schultern. Immer sind die Uroma, die Oma, der Onkel, Freunde der Familie oder Nachbarskinder dabei und Danilo leidet nun wirklich nicht unter übertriebener Schüchternheit. Gerne treibt er sich auf den Armen dieser Leute herum, zu einem Spaziergang oder einer Spazierfahrt im Buggy lässt er sich gerne von jedem einladen.
Das Leben hier im Städtchen ist eigentlich sterbenslangweilig. Es gibt außer den Tanzveranstaltungen am Wochenende nichts was man unternehmen könnte. Fast alle Freunde von Lisette haben das Kaff verlassen, ins Ausland, in die Hauptstadt oder nach Camaguey. Wer kann, verlässt diesen Platz. Einige sind per Heirat ins Ausland gekommen, weitaus mehr aber per Gewinn beim solteo. Das solteo ist eine Art Lotterie, bei dem die Amerikaner jedes Jahr 20.000 Visa unter den Kubanern verlosen.
Gestern Abend haben wir mal der Diskoveranstalzung vorbei geschaut. Gehört habe ich die Veranstung schön öfters. Das örtlihe Veranstaltungsgelände ist nur einen Block von uns entfernt. Von dort aus hat uns der nervige Reggaeton schon oft genug gequält, immer wieder dröhnt "ay, que e gustan los yumas" zu uns. Ich war sehr überrascht davon, wie wenige Leute getanzt haben. Die meisten Leute standen einfach herum, hielten Maulaffen feil oder quatschen.
Meine Freunde in Camaguey werden demnächst endlich zu Hause E-mail nutzen können. Nach ewigem Hickhack haben sie nun endlich die Genehmigung erhalten. Sie müssen nun nach Havanna reisen, um sich die Zugangsdaten abzuholen und die 5 monatlichen Dollar für ein halbes Jahr im Voraus berappen.
Bevor sie zu Ihrer ersten Deutschlandtour aufbrachen, wurden sie von einem Bonzen mit guten Ratschlägen versehen. So sollten sie es unbedingt vermeiden, nachts auf die Straße zu gehen. Dort herrsche für jeden Ausländer nämlich Lebensgefahr.
Eine Freundin von Lisette verlor ihren Job in einer professionellen Tanz- und Folkloregruppe, weil sie sich nicht vom Leiter der Gruppe vögeln lassen wollte. Nun ist sie wieder auf dem Land, arbeitet in einer anderen Truppe und verdient nun nur noch unbeschreibliche 50 Pesos monatlich.
Wir haben heute einen Spaziergang im Städtchen gemacht, um ein paar Leute zu besuchen. Zuerst waren wir bei einer Schulfreundin von Lisette besucht und ihr ein Paket Windeln vorbeigebracht. Die Arme hat vor drei Wochen Zwillinge zur Welt gebracht, ein paar Wochen davor war ihr Vater gestorben, nun ist ihr Schwiegervater schwer krank und deshalb ihr Mann in Camaguey, um ihn zu pflegen. Ein bisschen viel auf einmal.
Anschließend waren wir bei der Mutter einer anderen Schulfreundin von Lisette, dort war wenigstens alles in Ordnung. Zum Schluss waren wir bei der Ex-Frau eines Onkels von Lisette. Im Gegensatz zur restlichen Verwandtschaft war diese nicht bei uns zu hause gewesen - Familienstreitigkeiten. Lisette hält als einzige aus der Familie Kontakt zu ihr.
Morgen werde ich abreisen, zum Flughafen geht's wie beim letzten mal im Lada mit dem Chauffeur eines Tourismusbonzen. Deutlich günstiger als mit dem Taxi und sogar legal .Irgendwie besorgt er sich eine Sondergenehmigung und rechnet die Fahrt mit seinem Unternehmen ab, zumindest zum großen Teil.
Hoffentlich bekomme ich für den Rückflug einen Platz in der Comfort-Class. Ein ordentlicher Platz, uaf dem ich dann auch schlafen kann ist mir viel Wert. Denn vom Flughafen aus muss ich auf direktem Weg in die 4ma fahren und vermutlich normal arbeiten, einer meiner Kompagnons wird bei meiner Rückkehr schon im Flugzeug nach Costa Rica sitzen und in einem seiner Aufgabenbereiche kann nur ich ihn vertreten.
¡Danilismo o muerte!
Danke für den schönen und sehr ausführlichen Bericht. Endlich mal wieder etwas aus dem täglichen Leben auf Kuba.
In Antwort auf:
Endlich regnet es in CMW. Seit immerhin 30 Minuten fällt ordentlicher Regen. Das erste mal seit 14! Monaten.
Ich war im Oktober letzten Jahres auch in CMW und man nannte mich dort .."el chico que viene con la lluvia"
, weil es drei Tage ausgiebig geregnet hatte .. Also 14 Monate ist das noch nicht her, aber auch ich habe den extremen Wassermangel dort live miterlebt.
Nos vemos
Dirk
#3 RE:Notizen aus Kuba Februar 2005
Herzlichen Dank für Deinen Bericht, ich habe viele der Alltäglichkeiten mit meinen fast 100-%tig wiederfinden können.
Immer wieder kann ich die Überlebens-Fähigkeiten der Cubaner nur bewundern.
Mit dem Bericht hast Du mir meinen Bericht erfolgreich abgenommen, Danke, denn viel mehr hätte ich auch nicht selbst-erlebt-beschreiben können.
Gruß jhonnie
Bemerkung zu:
Lisettes Oma hat heute früh das Haus verlassen, um Ihrer Schwägerin die Finger- und Fußnägel zu schneiden. Es gibt fast gar nichts, was sie sich mit ihren fast 87 Jahren nicht zumutet und erfolgreich stemmt.
1. Keine echte Cubana wird sich von einem Cubano helfen lassen.
2. Leider ist aber bei fast allen Cubana/o's Selbstüberschätzung an der Tagesordnung und als normales Erscheinung zu beobachten.
3. Bei einem Scheitern sind dann aber immer andere schuldig.
Ein aus Erfahrung sprechender jhonnie
Beneidenswert!! Trotz gelegentlicher Langeweile musst du die Zeit doch sehr genossen haben. Das Leben in und mit einer Großfamilie und einem riesigen Freundes- und Bekanntenkreis ist doch etwas, das man in unseren Breiten fast nicht mehr erlebt.
Du hast einen wirklichen Reisebericht geschrieben, wie man ihn sich von jemandem erwartet, der mit "Leib UND Seele" Kuba besucht. Danke.
NO
Sehr Guter Bericht!
Die Kunst eines Kuba-Besuches besteht nunmal darin diesen auch geniessen zu können, trotz der teilweise krassen Missstände und dem alltäglichen Wahnsinn (hast Du ja auch genug von geschrieben)!
Das scheint Dir/Euch gelungen zu sein.
Beste Grüße
--------------------------------------------------
"In the poker game of life, women are the rake."
#12 RE:Notizen aus Kuba Februar 2005
In Antwort auf:
Die Kunst eines Kuba-Besuches besteht nunmal darin diesen auch geniessen zu können, trotz der teilweise krassen Missstände und dem alltäglichen Wahnsinn (hast Du ja auch genug von geschrieben)!
Gut beschrieben und genau dieses versuche ich ab nächsten Mittwoch für die nächsten 3Wochen
@jeff
Danke für den guten Bericht.
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Dann hat ja alles einigermassen geklappt bei Dir im Gegensatz zu mir. In CMW sind so ziemlich alle Internetcafes geschlossen wurden. Die einzige Möglichkeit die ich gefunden habe war im neueröffenten Telepunto in der Repuplica nahe hotel Colon. Die Preise sind auch gestiegen. Während man früher für 3h 5$ zahlte muss man nun für 1h 6CUC berappen. Hat ja nun leider nicht mit persönlich Treffen geklappt da ich nach Hav must aber bestimmt beim nächsten mal.
Ich hoffe es hat geklappt mit dem Platz in der Comfort Class. Habe mich Rückwärts dann auch dort eingebucht.
Vermutlich war IHM der Zugang der compañeros zu Internet und damit Informationen zu einfach geworden. 6 CUC /h sind ja nun eindeutig ein Abwehrpreis. War denn die Performance einigermassen?
Platz in der CCC habe ich leider nicht bekommen, obwohl ich der erste am Flughafen war. War wohl schon alles im Vorraus ausgebucht.
¡Danilismo o muerte!
Die Performance war schwankend. Von Arschlangsam bis sehr schnell. Langsam war aber eher die Ausnahme. Meist konnste ich in 20 min meine Mails bearbeiten.
Ich hatte Glück und der Platz neben mir war in der CCC frei. Also Platz ohne Ende. E. hatte mir allerdings auch einen guten Platz in der Holzklasse gegeben in der ersten Reihe nach der CCC und der Platz neben mir wär auch freigeblieben. Bin dann aber doch lieber in die CCC gewechselt.
Hanna
(
gelöscht
)
#17 RE:Notizen aus Kuba Februar 2005
War auch im Februar05 und Dezember 04 in CMG. Es stimmt, es waren bis dahin 25 Leute umgebracht worden, einer wohl nur fuer einen Peso. Einmal sassen wir in einem Rapido in der Naehe des Bahnhofs und da sass ein Typ alleine mit einer Flasche Rum und einem Essen. Dann kam einer mit Motorrad und seiner Mami hintendrauf direkt bis an die Theke hineingefahren und sah schon recht nervoes aus. Erst haben sie sich freundlich begruesst, Asere und all den Schwafel. Nach 3 Minuten riss der Biker den anderen samt Tisch (und die waren aus Metall mit integrierten Sitzen) vom Hocker und es ging los. Die Mami schrie immer nur: Juan, no, Juan no! dann rannte er zu seinem Bike und hatte neben dem Auspuff eine riesige rostige Machete und zog die raus wie unsereiner eine Nagelfeile aus der Plastikhuelle. Der andere rannte was er nur konnte und der mit der Machete hinter ihm her. Sie verloren sich dann auf dem gegenueber liegendem Schulgelaende... Es ging um Schulden. Ich hab in CMG doch recht viele Leute mit fehlenden Armen etc. gesehen.
Ich war insgesamt 4 Monate in HAV und werde, wenn ich alles verdaut habe, mal was berichten. Hab viel gesehen
Besos
Hanna
Schöner Bericht.
In Antwort auf:
Überhaupt wimmelt es in Camaguey von Polizisten. In den letzten 3 Monaten soll es hier 27 Morde gegeben haben.
Na, das hört sich doch sehr sicher an Und früher oder später sind dann wohl auch die Touris mehr dran....
___________________________________
Die Gerechtigkeit bricht, wenn man sie biegt.
#22 RE:Notizen aus Kuba Februar 2005
Macheten gibts in der Ferreteria.
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