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Castros neuer Charme
"Wie normal dürfen die Beziehungen zu Havanna sein? Die EU streitet über eine Kurskorrektor.
Die Residenz des deutschen Botschafters in Havanna ist ein ziemlich originalbetreuer Nachbau der legendären Südstaatenvilla auf "Tara" - jenes Landsitzes, wo im Filmklassiker "Vom Winde verweht" die dornenreiche Liebesgeschichte der Scarlett O´Harra spielt. In dieser Kulisse entwickelte sich jetzt erneut ein zartes Beziehungsgeflecht.
Zu Ehren der hamburger Kultkicker vom FC st. Pauli gab Botschafter Bernd Wulffen einen Empfang, und zum ersten mal seit über anderhalb Jahren erschien kubanische Prominenz zuhauf. Bekannte Literaten wie Miguel Barnwet oder Roberto Fernández Retamar waren darunter und selbst der für Europa zuständige neue Vize-Außenminister Eumelio Caballero.
Die außergewöhnliche Aufwartung ist Beleg für eine neue Charme-Offensive Fidel Castros. Der alternde Herrscher will seine isolierte sozialistische Republik wieder näher an die Weltgemeinschaft heranführen und setzt dabei vor allem auf die Europäer. Gleich nach dem Jahreswechsel diente er zunächst Vertretern von acht EU-Mitgliedsländern, darunter Deutschland, sowie der Brüsseler Kommission eine Normalisierung der Beziehungen an. Die "Eiszeit" sei vorbei: "Ihr seid aufgetaut."
Doch nun gingen die Probleme erst richtig los. In vertraulichen Depeschen in ihre Hauptstädte und nach Brüssel entwarfen mehrere Botschafter Vorschläge für eine Normalisierung und Annäherung - und provozierten damit heftigen Streit innerhalb der Union.
Mun durch Dialog und Zusammenarbeit statt durch Sanktionen sei das Ziel zu erreichen, möglichst viele der rund 300 inhaftierten Oppositionellen frezubekommen, argumentieren Diplomaten vor Ort: Eine Öffnung gegenüber Havanna stärke "zugleich die innere Opposition".
Die Situation ist nach Ansicht vieler Abgesandter günstig wie nie. Die kubanische Führung habe, Bereitschaft signalisiert, "in gewissen Umfang" über Menschenrechte zu sprechen und weitere Freilassungen in Aussicht gestellt. Zugleich deutete der Inselstaat Entgegenkommen bei der Forderung an, Zuchthäuser inspizieren und sogar EU-Menschenrechtsbeobachter ins Land zu lassen.
Als Gegengeschäft sei der Máximo Líder geradezu "erpicht" auf eine Intensivierung der Handels- und Wirtschaftsbeziehungen mit der EU. Vor allem aber hofft Castro auf eine Stimmenthaltung der Europäer vor der Uno-Menschenrechtskommission in Genf. Dort beginnt Mitte März wieder das Tauziehen um die Frage, welche Länder wegen ihrer inneren Zustände an den pranger gestellt werden.
Auf dem Treffen der EU-Außenminister am Montag dieser Woche sollte die neue Kuba-Politik beschlossen werden. Danach würden die EU-Botschafter - erst mal befristet für die nächsten sechs Monate - zwar keine Dissidenten mehr zu Kanapees und Champagner einladen, wie von Castro gewünscht. Ausgeladen blieben allerdings auch alle anderen Kubaner aus Regierung oder Kultur. Schon bald soll sich Entwicklungskommissar Louis Michel persönlich von Castro Reformeifer überzeugen.
Eine unauffällige Kurskorrektor scheiterte lange vor allem an Tschechen und Polen; Kern des Streits ist die Frage, wie künftig mit den Regimekritikern umgegangen wird. Um "Bewegung in der Sache" zu rreichen und Havanna ruhig zu stellen, soll der öffentliche Dialog mit der Opposition nun künftig nur noch am Rande von Besuchen "hochrangiger" Europäer stattfinden, nicht aber auf symbolträchtigen Empfängen anlässlich der Nationalfeiertage - Ausgangspunkt der "Cocktail-Krise".
Eine Formelkompromiss, den wieder aufzumachen sich Tschechien ausdrücklich vorbehielt und der die neue EU_Präsidentschaft Luxemburgs belastet. Deren Außenamtstaatsminister Nicolas Schmit stöhnt:"Eine dumme Geschichte.""
Der Spiegel 5/2005
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