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Asyl in der Schweiz: Tania Quintero
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#1 Asyl in der Schweiz: Tania Quintero
Kuba / Schweiz
«Ich habe eine grosse innere Freiheit»
Seit vergangenem November lebt die kubanische Journalistin Tania Quintero zusammen mit ihrer Tochter und ihrer Enkelin im Schweizer Exil. Offiziell als Dissidentin zu gelten, war für sie eine Erleichterung.
«Heimweh habe ich nicht», sagt die 62-jährige Tania Quintero am runden Tisch ihres Wohnzimmers. «Ich hatte das Glück, mein Land ausführlich kennen zu lernen – nun sehe ich im Alter noch andere Lebensweisen. Ich finde es wichtig, dass man sich verändert und weiterentwickelt. Traurigerweise kann Fidel Castro das nicht.»
Von 1995 bis 2001 arbeitete Tania Quintero für die unabhängige Presseagentur «Cuba Press», zusammen mit dem Journalisten und Autor Raúl Rivero. 2002 und 2003 war sie für andere unabhängige Medien im Internet tätig, etwa für «Cubaencuentro» oder «Sipiapa». «Trotz ständiger Überwachung, Drohungen und kurzzeitiger Verhaftungen war ich entschlossen, in Kuba zu bleiben», erzählt Tania Quintero. Doch es kam anders: Im März 2003 wurde Raúl Rivero im Rahmen einer Verhaftungswelle (siehe Kasten) festgenommen und zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt.
Im Mai wurde auch Tania Quintero per Telefon nahe gelegt, mit dem Schreiben aufzuhören, oder aber ins Ausland oder ins Gefängnis zu wandern. «Kurz darauf erhielt ich von Raúl Rivero einen Brief aus dem Gefängnis: Er riet mir in verschlüsselter Form zu gehen, denn vom Gefängnis aus könne man nichts bewirken.» Tania Quintero nahm Riveros Warnung ernst und ersuchte auf der Schweizer Botschaft mit Erfolg um Hilfe. Im November reiste sie zusammen mit ihrer Tochter Tamila und ihrer Enkelin Yania in die Schweiz, wo die drei Frauen den Flüchtlingsstatus erhielten. Ihre erste Zeit verbrachten sie in der Asylunterkunft Sonnenhof von Emmenbrücke und im Ritahaus Luzern, bis sie im März eine eigene Wohnung erhielten.
Schweizer Solidarität
Tania Quintero fehlt es in der Schweiz nicht an Kontakten: «Am Anfang erhielten wir fast täglich Besuche, Telefonanrufe und Geschenke – all diesen Leuten verdanken wir viel.» Gleichzeitig hätten sie die vielen Zeichen der Solidarität aber auch angestrengt, denn in Kuba sei sie sehr allein gewesen: Wegen der Überwachung habe sie zurückgezogen gelebt, selten Besuche erhalten und sich meist innerhalb ihres Hauses bewegt. Dass sie in Luzern manchmal sogar beim Einkaufen angesprochen wird, liegt an dem im März im Schweizer Fernsehen ausgestrahlten Dokumentarfilm «Nachrichten aus Fidels Gefängnis» von Ruedi Leuthold und Beat Bieri, die Tania Quintero und andere unabhängige JournalistInnen mehrmals in Kuba besuchten.
Von Quintero sind seither in verschiedenen Medien Porträts erschienen. «Ich hatte weder geplant, Statements abzugeben, noch ein solches Medieninteresse erwartet», meint die Kubanerin dazu. Sie gibt trotzdem Auskunft – «schliesslich bin ich ja aus politischen Gründen hier.»
Mit Repression und dem Leben
in der Illegalität ist Tania Quintero aufgewachsen. Denn ihr Vater pflegte enge Kontakte zur Kommunistischen Partei Kubas, die unter Diktator Batista verboten war: «Das Traurige ist, dass ich nun vor eben diesem Sozialismus geflüchtet bin, den wir einst verteidigt haben.» Ihr Vater habe sie gelehrt, unabhängig zu denken. «Ich habe nie an politische Extreme geglaubt und schon früh innerhalb der Revolution eine kritische Haltung vertreten.»
Als dissidente Journalistin hat sich Tania Quintero, die ab 1974 beim kubanischen Staatsfernsehen gearbeitet hatte, nie verstanden. «Es reicht, einfach von Journalismus zu sprechen, wenn man diese Aufgabe ernst nimmt.» Trotzdem wurde sie offiziell zur Dissidentin: 1991 wurde ihr Sohn Iván García, ebenfalls Journalist, vorübergehend unter dem Vorwurf verhaftet, regimefeindliche Parolen an eine Hausmauer geschmiert zu haben. Als Folge erhielt Tania Quintero beim Fernsehen zwar weiterhin ihren Lohn, aber keine Aufträge mehr. 1995 wechselte sie zu Cuba Press. «Offiziell als Dissidentin zu gelten, war schliesslich eine Erleichterung. Seither habe ich nie für mich behalten, was ich denke. Das gibt mir eine grosse innere Freiheit und erspart mir bittere Gefühle.»
Kuba gehört den Enkeln
Nächstes Jahr wird Tania Quintero, die ein Leben lang in Kuba gearbeitet hat, in der Schweiz pensioniert. Ihre Aktivitäten wird sie deswegen nicht aufgeben. Gegenwärtig besucht sie einen Deutschkurs und denkt daran, sich in ihrem Luzerner Quartier zu engagieren oder ihr angefangenes Buch fertig zu schreiben. Ihr grösster Wunsch: Dass ihr Sohn und ihre zweite Enkelin – sie hat sie nie kennen gelernt – ihr in die Schweiz nachfolgen können. Und an die Adresse ihres Heimatlandes: «Die Zukunft Kubas, wo sich die Situation nach dem Tod Fidel Castros verschlechtern könnte, gehört nicht uns, sondern der Generation unserer Enkel.»
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AI fordert Freilassung politischer Gefangener
Im vergangenen Jahr hat sich die Menschenrechtslage laut Amnesty International (AI) in Kuba ernsthaft verschlechtert. Mitte März 2003, nur zwei Tage vor Ausbruch des Irak-Krieges, startete die Regierung Castro im Schatten des internationalen Geschehens eine Repressionswelle. Zahlreiche VertreterInnen der Dissidentenbewegung wurden festgenommen, darunter Lehrer, BuchhändlerInnen, JournalistInnen, ÄrztInnen und MenschenrechtsaktivistInnen. 75 von ihnen wurden wegen «Handlungen gegen die Integrität oder territoriale Integrität des Staates» oder wegen «Unterstützung der USA» zu bis zu 28 Jahren Gefängnis verurteilt. AI betrachtet alle 75 Gefangenen als politische Häftlinge. Im April 2003 wurde zudem ein dreijähriges Moratorium der Todesstrafe beendet, indem die Regierung drei wegen Geiselnahmen verurteilte Männer hinrichten liess.
Im Januar dieses Jahres kritisierte Amnesty International auch ein neues Gesetz, das den Zugang zur Information im Internet einschränkt. Im März 2004 bilanzierte die Organisation in einem Bericht, die im Vorjahr verurteilten 75 politischen Gefangenen würden extrem weit weg von ihren Familien festgehalten und die Kommunikation mit ihren Angehörigen werde in vielen Fällen unterdrückt. In verschiedenen Fällen erhielt die Organisation Hinweise über Misshandlungen im Gefängnis und zeigte sich besorgt über den Gesundheitszustand der Gefangenen. Bisher sind zwar sieben Dissidente wieder aus der Haft entlassen – AI hat die kubanische Regierung aber aufgefordert, alle Gewissensgefangenen freizulassen und die Menschenrechte in den Gefängnissen einzuhalten (vgl. S. I, Good News). Zudem fordert die Organisation eine Reform der kubanischen Verfassung, die die Verhaftung politischer Gefangener begünstigt und die Meinungsäusserungsfreiheit einschränkt.
Von Dominique Schärer
In Antwort auf:
Die Zukunft Kubas, wo sich die Situation nach dem Tod Fidel Castros verschlechtern könnte, ...
Immerhin steht diese Frau - trotz allem Unrecht, dass ihr widerfahren ist - noch mit beiden Beinen auf dieser Erde und gibt sich nicht (wie andere Dissidenten) irgendwelchen demokratischen Wahnvorstellungen hin. Schon alleine dafür genießt sie meinen größten Respekt!
Jetzt auf die Forumsgutmenschen wartende Grüße,
Stephan
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