Genf liegt nicht auf Kuba

29.10.2004 12:44
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Rey/Reina del Foro

Genf liegt nicht auf Kuba

Holger Küppers

Die Welt erfahre mit diesem Buch von David Rose "zum ersten Mal, was sich wirklich in Guantánamo Bay" abspiele, so meint jedenfalls der Fischer Verlag Nun, da ist vielleicht ein wenig Flunkerei im Spiel, denn auch das im Mai 2004 in London uraufgeführte britische Theaterstück "Guantánamo: Honor Bound To Defend Freedom" ("den Frieden zu verteidigen, ist Ehrensache") hat sich z.B. bereits mit dem Thema beschäftigt (und gastiert nun seit einiger Zeit in New York). Dennoch: "Amerikas Krieg gegen die Menschenrechte" ist zumindest die bisher umfassendste Darstellung der Verhältnisse in "Camp Delta", wie das Lager offiziell heißt. Der Autor hat eine Sammlung diverser Reportagen, deren Verfasser er selbst ist, zu einem Stück zusammengefasst.
Rose wurde, zusammen mit anderen Journalisten, im Oktober 2003 durch das Camp geführt und konnte sich ein fast komplettes Bild des Zustands der Inhaftierten machen. Reden durfte er mit den Häftlingen allerdings nicht. Diese Informationslücke füllen Aussagen von ehemaligen Gefangenen, mit denen er nach ihrem Lageraufenthalt gesprochen und deren Berichte er mit ins Buch aufgenommen hat. Einer von ihnen, Tarek Dergoul, beschreibt was den Häftlingen bei noch so kleinen Verletzungen der Camp-Regeln widerfuhr: "Sie drückten mich zu Boden und fielen über mich her, sie bohrten mir die Finger in die Augen, sie zwangen meinen Kopf ins Klobecken und betätigten die Wasserspülung. Sie fesselten mich wie ein wildes Tier, knieten sich auf mich und bearbeiteten mich mit Fußtritten und Fäusten. Zum Schluss schleiften sie mich in Ketten aus der Zelle." Das klingt wie ein zweites Abu Ghureib, nur eben auf Kuba – und die USA halten einen Großteil der schätzungsweise 500 Gefangenen ohne Verurteilung oder Anklage gefangen (wie der "Spiegel" 42/2004 schreibt).

Rose berichtet, dass die Käfige, in denen die Gefangenen bis vor einiger Zeit eingepfercht waren, jetzt leer stehen. Sie "dürfen" nun in kleinen Metallkabinen hausen, die eine Tochterfirma von Halliburton nach Guantánamo gebracht hat. Doch, so Rose, widersprächen "Unterbringung und Behandlung" weiter den Genfer Konventionen und dem amerikanischen Recht, weil die US-Regierung behaupten darf, es handle sich um "unrechtmäßige Kämpfer", die keinen Anspruch auf Schutzregeln hätten. Ein metallener Beigeschmack bildet sich bei der Lieferung der Metallkäfige: US-Vizepräsident Cheney war von 1995 bis 2000 Spitzenmanager der Firma Halliburton. Wer also davon ausgeht, dass der Mann hinter George W. Bush von dem Geschäft profitiert hat, dürfte nicht falsch liegen.

"Es scheint eine neue Weltordnung zu geben, die Hinnahme totaler Illegalität", kritisiert David Rose. Die US-Armee habe im Krieg gegen die Taliban auch "Unschuldige im Chaos des Krieges eingesackt" und diese nach Camp Delta gebracht. Alles in allem beschreibt David Rose ein höllisches Szenario und dürfte der Bush-Regierung damit kräftig auf die Füße treten. Nachdem das Buch derzeit nur in Deutschland zu kaufen ist, wird es Zeit, dass auch die englische Originalversion endlich auf den Markt kommt.

David Rose: "Guantánamo Bay. Amerikas Krieg gegen die Menschenrechte”, Verlag: S. Fischer 2004, 14,90 Euro, ISBN 3-10-066300-4

Quelle:http://www.vorwaerts.de/allother.php/rubrik/kultur/iAid/7603



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