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Flaschenpost aus Kuba
Flaschenpost aus Kuba
Die Getränkekonzerne Pernod-Ricard und Bacardi streiten sich um eine erfolgreiche kubanische Rum-Marke: Wem gehört Havana Club?
von Gesche Wüpper und Dirk Nolde
Das Baumaterial wurde aus Bayern und Norwegen importiert, das Haus ist prachtvoll bunt: Mitten im Herzen der kubanischen Hauptstadt Havanna steht der Art-Deco-Palast, der ein wenig so aussieht, als hätten die Architekten Kubismus und den Dekorationsstil der Maya durcheinander gebracht. Mäandernde Muster, Ocker, Orange, Blau, hohe Fenster, seltsam verspielte Schmuckelemente, oben ein Turm mit Balkonen. Auf der Spitze des Turmes sitzt eine Fledermaus, die Fledermaus, das Bacardi-Markenzeichen. Den Rum von Bacardi aber kann man nirgendwo auf der Insel bekommen. Auch hier nicht, im Edificio Bacardi, dem ehemaligen Firmensitz.
Denn die Bacardis ist ausgewandert, vor mehr als 40 Jahren. Nach der kubanischen Revolution wurde das Unternehmen 1960 verstaatlicht, die Besitzerfamilie floh in die USA und baute eine neue Produktion auf. Die heute bestverkaufte Spirituosenmarke der Welt ist auf Kuba nicht zu haben - aber Havanna Club, der Leib-und-Magen-Rum der Kubaner und einer der wichtigsten Exportartikel der sozialistisch regierten Insel. Dass Havanna Club auch jenseits des Sozialismus reüssiert, liegt an Pernod-Ricard. Vor zehn Jahren tat sich der französische Getränkeriese mit der staatlichen kubanischen Kooperative Cuba Ron zusammen. Ein erfolgreiches Unternehmen, dem bislang allerdings die USA als Markt versagt blieben. Wegen Bacardi: Der exilkubanische Rumproduzent mit Dependance in Miami hat großen Einfluss in den Vereinigten Staaten. Und konnte Havana Club bislang aussperren - stattdessen hat Bacardi einen eigenen Rum unter derselben Marke in den USA auf den Markt gebracht. Dagegen ist Pernod-Ricard vorgegangen und hat nun einen ersten Sieg erreicht. Der Rum-Krieg aber ist noch nicht entschieden.
Kubaner und Franzosen profitieren beidseitig von dem Joint Venture Havana Club International. 23 Mio. Dollar pro Jahr verdiene Kuba daran, schätzt das amerikanische Magazin Forbes. Und im Portfolio von Pernod-Ricard ist Havana Club inzwischen die fünftgrößte Marke. "Wir sind gerade dabei, den deutschen Markt anzugreifen, danach kommt Großbritannien", sagt Alexandre Sirech, Generaldirektor von Havana Club International, "die Nachfrage in Europa ist explodiert". Den neuen Werbespot hat der deutsche Regisseur Wim Wenders gedreht.
Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus war für Kuba Anfang der 90er die finanzielle Unterstützung der Sowjets weggefallen. Der Beginn der "Spezial-Periode": Lebensmittel und Elektrizität wurden rationiert, der Staat war praktisch pleite und brauchte Devisen, Staatschef Fidel Castro musste die Planwirtschaft wenigstens teilweise für ausländische Investoren öffnen. Pernod-Ricard verhandelte ein Jahr mit den Kubanern, bevor sich die Franzosen 1994 als eine der ersten ausländischen Firmen an einem solchen Mischunternehmen beteiligten. Heute gibt es davon 342, allein 16 im Bereich Nahrungs- und Genussmittel. Auch Nestlé und Interbrew sind mittlerweile auf der Insel vertreten.
Havana Club ist gerade in die von der Getränkefachzeitschrift Impact ermittelte Top 50 der internationalen Spirituosenmarken vorgerückt. Früher wurde der Rum von der Insel ausschließlich in den Ostblock exportiert, 70 Prozent gingen allein in die UDSSR. 2003 wurden weltweit rund 17,1 Millionen Liter verkauft, was Havana Club zur Nummer drei im Weltmarkt für Rum macht, hinter Captain Morgan und Bacardi. Wobei Marktführer Bacardi jährlich das Zehnfache absetzt.
Der Rum-Riese im Exil müsste sich im Grunde gar nicht stören an dem verhältnismäßig kleinen Konkurrenten aus Kuba. Allerdings hat Havana Club im vergangenen Jahr um zwölf Prozent zugelegt. Bacardi wuchs ebenfalls, aber nur um 1,5 Prozent. Havana Club ist eine kommende Marke, ihr Erfolg wird durch das Joint Venture mit Pernod-Ricard noch wahrscheinlicher. Und so gibt es Krieg um Havana Club. Bacardi, sagt Kubas Außenminister Felipe Perez Roque, "stiehlt" die Marke Havana Club. Keineswegs, heißt es bei Bacardi: Die Marke gehört uns.
"Bacardi hat das Recht, die Marke Havana Club in den USA zu verkaufen", sagt Bacardi-Sprecherin Patricia Neal. Denn das Unternehmen habe 1995 die Markenrechte von der Familie Arechalaba gekauft, den ehemaligen Besitzern von Havana Club. Bacardi hatte zunächst versucht, die Handelsmarke Havana Club in den USA annullieren zu lassen. Dort darf der Rum ohnehin nicht vertrieben werden, weil er ein kubanisches Produkt ist. Das war 1995 - ein Jahr später verkaufte Bacardi in den USA plötzlich Rum unter dem Markennamen Havana Club, hergestellt auf den Bermudas.
Eine Verletzung der Markenrechte, argumentiert Pernod-Ricard. Die Besitzer von Havana Club hatten die Rechte an der Marke in den USA 1974 aufgegeben, woraufhin der kubanische Staat sie zwei Jahre später eben dort wieder hatte registrieren lassen, ebenso wie in 80 weiteren Ländern. Doch wurde der US-Markenschutz für Havana Klub nachträglich aufgehoben, durch die so genannte Section 211 von 1998 - ein Gesetz, das maßgeblich durch Lobbying seitens Bacardi zu Stande kam. Die Section 211 untersagt in den USA den Schutz solcher Marken, die Kubanern gehörten, bevor sie ins Exil gingen. So wie die Arechalabas: Die Havana-Club-Gründer emigrierten 1959 in die USA und nach Spanien. Mithin ist Havana Club - der aus Kuba - in den USA kein eingetragenes, geschweige denn geschütztes Warenzeichen. Pernod-Ricard reichte Klage in den USA ein - und verlor, insgesamt sechs Mal.
Auf Initiative der USA und vor allem Frankreich hat die Welthandelsorganisation WTO hat die Section 211 verurteilt. Danach verstößt das Gesetz gegen das internationale Handelsrecht und gegen internationale Abkommen über geistiges Eigentum. Nach einer Fristverlängerung haben die USA nun theoretisch bis Ende dieses Jahres Zeit, Section 211 abzuschaffen.
Zwar sagt Alexandre Sirech: "Die Marke Havana Club hat großes Potenzial, obwohl uns der amerikanische Markt bisher nicht offen steht." Doch das Potenzial wäre mit den USA deutlich größer. Die Vereinigten Staaten stehen für 42 Prozent des weltweiten Rum-Marktes.
Das ist indes nicht das einzige Problem, das Pernod-Ricard mit Havana Club hat. Da ist auch noch das Helms-Burton-Gesetz, genannt "Bacardi-Gesetz": Die Familie Bacardi unterstützte in den 90er Jahren den erzkonservativen Senator Jesse Helms mit großzügigen Spenden im Wahlkampf. Im Gegenzug brachte der gemeinsam mit dem republikanischen Senator Dan Burton 1996 das besagte Gesetz durch. Das erlaubt es, juristisch gegen Firmen aus Drittländern vorzugehen, die enteigneten Besitz auf Kuba nutzen. "Damit könnte Patrick Ricard die Einreise in die USA verboten werden, weil er mit Havana Club zusammen arbeitet", sagt Sirech.
Im Februar errang Pernod-Ricards Joint Venture nun einen Sieg: Die US Patent and Trademark Organisation erklärte die Registrierung der Handelsmarke Havana Club für rechtmäßig. "Wir haben eine Schlacht gewonnen, aber noch nicht den Krieg", sagt Pernod-Ricard-Chef Patrick Ricard. Der Rechtsstreit geht weiter, allein in diesem Jahr wird Pernod-Ricard sich seine Anwälte in Sachen Havana Club rund 660 000 Euro kosten lassen. Und die Zeit drängt. Denn 2006 muss Havana Club International seine Handelsmarke in den USA erneuern.
Gegen die Entscheidung der US Patent and Trademark Organisation für Pernod-Ricard hat Bacardi Berufung eingelegt. Der Einfluss der Firma mit der Fledermaus ist groß. Unterstützt wird der Rum-Produzent beim Feldzug gegen Havana Club von Jeb Bush, den Bruder von US-Präsident George W. Bush. Der hat laut Medienberichten versucht, im Sinne Bacardis Druck auf staatliche Behörden auszuüben und erhielt dafür seit 1998 insgesamt 200 000 Dollar.
Bei alldem ist man bei Havana Club ein wenig paranoid geworden. Fremde dürfen die Destillerie, die irgendwo außerhalb von Havanna liegt, nicht besuchen, nicht einmal sehen. Offenbar wird befürchtet, von Bacardi ausgesandte Spione könnten das Herstellungsgeheimnis ausspähen. Nicht einmal fünf Menschen kennen das Havana-Club-Rezept, meint Alexandre Sirech. Der Firmensitz von Havana Club hingegen steht Besuchern offen. Ein eher bescheidenes Gebäude, eine einstöckige, schlichte Villa, mit Terrasse und einem Swimming-Pool für die Mitarbeiter und ihre Familien. Die Luft ist warm, die Stimmung freundlich, und Alexandre Sirech sagt: "Wir hoffen, dass wir in sechs bis sieben Jahren in den USA verkaufen können."
Artikel erschienen am 23. April 2004, DIE WELT
In Antwort auf:
Auch hier nicht, im Edificio Bacardi, dem ehemaligen Firmensitz.
Chris,
da hat doch noch jemand sein Büro dort...
In Antwort auf:
"Wir hoffen, dass wir in sechs bis sieben Jahren in den USA verkaufen können."
Hmmm, aber dann auch sehr wahrscheinlich nicht unter dem Markennamen "Havana Club" !
Saludos
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