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Kuba erholt sich vom Hurrikan «Ivan»
16. September 2004, 02:21, Neue Zürcher Zeitung
Kuba erholt sich vom Hurrikan «Ivan»
Fidel Castro als Feldherr auf Propaganda-Tour
bau. Havanna, 15. September
Der Hurrikan «Ivan» hat auf Kuba keine Menschenleben gefordert. Dies teilten die Behörden am Dienstag mit. Obschon die Zuckerinsel mit einem blauen Auge davongekommen ist, werden aus der westlich von Havanna gelegenen Provinz Pinar del Río, die vom Wirbelsturm der Kategorie 5 gestreift wurde, grosse Überschwemmungen und Sachschäden gemeldet. Dies betrifft insbesondere die kleinen Fischerdörfer entlang der Südküste zwischen Cabo Corrientes und La Coloma. Deren Bewohner hatten sich rechtzeitig vor den Flutwellen in Sicherheit gebracht.
Der Líder Máximo als Sturmbändiger
Das kubanische Fernsehen zeigte andauernd Bilder von zerstörten Häusern, weggespülten Uferstrassen und überfluteten Feldern. Die Schäden in der Tabakindustrie scheinen nach ersten Berichten minimal ausgefallen zu sein, weil man die getrockneten Blätter rechtzeitig in sichere Lagerhallen verbracht hatte. In Mitleidenschaft gezogen wurden vor allem mit Wellblech oder Ziegeln gedeckte Holzhäuser, während neuere Bauten aus Zementblöcken und mit flachen Betondächern praktisch unversehrt die starken Winde überstanden. Weltweit wird Kuba immer wieder als Beispiel gepriesen, wie auch in einem Drittweltland mit beschränkten Ressourcen wirksam Katastrophenvorsorge betrieben werden kann. Rechnet man «Ivan» mit ein, so haben seit 1996 acht Wirbelstürme Kuba, die sowohl flächen- als auch bevölkerungsmässig grösste aller Karibikinseln, heimgesucht. Dabei sind insgesamt nur 20 Personen umgekommen.
Am Dienstag, während der Regen allmählich nachliess, besuchte der rüstige Revolutionsführer Fidel Castro das Katastrophengebiet persönlich. Wo immer der bärtige Greis in olivgrüner Uniform dem schwarzen Mercedes entstieg, wurde er von der Landbevölkerung vor laufenden Kameras mit Applaus begrüsst. Die offiziellen Medien wurden nicht müde, den Kampf gegen die Naturgewalten mit einer militärischen Schlacht zu vergleichen, in der Fidel als siegreicher Feldherr dasteht. Ein Fernsehkommentator dankte dem Comandante dafür, dass er dem Volk in den schweren Stunden des Hurrikans Zuversicht und Hoffnung gegeben habe. Castro selber sagte, es gelte Rückschläge in Siege zu verwandeln.
Sorge um die Tauchgründe
«Ivan» hat nicht nur Schäden an Bauten und Produktionseinrichtungen verursacht. Der Direktor des Naturparkes auf der Halbinsel Guanahacabibes, wo über 1000 Quadratkilometer Wald- und Küstenlandschaft mit reicher Artenvielfalt unter Schutz stehen, befürchtet, dass die Naturkatastrophe das biologische Gleichgewicht nachhaltig gestört hat. Die noch weitgehend unberührte Biosphäre, die bisher für den Ökotourismus kaum erschlossen wurde, befand sich am äusseren Rand des Hurrikan-Auges. Dort wurden Sturmwinde mit Geschwindigkeiten von über 250 Kilometern in der Stunde gemessen.
Auch die beliebten Tauchgründe vor der Isla de la Juventud und vor allem das internationale Tauchzentrum María La Gorda am Westzipfel Kubas wurden vom Wirbelsturm direkt betroffen. Ivan Mesa, ein 37-jähriger kubanischer Taucher, Fischer und Schiffskapitän, der seit seiner Jugend dem Tauchsport frönt, weiss aus Erfahrung zu berichten, dass Hurrikane vor allem den einzigartigen Korallengärten seiner Heimat zusetzen. Unwiederbringlich zerstört würden die unmittelbar vor der Küste liegenden Korallenriffe mit den Meerschwämmen. Die Wucht der Wassermassen lasse die Korallengebilde in den oberen paar Metern auseinander brechen und spüle deren Trümmer an Land.
Unversehrt blieben Korallen und die Meeresvegetation in den tieferen Tauchgründen, sagt Ivan, der erst vor einem Monat den Hurrikan «Charley» am eigenen Leib erleben musste. Ivan ist als Sohn eines Fischers auf die Welt gekommen. Jetzt führt er den Berichterstatter an die Küste bei Santa Fé, am Nordrand von Havanna, dort wo «Charley» seinen Weg aufs offene Meer gesucht hatte und wo die Bewohner dabei sind, ihre einfach gebauten Häuschen und Hütten wieder instand zu stellen. Nach dem Durchgang des Hurrikans habe er während der ersten fünf Tage nicht tauchen können, weil die Fluten den Sand aufgewirbelt hätten, sagt Ivan. Dann sei das Wasser wieder allmählich klar geworden. Fische und Krebse würden von Wirbelstürmen kaum betroffen, weil sie sich in Sicherheit zu bringen wüssten. Für die Fischer sei ein Sturm ein Geschenk des Himmels. In der Regel tauchten dann grosse Fischschwärme vor der Küste auf. Dies sei auch nach «Charley» der Fall gewesen. Ein aufgewühltes Meer bringe dem Fischer sicheren Gewinn, zitiert Ivan eine auf Kuba geläufige Volksweisheit.
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