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Die Welt ist ein Stadtteil von Havanna
Die Welt ist ein Stadtteil von Havanna
«Café Cuba», der neue Roman von Zoé Valdés, vereint Sinn und Sinnlichkeit
Ein Buch von Zoé Valdés zu lesen, heisst: zuerst einmal mit dem Strom des Erzählens mitreisen, ohne zu verstehen. Sich mitnehmen lassen von einer üppigen, reichen, sinnlichen Sprache, die nicht nur Bilder, sondern auch Gerüche und Geschmacksnoten zu erzeugen scheint. Ein Chaos, das immer wieder «tanzende Sterne» gebiert; vollendete Sätze; kleine perfekte Ordnungen, wie sie nur die scheinbare Unordnung freigelassener Phantasie hervorbringen kann.
Liebe, Kunst und Einsamkeit
All das hat seinen tiefen Sinn und einen klaren Grund: «Café Cuba», der neue Roman von Zoé Valdés (span. 1997), kommt unruhig und ungebärdig daher, ständig zwischen den Zeit- und Erinnerungsebenen hin und her springend. Wenn er, ohne den Erzählfaden zu verlieren, gleichzeitig immer auch die «grossen Fragen» von Liebe, Kunst und Einsamkeit reflektiert, dann deshalb, weil die Unruhe sein innerstes Thema ist: die Unruhe der aus Kuba Emigrierten, die sich in ihren neuen Heimaten Paris, Miami, New York, Teneriffa zu verschworenen Gemeinschaften zusammenfinden, vom Heimweh nach «jener Insel» zusammengebunden.
«... als echte Inselmenschen leben wir, sobald wir im Ausland sind, nur noch in der Erinnerung: klammern uns an die Namen der Strassen und versinken in eine Geographie des Traums. Schlafen ist wie eine kleine Rückkehr nach Hause.» Bis die nichtkubanischen Freunde ihnen den Kopf zurechtrücken: «Eure Gehirne sind zum Globus geworden. Eine Freundin in Argentinien, eine andere in Ecuador, ein Freund in Miami und immer so weiter. Als wäre die Welt ein Stadtteil von Havanna; das ist nicht normal.»
Kubas politisches Schicksal
Aber es ist mehr als Heimweh: Wie mit einem Stempel scheinen die Ausgewanderten vom Lebensgefühl und von den Ritualen der Alten Welt geprägt zu sein, erfüllt von den Bildern und Gerüchen aus den Strassen von Habana Vieja, der Altstadt von Havanna, angefüllt auch mit der Selbstverständlichkeit von Sorge und Traurigkeit, die Kubas politisches Schicksal betreffen.
Kein Thema ist für diese Exilkubaner und -kubanerinnen so allgegenwärtig wie das des Abschieds. Schon auf den Fiestas in Kuba, den Festen, die die Freundesclique aus 20-Jährigen auf Havannas Dachterrassen feiert, ist der vorweggenommene Abschied dieses Freundes oder jener Freundin Anlass zu vorweggenommener Trauer. Dann begegnen sie sich in Paris wieder, bis einer Hals über Kopf nach Amerika weiterreisen muss, weil er in Frankreich nicht bleiben kann. Von Papieren und Unterschriften hin- und hergeschickt; so ergeht es auch Samuel, der grossen Liebe der Ich-Erzählerin Marcela.
Samuel ist für die nun knapp 40-jährige Marcela im wahrsten Sinne des Wortes die Liebe ihres Lebens. Als sie sich in Paris begegneten, sie in den Dreissigern, er sechs Jahre jünger, stellt sich Stück um Stück heraus, dass sie einander schon seit Kindertagen kennen; eine gemeinsame Vergangenheit, die ihnen nicht bewusst war, und die zunächst dunkle Schatten über sie legt.
Der Roman, einmal in Gang gekommen, erzählt spannend von Marcelas Leben in der Fremde; wie sie den Weggang ihrer Eltern verschmerzt, die ohne Abschied von Kuba nach Miami gegangen sind, als sich die Gelegenheit bot; wie sie dann im Exilland Frankreich aus zunächst grosser Armut plötzlich eine steile Karriere als Fotografin durchmacht, die ihr aber ein fremdes Leben verschafft, in dem sie sich nicht wiedererkennt und weiter auf die Suche geht nach ihrem Platz in der Welt.
Vergangenheit und Gegenwart
Zoé Valdés versteht es, diesem Reichtum (und der Tragik) des Lebens zwischen den Welten eine reiche Sprache zu erfinden. Marcela begreift sich als Schwester im Geiste von Marcel Proust, in dessen «Recherche» sie ihre eigene Sehnsucht ausgedrückt sieht: Vergangenheit und Gegenwart, Möglichkeit und Wirklichkeit endlich zusammenkommen zu sehen. Dies Buch von Zoé Valdés, das in seinem Verlauf an Klarheit und Kraft gewinnt, kann man fast nur mit dem Bleistift lesen. Immer wieder entzückt wird man Sätze unterstreichen, in denen sich Sinn und Sinnlichkeit aufs Schönste vereinen.
Bernadette Conrad Zoe Valdés: Café Cuba. Roman. Aus dem kubanischen Spanisch von Klaus Laabs. Verlag Ammann (Meridiane) 2004. 275 Seiten, Fr. 39.90.
© «Der Zürcher Oberländer» / «Anzeiger von Uster»
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