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CUBA LIBRE für selbstbewusste, sehr coole Ladys
26.11.2007 19:32 (zuletzt bearbeitet: 26.11.2007 19:33)
#1 CUBA LIBRE für selbstbewusste, sehr coole Ladys
CUBA LIBRE
Mode von Narciso Rodriguez (http://www.narcisorodriguez.com) führen Simon M, Herzog-Otto-Str. 4, Rosenheim, Tel. 08.031/21 99 55, sowie http://www.yoox.de und http://www.net-a-porter.com. Seine Parfüms "For Her" und "For Him" sind in ausgewählten Parfümerien erhältlich.
Interview
"Ich entwerfe für selbstbewusste, sehr coole Ladys"
Das Hochzeitskleid für Carolyn Bessette-Kennedy machte Narciso Rodriguez zum Liebling der New Yorker High Society. Zehn Jahre und viele erfolgreiche Kollektionen später sprach der Modeschöpfer mit Siems Luckwaldt über Schönheitsideale, exilkubanische Familienfeste und das Glück, einem Bankrott zu entkommen.
htsi: Stimmt es, dass Sie bereits mit drei Jahren an der Nähmaschine gesessen haben?
Narciso Narciso Rodriguez: Das ist stark übertrieben. Ich habe aber schon früh angefangen, zu basteln und zu werkeln. Mein erstes Kleidungsstück, eine schwarze Weste aus Wollfilz, habe ich mit 15 entworfen und genäht. Sehr trendy in den 80ern! Meine Mutter hat früher viel geschneidert, und ich schaute zu, wie sie Stoffe zuschnitt und Kleider nähte. Dieser Entstehungsprozess hat mich fasziniert. Das wollte ich auch machen.
htsi: Ihr New Yorker Label "Narciso Rodriguez" existiert seit zehn Jahren. Für wen entwerfen Sie?
Narciso Rodriguez: Für eine intelligente Frau, sophisticated und selbstbewusst, mit einem sehr individuellen Stil. Sie ist kein Fashion-Victim. Sie hält sich in Form, ohne zu hungern, könnte 20, 30 oder 60 Jahre alt sein. Ich glaube, sie ist eine ziemlich coole Lady.
htsi: Ein ausgemergeltes Frauenideal wäre bei Ihrem kulturellen Hintergrund ja auch befremdlich.
Narciso Rodriguez: Genau. Für Kubaner gilt eher "curves are king". Wir feiern die weiblichen Rundungen, statt sie zu dämonisieren. Auf dem Laufsteg müssen wir uns etwas zurückhalten, denn bei Größe 36 ist nun mal Schluss, aber auch da gefällt mir ein Model mit weiblicher Silhouette besser als ein Hungerhaken. Wie ihm meine Mode passt, wie es sie trägt, ob die Proportionen so sind, wie ich sie mir vorgestellt habe, das ist entscheidend.
htsi: Sie sind ein Auswanderersohn, aufgewachsen im amerikanischen Bundesstaat New Jersey, dessen offizielle Symbole der Bachsaibling, der Goldfink und die Roteiche sind. Wie ist es Ihnen dort ergangen?
Narciso Rodriguez: Zunächst großartig. Ich bin in Newark geboren, einer großen Stadt, in der viele Nationen zusammenkamen: Portugiesen, Italiener, Spanier, Kubaner. Als ich zehn war, zogen wir in eine typisch amerikanische Vorstadt. Für mich war das der totale Kulturschock. Alle waren blond oder, noch befremdlicher, rothaarig. Die Mehrheit kam aus Schottland, Irland und Deutschland. Wir waren die ersten spanisch sprechenden Menschen dort, und nicht jeder Nachbar war über unsere Anwesenheit erfreut. Heute ist alles entspannter, meine Eltern wohnen immer noch dort.
htsi: Wann waren Sie zum letzten Mal in Kuba?
Narciso Rodriguez: Das ist jetzt peinlich.
htsi: Oh.
Narciso Rodriguez: Na gut, ich war noch nie in Kuba. In den frühen 90ern wäre ich beinahe hingeflogen, aber meine Eltern haben sich so aufgeregt, dass ich es gelassen habe. Man muss es so sehen: Sie haben Kuba vor 50 Jahren verlassen und konnten nicht zurück. Sie mussten alles aufgeben und zusehen, was Castro mit dem Land, ihren Verwandten und ihrer Kultur anstellt. Dass ihr Sohn dorthin wollte, um dem Feind amerikanische Dollar in den Rachen zu stopfen, war für sie nicht akzeptabel. Irgendwann fahre ich aber doch.
htsi: Wie viel Latinokultur haben Ihre Eltern herübergerettet?
Narciso Rodriguez: Auf jeden Fall die rauschenden Feste. Zu Nochebuena, dem Abend vor Weihnachten, sind wir mindestens 30 Personen, und es wird garantiert für 90 gekocht. Die Luft ist schwül vom Bratendunst, alle reden ohrenbetäubend laut durcheinander. Ich sitze mittendrin und komme mir manchmal seltsam fremd vor, weil ich eher ein stiller Typ bin. Aber ich liebe das Essen und habe von meinen Eltern und meiner Tante viele tolle Rezepte gelernt. Schmorbraten mit Bohnen etwa. Herrlich.
htsi: Sie haben früher für Ihre Schwester entworfen. Kleiden Sie Ihre Familie noch heute ein?
Narciso Rodriguez: Nur, wenn eine Verwandte ein Hochzeitskleid braucht. Und für die Schulabschlussfeier meines Neffen habe ich einen sehr feschen Anzug geschneidert. Damit hat er dann ein wenig angegeben.
htsi: So, wie man einen Popstar mit seinem größten Hit identifiziert, werden Sie ständig auf das Kleid angesprochen, das Sie 1996 für Carolyn Bessettes Hochzeit mit John Kennedy entworfen haben. Nervt das?
Narciso Rodriguez: Überhaupt nicht. Die Aufmerksamkeit, die es bekam, war zwar nicht geplant, aber Carolyn war eine sehr enge Freundin und das Hochzeitskleid für sie meine emotionalste und vielleicht beste Arbeit. Sicherlich habe ich danach noch anspruchsvollere Kleider entworfen, aber niemals steckte so viel Liebe darin. Es macht mich immer noch traurig, über Carolyn zu sprechen, obwohl dieser schreckliche Flugzeugunfall jetzt schon vier Jahre zurückliegt. Es wäre großartig, wenn sie meine heutigen Kollektionen sehen und tragen könnte. Sie war wunderschön.
htsi: Ein Modejournalist hat mal geschätzt, das Hochzeitskleid sei 80.000-mal kopiert worden.
Narciso Rodriguez: Wenn nicht häufiger. Und ich habe keinen Cent daran verdient, aber das ist in Ordnung so. Erstens wird in der Mode nun mal geklaut, was das Zeug hält, zweitens habe ich es aus Zuneigung und nicht aus Profitgier entworfen.
htsi: Durch Ihre Freundschaft mit Carolyn Bessette-Kennedy wurden Sie zum Darling der feinen New Yorker Gesellschaft, deren Damen "socialites" genannt und von den Medien gefeiert werden. Wie erstrebenswert ist der Zutritt zu diesem Zirkel?
Narciso Rodriguez: Mit der Frage hat sich neulich auch ein Artikel im "New York Magazine" befasst. Da wurden die sogenannten "pop-up socialites" abgewatscht, das sind die, die immer gleich aufspringen, wenn sich ein Fotograf nähert. Die überwiegende Mehrheit dieser äußerst privilegierten Frauen ist aber vor allem eines: sehr nett und mitunter erstaunlich bescheiden. Über die Jahre habe ich viele von ihnen mit Sonderanfertigungen eingekleidet und mich mit einigen angefreundet. Tatsächlich ist ihr Leben von dem der meisten Menschen etliche Sommerresidenzen und Dienstboten entfernt. Doch das macht sie nicht automatisch zu Zicken oder Dummchen. Von Ausnahmen einmal abgesehen.
htsi: Welche Frau hat Sie bisher am meisten beeindruckt?
Narciso Rodriguez: Die leider bereits verstorbene Sängerin Celia Cruz. Auch sie kam aus Kuba. Als ich klein war, war sie hin und wieder Stargast auf einem Tanzabend in Newark, und ich erinnere mich sehr gut daran, dass ich dann auf dem Bühnenrand saß und ihr zusah. Hohe Plateauschuhe, wahnsinnig schöne und irrwitzig bunte Kleider, eine unvergessliche Erscheinung. Ich wuchs mit ihrer Musik auf, lernte mit ihren Liedern das Tanzen. Sie war eine mit immensem Talent gesegnete Künstlerin und mit Latinoaugen betrachtet eine wahre Heldin. Anfang 2002 ließ sie plötzlich ihren Besuch in meinem Atelier ankündigen. Sie hatte mich zum Designer ihres neuen Looks auserkoren. Ich zitterte am ganzen Körper, als sich die Lifttüren öffneten und ihre Stimme durch die Etage schallte. So fühlt es sich also an, einer Göttin gegenüberzustehen, dachte ich damals. Sie zog die Menschen in ihren Bann - mit bezaubernder Herzlichkeit, nicht mit Allüren. Ich bin dankbar, sie kennengelernt zu haben. Als sie starb, ging für viele Latinos eine Welt unter. Die Trauerfeier fand, ganz standesgemäß, in New Yorks berühmter St. Patrick's Cathedral statt.
htsi: 2006 geriet Ihre Marke ins Straucheln. Sie standen mit mehr als 1 Mio. Dollar bei Ihren Zulieferern in der Kreide. Was war passiert?
Narciso Rodriguez: Mir fehlte ein Partner, der sich um Weiterentwicklung und internationales Wachstum kümmert. Eine treibende Kraft, die meine Vision teilt und mit gutem Geschäftssinn begleitet. Meine Arbeit wurde respektiert, ja sogar bejubelt, aber damit verdient man nicht automatisch Geld. Mir fehlte beispielsweise eine starke Accessoire-Linie.
htsi: Dafür war Ihr Parfüm wahnsinnig erfolgreich.
Narciso Rodriguez: Das stimmt. Aber ich brauchte trotzdem Hilfe. Ich rief Freunde an: Donna Karan, die "Vogue"-Chefin Anna Wintour, Ralph Lauren, Jerry Seinfeld. Zuerst wollte mir keiner glauben, dass ich in der Patsche sitze.
htsi: Kein Wunder, man hatte Sie zweimal hintereinander zum "American Womenswear Designer of the Year" gekürt, und Ihre Kleider waren ständig auf irgendeinem roten Teppich unterwegs. Wie ging es weiter?
Narciso Rodriguez: Der rettende Kontakt kam durch Vermittlung von Anna Wintour zustande.
htsi: William L. McComb.
Narciso Rodriguez: Ja, der CEO des amerikanischen Modekonzerns Liz Claiborne. Er war der Richtige.
htsi: Er hat Ihr Label geschluckt.
Narciso Rodriguez: So, wie Sie das sagen, klingt es deprimierend. Ist es aber nicht.
htsi: Sie sind nicht mehr Ihr eigener Herr.
Narciso Rodriguez: Der amerikanische Traum sieht vielleicht anders aus, aber es war ein notwendiger und richtiger Schritt, auch gegenüber meinen Angestellten. Und ich fühle mich befreit, weil ich mich wieder hauptberuflich um die Mode kümmern kann. Was nicht bedeutet, dass ich mich nicht für die Vermarktung meiner Entwürfe interessiere. Es gibt Designer, die wollen es auf dem Laufsteg und in den Medien so richtig krachen lassen, der Rest ist ihnen egal. So bin ich nicht, ich möchte schöne, tragbare Mode entwerfen, die von möglichst vielen Frauen getragen wird. Mode, die elegant, modern, handwerklich perfekt, langlebig und würdevoll ist. Wie bei Chanel, Vionnet oder Balenciaga. Wer da am Laufsteg sitzt, bestaunt nicht L'art pour l'art, sondern Sachen, die die Leute wirklich anziehen wollen.
htsi: Mancher Designer, der den Laufsteg zum Zirkus erklärt, mimt den Solokünstler. Wie finden Sie das?
Narciso Rodriguez: Oh, es gab Zeiten, da habe ich bis zur letzten Naht alles selbst gemacht, aber heute leite ich ein Studio mit vielen kreativen Köpfen. Es ist dumm, so zu tun, als wäre man allein, denn nicht selten werden aus ehemaligen Assistenten Konkurrenten. Siehe Kris Van Assche, der bei Dior Homme auf seinen Ex-Chef Hedi Slimane folgte. Auch eine Modenschau ist keine One-Man-Show. Choreografie, Lichtdesign, Haare, Make-up - das können nur Spezialisten.
htsi: Was ist für Sie der größte Luxus?
Narciso Rodriguez: Kein Telefon zu haben und keine E-Mails lesen zu müssen. Ein Leben ohne Meetings wäre auch verlockend. Aber das bleiben wohl Illusionen.
htsi: Und worauf würden Sie nie verzichten wollen?
Narciso Rodriguez: Auf Block und Stift. Zeichnen ist meine Leidenschaft. Ich skizziere Kleider, Schuhe und Taschen, auf Partys karikiere ich gern Freunde, gar nicht mal so schlecht übrigens. Mit meinem Freund Ruben Toledo, der schon viele Karikaturen von mir gemacht hat, kann ich mich aber nicht messen.
http://www.ftd.de/lifestyle/luxus/:Inter...dys/253111.html
Mode von Narciso Rodriguez (http://www.narcisorodriguez.com) führen Simon M, Herzog-Otto-Str. 4, Rosenheim, Tel. 08.031/21 99 55, sowie http://www.yoox.de und http://www.net-a-porter.com. Seine Parfüms "For Her" und "For Him" sind in ausgewählten Parfümerien erhältlich.
Interview
"Ich entwerfe für selbstbewusste, sehr coole Ladys"
Das Hochzeitskleid für Carolyn Bessette-Kennedy machte Narciso Rodriguez zum Liebling der New Yorker High Society. Zehn Jahre und viele erfolgreiche Kollektionen später sprach der Modeschöpfer mit Siems Luckwaldt über Schönheitsideale, exilkubanische Familienfeste und das Glück, einem Bankrott zu entkommen.
htsi: Stimmt es, dass Sie bereits mit drei Jahren an der Nähmaschine gesessen haben?
Narciso Narciso Rodriguez: Das ist stark übertrieben. Ich habe aber schon früh angefangen, zu basteln und zu werkeln. Mein erstes Kleidungsstück, eine schwarze Weste aus Wollfilz, habe ich mit 15 entworfen und genäht. Sehr trendy in den 80ern! Meine Mutter hat früher viel geschneidert, und ich schaute zu, wie sie Stoffe zuschnitt und Kleider nähte. Dieser Entstehungsprozess hat mich fasziniert. Das wollte ich auch machen.
htsi: Ihr New Yorker Label "Narciso Rodriguez" existiert seit zehn Jahren. Für wen entwerfen Sie?
Narciso Rodriguez: Für eine intelligente Frau, sophisticated und selbstbewusst, mit einem sehr individuellen Stil. Sie ist kein Fashion-Victim. Sie hält sich in Form, ohne zu hungern, könnte 20, 30 oder 60 Jahre alt sein. Ich glaube, sie ist eine ziemlich coole Lady.
htsi: Ein ausgemergeltes Frauenideal wäre bei Ihrem kulturellen Hintergrund ja auch befremdlich.
Narciso Rodriguez: Genau. Für Kubaner gilt eher "curves are king". Wir feiern die weiblichen Rundungen, statt sie zu dämonisieren. Auf dem Laufsteg müssen wir uns etwas zurückhalten, denn bei Größe 36 ist nun mal Schluss, aber auch da gefällt mir ein Model mit weiblicher Silhouette besser als ein Hungerhaken. Wie ihm meine Mode passt, wie es sie trägt, ob die Proportionen so sind, wie ich sie mir vorgestellt habe, das ist entscheidend.
htsi: Sie sind ein Auswanderersohn, aufgewachsen im amerikanischen Bundesstaat New Jersey, dessen offizielle Symbole der Bachsaibling, der Goldfink und die Roteiche sind. Wie ist es Ihnen dort ergangen?
Narciso Rodriguez: Zunächst großartig. Ich bin in Newark geboren, einer großen Stadt, in der viele Nationen zusammenkamen: Portugiesen, Italiener, Spanier, Kubaner. Als ich zehn war, zogen wir in eine typisch amerikanische Vorstadt. Für mich war das der totale Kulturschock. Alle waren blond oder, noch befremdlicher, rothaarig. Die Mehrheit kam aus Schottland, Irland und Deutschland. Wir waren die ersten spanisch sprechenden Menschen dort, und nicht jeder Nachbar war über unsere Anwesenheit erfreut. Heute ist alles entspannter, meine Eltern wohnen immer noch dort.
htsi: Wann waren Sie zum letzten Mal in Kuba?
Narciso Rodriguez: Das ist jetzt peinlich.
htsi: Oh.
Narciso Rodriguez: Na gut, ich war noch nie in Kuba. In den frühen 90ern wäre ich beinahe hingeflogen, aber meine Eltern haben sich so aufgeregt, dass ich es gelassen habe. Man muss es so sehen: Sie haben Kuba vor 50 Jahren verlassen und konnten nicht zurück. Sie mussten alles aufgeben und zusehen, was Castro mit dem Land, ihren Verwandten und ihrer Kultur anstellt. Dass ihr Sohn dorthin wollte, um dem Feind amerikanische Dollar in den Rachen zu stopfen, war für sie nicht akzeptabel. Irgendwann fahre ich aber doch.
htsi: Wie viel Latinokultur haben Ihre Eltern herübergerettet?
Narciso Rodriguez: Auf jeden Fall die rauschenden Feste. Zu Nochebuena, dem Abend vor Weihnachten, sind wir mindestens 30 Personen, und es wird garantiert für 90 gekocht. Die Luft ist schwül vom Bratendunst, alle reden ohrenbetäubend laut durcheinander. Ich sitze mittendrin und komme mir manchmal seltsam fremd vor, weil ich eher ein stiller Typ bin. Aber ich liebe das Essen und habe von meinen Eltern und meiner Tante viele tolle Rezepte gelernt. Schmorbraten mit Bohnen etwa. Herrlich.
htsi: Sie haben früher für Ihre Schwester entworfen. Kleiden Sie Ihre Familie noch heute ein?
Narciso Rodriguez: Nur, wenn eine Verwandte ein Hochzeitskleid braucht. Und für die Schulabschlussfeier meines Neffen habe ich einen sehr feschen Anzug geschneidert. Damit hat er dann ein wenig angegeben.
htsi: So, wie man einen Popstar mit seinem größten Hit identifiziert, werden Sie ständig auf das Kleid angesprochen, das Sie 1996 für Carolyn Bessettes Hochzeit mit John Kennedy entworfen haben. Nervt das?
Narciso Rodriguez: Überhaupt nicht. Die Aufmerksamkeit, die es bekam, war zwar nicht geplant, aber Carolyn war eine sehr enge Freundin und das Hochzeitskleid für sie meine emotionalste und vielleicht beste Arbeit. Sicherlich habe ich danach noch anspruchsvollere Kleider entworfen, aber niemals steckte so viel Liebe darin. Es macht mich immer noch traurig, über Carolyn zu sprechen, obwohl dieser schreckliche Flugzeugunfall jetzt schon vier Jahre zurückliegt. Es wäre großartig, wenn sie meine heutigen Kollektionen sehen und tragen könnte. Sie war wunderschön.
htsi: Ein Modejournalist hat mal geschätzt, das Hochzeitskleid sei 80.000-mal kopiert worden.
Narciso Rodriguez: Wenn nicht häufiger. Und ich habe keinen Cent daran verdient, aber das ist in Ordnung so. Erstens wird in der Mode nun mal geklaut, was das Zeug hält, zweitens habe ich es aus Zuneigung und nicht aus Profitgier entworfen.
htsi: Durch Ihre Freundschaft mit Carolyn Bessette-Kennedy wurden Sie zum Darling der feinen New Yorker Gesellschaft, deren Damen "socialites" genannt und von den Medien gefeiert werden. Wie erstrebenswert ist der Zutritt zu diesem Zirkel?
Narciso Rodriguez: Mit der Frage hat sich neulich auch ein Artikel im "New York Magazine" befasst. Da wurden die sogenannten "pop-up socialites" abgewatscht, das sind die, die immer gleich aufspringen, wenn sich ein Fotograf nähert. Die überwiegende Mehrheit dieser äußerst privilegierten Frauen ist aber vor allem eines: sehr nett und mitunter erstaunlich bescheiden. Über die Jahre habe ich viele von ihnen mit Sonderanfertigungen eingekleidet und mich mit einigen angefreundet. Tatsächlich ist ihr Leben von dem der meisten Menschen etliche Sommerresidenzen und Dienstboten entfernt. Doch das macht sie nicht automatisch zu Zicken oder Dummchen. Von Ausnahmen einmal abgesehen.
htsi: Welche Frau hat Sie bisher am meisten beeindruckt?
Narciso Rodriguez: Die leider bereits verstorbene Sängerin Celia Cruz. Auch sie kam aus Kuba. Als ich klein war, war sie hin und wieder Stargast auf einem Tanzabend in Newark, und ich erinnere mich sehr gut daran, dass ich dann auf dem Bühnenrand saß und ihr zusah. Hohe Plateauschuhe, wahnsinnig schöne und irrwitzig bunte Kleider, eine unvergessliche Erscheinung. Ich wuchs mit ihrer Musik auf, lernte mit ihren Liedern das Tanzen. Sie war eine mit immensem Talent gesegnete Künstlerin und mit Latinoaugen betrachtet eine wahre Heldin. Anfang 2002 ließ sie plötzlich ihren Besuch in meinem Atelier ankündigen. Sie hatte mich zum Designer ihres neuen Looks auserkoren. Ich zitterte am ganzen Körper, als sich die Lifttüren öffneten und ihre Stimme durch die Etage schallte. So fühlt es sich also an, einer Göttin gegenüberzustehen, dachte ich damals. Sie zog die Menschen in ihren Bann - mit bezaubernder Herzlichkeit, nicht mit Allüren. Ich bin dankbar, sie kennengelernt zu haben. Als sie starb, ging für viele Latinos eine Welt unter. Die Trauerfeier fand, ganz standesgemäß, in New Yorks berühmter St. Patrick's Cathedral statt.
htsi: 2006 geriet Ihre Marke ins Straucheln. Sie standen mit mehr als 1 Mio. Dollar bei Ihren Zulieferern in der Kreide. Was war passiert?
Narciso Rodriguez: Mir fehlte ein Partner, der sich um Weiterentwicklung und internationales Wachstum kümmert. Eine treibende Kraft, die meine Vision teilt und mit gutem Geschäftssinn begleitet. Meine Arbeit wurde respektiert, ja sogar bejubelt, aber damit verdient man nicht automatisch Geld. Mir fehlte beispielsweise eine starke Accessoire-Linie.
htsi: Dafür war Ihr Parfüm wahnsinnig erfolgreich.
Narciso Rodriguez: Das stimmt. Aber ich brauchte trotzdem Hilfe. Ich rief Freunde an: Donna Karan, die "Vogue"-Chefin Anna Wintour, Ralph Lauren, Jerry Seinfeld. Zuerst wollte mir keiner glauben, dass ich in der Patsche sitze.
htsi: Kein Wunder, man hatte Sie zweimal hintereinander zum "American Womenswear Designer of the Year" gekürt, und Ihre Kleider waren ständig auf irgendeinem roten Teppich unterwegs. Wie ging es weiter?
Narciso Rodriguez: Der rettende Kontakt kam durch Vermittlung von Anna Wintour zustande.
htsi: William L. McComb.
Narciso Rodriguez: Ja, der CEO des amerikanischen Modekonzerns Liz Claiborne. Er war der Richtige.
htsi: Er hat Ihr Label geschluckt.
Narciso Rodriguez: So, wie Sie das sagen, klingt es deprimierend. Ist es aber nicht.
htsi: Sie sind nicht mehr Ihr eigener Herr.
Narciso Rodriguez: Der amerikanische Traum sieht vielleicht anders aus, aber es war ein notwendiger und richtiger Schritt, auch gegenüber meinen Angestellten. Und ich fühle mich befreit, weil ich mich wieder hauptberuflich um die Mode kümmern kann. Was nicht bedeutet, dass ich mich nicht für die Vermarktung meiner Entwürfe interessiere. Es gibt Designer, die wollen es auf dem Laufsteg und in den Medien so richtig krachen lassen, der Rest ist ihnen egal. So bin ich nicht, ich möchte schöne, tragbare Mode entwerfen, die von möglichst vielen Frauen getragen wird. Mode, die elegant, modern, handwerklich perfekt, langlebig und würdevoll ist. Wie bei Chanel, Vionnet oder Balenciaga. Wer da am Laufsteg sitzt, bestaunt nicht L'art pour l'art, sondern Sachen, die die Leute wirklich anziehen wollen.
htsi: Mancher Designer, der den Laufsteg zum Zirkus erklärt, mimt den Solokünstler. Wie finden Sie das?
Narciso Rodriguez: Oh, es gab Zeiten, da habe ich bis zur letzten Naht alles selbst gemacht, aber heute leite ich ein Studio mit vielen kreativen Köpfen. Es ist dumm, so zu tun, als wäre man allein, denn nicht selten werden aus ehemaligen Assistenten Konkurrenten. Siehe Kris Van Assche, der bei Dior Homme auf seinen Ex-Chef Hedi Slimane folgte. Auch eine Modenschau ist keine One-Man-Show. Choreografie, Lichtdesign, Haare, Make-up - das können nur Spezialisten.
htsi: Was ist für Sie der größte Luxus?
Narciso Rodriguez: Kein Telefon zu haben und keine E-Mails lesen zu müssen. Ein Leben ohne Meetings wäre auch verlockend. Aber das bleiben wohl Illusionen.
htsi: Und worauf würden Sie nie verzichten wollen?
Narciso Rodriguez: Auf Block und Stift. Zeichnen ist meine Leidenschaft. Ich skizziere Kleider, Schuhe und Taschen, auf Partys karikiere ich gern Freunde, gar nicht mal so schlecht übrigens. Mit meinem Freund Ruben Toledo, der schon viele Karikaturen von mir gemacht hat, kann ich mich aber nicht messen.
http://www.ftd.de/lifestyle/luxus/:Inter...dys/253111.html
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