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»Die EU hat an Einfluß verloren«
22.06.2007 19:41 (zuletzt bearbeitet: 22.06.2007 19:46)
#1 »Die EU hat an Einfluß verloren«
»Die EU hat an Einfluß verloren«
Gespräch mit Óscar Martínez Cordobés. Über das Verhältnis der KP Kubas zur Partei Die Linke, die Rolle der USA und der EU in Lateinamerika, neue Chancen der Süd-Süd-Kooperation und die Zukunft des Sozialismus auf der Karibikinsel
Óscar Martínez Cordobés ist stellvertretender Leiter der Abteilung für Internationale Beziehungen des Zentralkomitees der KP Kubas. Von 1995 bis 2000 war er Botschafter Kubas in Deutschland
(...)
Ergänzen sich die Politik Deutschlands und der EU gegenüber Kuba auf der einen Seite und die Politik der USA auf der anderen, handelt es sich um Gefolgschaft oder gibt es hier Konkurrenz?
Man muß tatsächlich einen Unterschied machen zwischen dem Verhältnis der Vereinigten Staaten zu den Prozessen in Lateinamerika und dem Verhältnis der Europäischen Union zu den dortigen Entwicklungen. Die Vereinigten Staaten bzw. die Regierung der Vereinigten Staaten denkt nur an Sanktionen. In der Praxis betreibt sie gegenüber Kuba und gegenüber Venezuela die gleiche Politik, das heißt Verstärkung der Repression, Unterstützung der inneren Opposition, Verstärkung der Propaganda, aber auch nach und nach aggressive Aktivitäten. Auf diese Weise beschleunigen die Amerikaner nur den Prozeß in Venezuela, d. h. es ist mehr wie Aktion und Reaktion.
Es gibt auch in den Vereinigten Staaten Politiker, die der Meinung sind, daß dieser Weg falsch ist. Natürlich muß man auch daran denken, daß Venezuela diplomatische und umfangreiche Wirtschaftsbeziehungen zu den Vereinigten Staaten hat. Seine Erdöllieferungen sind für die Vereinigten Staaten wichtig. Obwohl es auf der politischen Ebene Konfrontationen gibt, bleiben die Wirtschaftsbeziehungen stabil, weil die Vereinigten Staaten daran interessiert sind.
Die gegenwärtige Administration verhält sich gegenüber Venezuela auf die gleiche Art und Weise wie sie gegenüber der Kubanischen Revolution agiert. Das ist in Europa anders. Warum? Europa hat bereits vor vielen Jahren die Einflußmöglichkeiten in Lateinamerika verloren. Die Möglichkeit, an der Entwicklung dort aktiv teilzunehmen, haben sie ganz einfach verloren, weil sie überhaupt kein Interesse an Lateinamerika hatten. Europa könnte in einem Moment, da es notwendig ist, eine wichtige politische und ökonomische Rolle in Lateinamerika spielen. Die Europäer haben darauf verzichtet, wahrscheinlich aufgrund von Interessen in anderen Gebieten der Welt, aber auch aufgrund einer gewissen Angst, daß die USA darauf reagieren würden. Denn für die Vereinigten Staaten ist Lateinamerika nach wie vor ihr Hinterhof und sie sehen es nicht gern, daß die Europäer hier präsent sind.
Lateinamerika aber würde europäisches Engagement brauchen. Das würde die Abhängigkeit ein bißchen verteilen, vor allem die ökonomische Abhängigkeit von den Vereinigten Staaten mindern. Jetzt muß sich Europa unter neuen Bedingungen einen Spielraum suchen, einen Raum, der noch vorhanden ist. Europa kann ihn aber nach meiner Meinung nur in dem Maß gewinnen, wie es mehr Kooperations- als Entwicklungspolitik betreibt.
Es gibt Äußerungen aus der jetzigen amerikanischen Administration, daß man leider in Irak und in Afghanistan militärisch gebunden ist und sich nicht um Lateinamerika so kümmern kann, wie man eigentlich möchte. Es gibt Äußerungen aus den Reihen der Demokraten, also der möglichen zukünftigen Administration, daß man eben die Aktivitäten gegenüber Lateinamerika, also ein Roll back, verstärken will – wenn man sich aus dem Irak zurückzieht. Wie beurteilen Sie das?
Meine persönliche Meinung ist, daß die gegenwärtige Administration in Washington die Irak-Frage hinter sich bringen will und muß. Aber es scheint so, als ob sie sich immer mehr kompromittiert. Anstatt die Lage im Irak zu erleichtern, hat sie sie verschlechtert. Sie muß mehr Kräfte im Irak an der Macht durch einen Kompromiß beteiligen. Das bedeutet, daß die US-Administration für eine lange Zeit mit diesem Problem beschäftigt ist.
Klar ist, daß ihre Aufmerksamkeit von Lateinamerika in dieser Situation abgelenkt war. Obwohl diese Administration jetzt wieder an Lateinamerika denkt, wird es ihr nicht gelingen, aktiver in Lateinamerika aufzutreten. Sicher haben sie Möglichkeiten. So könnten sie zum Beispiel eine Freihandelszone gemeinsam mit einigen Ländern in Mittelamerika schaffen. Aber das ist nicht die entscheidende Frage, das löst nicht ihr Problem. Denn in Lateinamerika findet bereits eine neue Art und Weise von Integration statt, die noch sehr jung ist und von Lateinamerika selbst getragen wird. Diese Integration berücksichtigt auch die soziale Komponente. In dem Maß, in dem Venezuela, Bolivien, Ecuador, Brasilien und Kuba ein eigenes regionales Konzept verwirklichen, ist die Integration, die die Amerikaner anbieten, nicht so einfach zu realisieren.
Erlaubt diese Situation, die Bindung der USA im Irak, eine Art Süd-Süd-Kooperation? Sie findet ja bereits stärker als in der Vergangenheit statt. Man sieht die Reisen lateinamerikanische Repräsentanten nach Iran, nach China, den Austausch mit Rußland oder Südafrika. Wie wird sich das weiter entwickeln? (...)
Quelle und vollständiges Interview: http://www.jungewelt.de/2007/06-23/002.php
Gespräch mit Óscar Martínez Cordobés. Über das Verhältnis der KP Kubas zur Partei Die Linke, die Rolle der USA und der EU in Lateinamerika, neue Chancen der Süd-Süd-Kooperation und die Zukunft des Sozialismus auf der Karibikinsel
Óscar Martínez Cordobés ist stellvertretender Leiter der Abteilung für Internationale Beziehungen des Zentralkomitees der KP Kubas. Von 1995 bis 2000 war er Botschafter Kubas in Deutschland
(...)
Ergänzen sich die Politik Deutschlands und der EU gegenüber Kuba auf der einen Seite und die Politik der USA auf der anderen, handelt es sich um Gefolgschaft oder gibt es hier Konkurrenz?
Man muß tatsächlich einen Unterschied machen zwischen dem Verhältnis der Vereinigten Staaten zu den Prozessen in Lateinamerika und dem Verhältnis der Europäischen Union zu den dortigen Entwicklungen. Die Vereinigten Staaten bzw. die Regierung der Vereinigten Staaten denkt nur an Sanktionen. In der Praxis betreibt sie gegenüber Kuba und gegenüber Venezuela die gleiche Politik, das heißt Verstärkung der Repression, Unterstützung der inneren Opposition, Verstärkung der Propaganda, aber auch nach und nach aggressive Aktivitäten. Auf diese Weise beschleunigen die Amerikaner nur den Prozeß in Venezuela, d. h. es ist mehr wie Aktion und Reaktion.
Es gibt auch in den Vereinigten Staaten Politiker, die der Meinung sind, daß dieser Weg falsch ist. Natürlich muß man auch daran denken, daß Venezuela diplomatische und umfangreiche Wirtschaftsbeziehungen zu den Vereinigten Staaten hat. Seine Erdöllieferungen sind für die Vereinigten Staaten wichtig. Obwohl es auf der politischen Ebene Konfrontationen gibt, bleiben die Wirtschaftsbeziehungen stabil, weil die Vereinigten Staaten daran interessiert sind.
Die gegenwärtige Administration verhält sich gegenüber Venezuela auf die gleiche Art und Weise wie sie gegenüber der Kubanischen Revolution agiert. Das ist in Europa anders. Warum? Europa hat bereits vor vielen Jahren die Einflußmöglichkeiten in Lateinamerika verloren. Die Möglichkeit, an der Entwicklung dort aktiv teilzunehmen, haben sie ganz einfach verloren, weil sie überhaupt kein Interesse an Lateinamerika hatten. Europa könnte in einem Moment, da es notwendig ist, eine wichtige politische und ökonomische Rolle in Lateinamerika spielen. Die Europäer haben darauf verzichtet, wahrscheinlich aufgrund von Interessen in anderen Gebieten der Welt, aber auch aufgrund einer gewissen Angst, daß die USA darauf reagieren würden. Denn für die Vereinigten Staaten ist Lateinamerika nach wie vor ihr Hinterhof und sie sehen es nicht gern, daß die Europäer hier präsent sind.
Lateinamerika aber würde europäisches Engagement brauchen. Das würde die Abhängigkeit ein bißchen verteilen, vor allem die ökonomische Abhängigkeit von den Vereinigten Staaten mindern. Jetzt muß sich Europa unter neuen Bedingungen einen Spielraum suchen, einen Raum, der noch vorhanden ist. Europa kann ihn aber nach meiner Meinung nur in dem Maß gewinnen, wie es mehr Kooperations- als Entwicklungspolitik betreibt.
Es gibt Äußerungen aus der jetzigen amerikanischen Administration, daß man leider in Irak und in Afghanistan militärisch gebunden ist und sich nicht um Lateinamerika so kümmern kann, wie man eigentlich möchte. Es gibt Äußerungen aus den Reihen der Demokraten, also der möglichen zukünftigen Administration, daß man eben die Aktivitäten gegenüber Lateinamerika, also ein Roll back, verstärken will – wenn man sich aus dem Irak zurückzieht. Wie beurteilen Sie das?
Meine persönliche Meinung ist, daß die gegenwärtige Administration in Washington die Irak-Frage hinter sich bringen will und muß. Aber es scheint so, als ob sie sich immer mehr kompromittiert. Anstatt die Lage im Irak zu erleichtern, hat sie sie verschlechtert. Sie muß mehr Kräfte im Irak an der Macht durch einen Kompromiß beteiligen. Das bedeutet, daß die US-Administration für eine lange Zeit mit diesem Problem beschäftigt ist.
Klar ist, daß ihre Aufmerksamkeit von Lateinamerika in dieser Situation abgelenkt war. Obwohl diese Administration jetzt wieder an Lateinamerika denkt, wird es ihr nicht gelingen, aktiver in Lateinamerika aufzutreten. Sicher haben sie Möglichkeiten. So könnten sie zum Beispiel eine Freihandelszone gemeinsam mit einigen Ländern in Mittelamerika schaffen. Aber das ist nicht die entscheidende Frage, das löst nicht ihr Problem. Denn in Lateinamerika findet bereits eine neue Art und Weise von Integration statt, die noch sehr jung ist und von Lateinamerika selbst getragen wird. Diese Integration berücksichtigt auch die soziale Komponente. In dem Maß, in dem Venezuela, Bolivien, Ecuador, Brasilien und Kuba ein eigenes regionales Konzept verwirklichen, ist die Integration, die die Amerikaner anbieten, nicht so einfach zu realisieren.
Erlaubt diese Situation, die Bindung der USA im Irak, eine Art Süd-Süd-Kooperation? Sie findet ja bereits stärker als in der Vergangenheit statt. Man sieht die Reisen lateinamerikanische Repräsentanten nach Iran, nach China, den Austausch mit Rußland oder Südafrika. Wie wird sich das weiter entwickeln? (...)
Quelle und vollständiges Interview: http://www.jungewelt.de/2007/06-23/002.php
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