»Für Kubaner ist das die wichtigste Sendung«
Seifenopern mit politischen Anspruch: Telenovelas sorgen für Gesprächsstoff auf der Karibikinsel.

Ein Gespräch mit Maite Vera
Maite Vera lebt in Havanna und ist Drehbuchautorin für kubanische Telenovelas. Telenovelas sind Fernsehromane, die ähnlich den Soap-Operas täglich ausgestrahlt werden

Welche Rolle spielen die täglich ausgestrahlten Telenovelas in Kuba?
Für die Kubaner ist die Telenovela die wichtigste Sendung des Tages, sowohl für Frauen, als auch für Männer. Die Filme sind Teil des Alltagslebens. Sie dienen im besten Sinne der »Orientierung« der Menschen. Sie sind eine Methode, um gesellschaftliche Themen zu transportieren, wie zum Beispiel den Verlust von Werten. Wenn über eine Telenovela nicht diskutiert wird, dann hat sie keinen Erfolg. Je mehr kontroverse Diskussionen sie auslöst, desto erfolgreicher ist sie.
Gibt es einen Unterschied zwischen Telenovelas aus Kuba oder zum Beispiel aus Brasilien?
Da wir in den ersten Jahren der Revolution wenig Zugang zu ausländischen Produkten und auch Medien hatten, hat sich in Kuba ein sehr eigenständiges Format entwickelt, das vom Sozialismus ausgeht. In Brasilien gibt es die sogenannte »rosa Telenovela«, die mit dem realen Leben wenig zu tun hat. Wir hingegen nehmen die Realität als Grundlage.
Können Sie Beispiele nennen?
Zuerst gab es Abenteuer-Telenovelas. Die erste war über Christoph Kolumbus und die Entdeckung Amerikas. Dann kamen politische Telenovelas. Meine erste hieß »Rebelión« und erzählte die Geschichte eines fiktiven lateinamerikanischen Landes, in dem das Volk zu den Waffen griff, um einen Diktator zu stürzen. Danach schrieb ich »El viejo espigón« über Hafenarbeiter. Das hört sich sehr trocken an, und die Fernsehleute waren auch sehr skeptisch. Aber die Zuschauer waren begeistert über die Telenovela, die die Arbeit der Menschen und die Veränderungen durch die Revolution zeigte.
»Lo que me queda por vivir – Was mir vom Leben bleibt« war der Titel einer Ihrer jüngsten Erfolge. Die Serie handelte von alten Menschen in Havanna ...
Das war ein Experiment. Wir arbeiteten nicht nur mit Schauspielern, sondern auch mit Bewohnern von Alteneinrichtungen. Mir lag daran, durch die Telenovela zu transportieren, daß die alten Menschen ihr Leben genießen und sich nicht durch Familienkonzepte, die es in Kuba und in anderen Ländern gibt, einschränken lassen sollen. Ich wollte durch reale Beispiele aufzeigen, welche Möglichkeiten sie in unserer Gesellschaft haben. Das Titellied wurde von Omara Portuondo gesungen, die selbst zu dieser Generation gehört.
Es gab jetzt auch eine Telenovela über Aids, wie kam es dazu?
Diese Telenovela wurde in Zusammenarbeit mit der zuständigen Institution in Kuba produziert. Manchmal bitten uns Einrichtungen, bestimmte Themen zu behandeln, weil sie wissen, daß sie durch uns das Publikum direkt erreichen. Es gibt in vielen Ländern Spots zum Thema Aids, aber keine Telenovela. Das war natürlich ein hartes Thema und die Leute haben sehr viel darüber diskutiert. Aber das ist meistens so bei erfolgreichen Telenovelas.
Was war Ihr größter Erfolg?
Es gibt unterschiedliche Bewertungen der Kritiker und des Publikums. Die Serie über die alten Menschen hatte einen sehr großen Erfolg beim Publikum, vor allem bei Älteren und Kindern. Während die jungen Leute nicht so begeistert waren. Mein erster großer Erfolg war »Rebelión«, auch die Resonanz auf »El viejo espigón« war unglaublich. Die Geschichten und ihre »Helden« waren in aller Munde. Niemand wollte vorher glauben, daß eine Novela über Arbeiter und die Diskussion am Anfang der Revolution zwischen der Bewegung des 26. Juli und den Kommunisten, die Jahre dauerte, ein solches Interesse hervorrufen könnte. Diese Novela wird jetzt als Buch erscheinen.

Quelle:http://www.jungewelt.de/2007/03-23/021.php