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Kuba könnte zur Perle der Karibik werden (NZZ 03.03.07)
04.03.2007 20:02 (zuletzt bearbeitet: 04.03.2007 20:04)
#1 Kuba könnte zur Perle der Karibik werden (NZZ 03.03.07)
http://www.nzz.ch/2007/03/03/fw/articleEY2HD.html
Kuba könnte zur Perle der Karibik werden
Die Zuckerinsel nach Castro - ein Masterplan für eine Transformation
Mit dem möglichen Ende der Ära Castro besteht die Chance, dass die Karten auf Kuba neu gemischt werden. Welche Entwicklungsmöglichkeiten gibt es? Vor dem Hintergrund der Erfahrungen erfolgreicher Transformationsländer entwerfen die Autoren ein Szenario, wie ein wirtschaftlicher und politischer Übergang in Kuba umgesetzt werden könnte. (Red.)
Von Helmut Braun und Stephan Huf*
Kuba hatte es schwer: Etwa 300 Jahre lang war es eine oft aufmüpfige Kolonie Spaniens, nur kurz unterbrochen von einer Phase britischer Herrschaft, die die Insel wirtschaftlich öffnete. Dann war es etwa 60 Jahre ein «Anhängsel» der USA, regiert von immer korrupteren Politikern. Mittlerweile wird das Land seit fast 50 Jahren beherrscht vom charismatischen «máximo líder» Fidel Castro mit seiner Interpretation des Sozialismus, mit Staats- und Kollektiveigentum, Güterrationierung durch «libreta»-Bezugsscheine und Wirtschaftsplanung. Angesichts des absehbaren, von der kubanischen Regierung aber dementierten Endes der Ära Fidel Castro und einer interimistisch anmutenden Nachfolge durch seinen nur fünf Jahre jüngeren Bruder Raúl stellt sich die Frage: Welche Strategien gibt es für die Entwicklung der Zuckerinsel in der Karibik?
[...]
Vier Szenarien des Wandels
Mit der schweren Erkrankung Fidel Castros besteht nun die Chance, dass die Karten in Kuba plötzlich ganz neu gemischt werden. Dabei sind folgende grundsätzliche Szenarios denkbar, die auch ineinander übergehen können
- Als erstes Szenario betonen die auserkorenen Nachfolger zwar den Weg eines «weiter so», aber über kurz oder lang wird eine Wandlung wirtschaftlich nötig werden, will Kuba ökonomisch nicht wie Nordkorea enden.
- Bleiben die politischen Strukturen erhalten, ist als zweites Szenario eine von der Partei verordete und kontrollierte Transformation zu mehr Markt nach dem vietnamesischen (Doi Moi) oder chinesischen Weg denkbar - dort mit respektablen Wachstumsraten.
- Als drittes Szenario erscheint ein Diadochenkampf, der zu einer freiwilligen Aufgabe der Einparteienherrschaft und des Sozialismus führte. Ähnliches wurde in vielen osteuropäischen Staaten mit «gewendeten» Politikern als Übergang praktiziert, wobei das Volk mehr oder weniger friedlich den Weg in Richtung Demokratie und Marktwirtschaft erzwang.
- Das vierte Szenario, das aufgrund der langen historischen Erfahrung der Kubaner mit Revolutionen durchaus realistisch erscheint, wäre ein unerwarteter, schneller Umbruch durch ein massiv rebellierendes Volk, das die alten Kader entmachtet und politischen Pluralismus ebenso einfordert wie eine wirtschaftliche Transformation.
[...]
Ein Vorschlag für den Weg vorwärts
Für Kuba würde dies die schnelle Schaffung einer einheitlichen, eventuell sogar neuen, den Geldüberhang abschöpfenden Währung bedeuten, die an eine Ankerwährung wie den US-Dollar oder an einen Währungskorb gebunden wäre. Die Beruhigung einer möglichst kurzen Inflationsperiode nach der Abschaffung der «libreta» müsste gekoppelt werden mit der freien, innerhalb eines knappen, aber präzisen neuen rechtlichen Rahmens stattfindenden Gründung von kleinen und mittleren Unternehmen sowie von Banken durch die Einwohner Kubas und durch dauerhaft zurückkehrende Exilkubaner. Daneben wäre die Öffnung für Importe voranzutreiben.
Der nächste, aufgrund des Verhältnisses zwischen Kuba und den USA schwierigste Schritt wäre die Privatisierung von staatlichem und kollektivem Eigentum an Land und Produktivvermögen. Besonders die Nickelminen und die touristische Infrastruktur dürften die Filetstücke sein. Hier ergäben sich Möglichkeiten für ausländische Direktinvestoren, die durch öffentliche Versteigerungen oder in direkten Kaufverhandlungen garantierte Eigentumspositionen erwerben könnten. Obwohl Castro bereits zum Amtsantritt Enteignungen des vorher auf Kuba investierten Kapitals und der in die USA geflohenen Kubaner durchführte, sollten bei der Privatisierung trotz den zu erwartenden heftigen Protesten keine Restitutionen stattfinden. Denn jede langwierige Klärung von Restitutionsansprüchen würde die wirtschaftliche Dynamik lähmen. Ebenso ist davon abzuraten, Betriebe an das bisherige Management oder an die Arbeiter zu verkaufen oder unentgeltlich abzugeben. Statt einer Orientierung an den Märkten würden nur eingefahrene und ineffiziente Strukturen konserviert und würde weiterhin auf staatliche Subventionen gehofft. Vielmehr sollte eine Rückgabe des Staatseigentums an das Volk mittels einer Gutschein-Privatisierung in Erwägung gezogen werden; bei landwirtschaftlichem Kollektiveigentum an Grund und Boden wäre an eine egalitäre Rückgabe an die Bauern zu prüfen.
Erst nach dieser Privatisierung wären die bei der Liberalisierung eingeführten, provisorischen gesetzlichen Rahmenbedingungen ausführlich zu formulieren und zu ergänzen. Dies sollte in einem Zug mit der Ausarbeitung einer neuen politischen Verfassung stattfinden. In Abhängigkeit vom gesellschaftlichen Konsens beim Durchschreiten des wirtschaftlichen «Tales der Tränen» sollte eine Sicherung des sozialen Minimums zumindest kurzfristig garantiert werden, um das neue System politisch zu stabilisieren. Eine Reform der sozialen Sicherung zu einem marktkonformen System setzte dann den Schlusspunkt der Transformation.
Gute Voraussetzungen für den Erfolg
Ob Kuba mit den vorgeschlagenen Reformen zum wirtschaftlichen Erfolg finden würde, hängt selbstverständlich auch von den Stärken und Schwächen des Landes ab. Jedoch reicht selbst ein kurzer Überblick aus, um eine Vielzahl positiver «Assets» zu identifizieren. Im Tourismus, einschliesslich des Gesundheitstourismus, ist Kuba bestens bekannt, auch in der westlichen Welt. Es liegt geographisch vor der Haustüre Amerikas, ist aber auch von Europa aus leicht erreichbar. Durch die spanische Sprache auf Kuba herrschen geringe Sprachbarrieren. Ebenfalls machen das hohe Bildungsniveau und die kulturelle sowie religiöse Homogenität der kubanischen Bevölkerung das Land für Touristen wie Investoren attraktiv. Castro rief zwar 2005 das Ende des Zuckerzeitalters auf Kuba aus, aber durch die neue Zuckerpolitik der EU könnten sich für die Zuckerwirtschaft Impulse ergeben - allerdings wäre die Industrie dann stark zu modernisieren. Neben dem jetzigen Hauptexportgut Nickel verfügt Kuba zudem über wenige, aber im Wert feine Exportgüter wie die legendären Zigarren. Hier wäre darauf zu achten, dass die gute Marktstellung nicht durch eine plötzliche Massenproduktion ruiniert wird. Und schliesslich ist auch die auf Kuba fehlende Schwerindustrie in gigantischen und ineffizienten Kombinaten ein Vorteil. Denn damit befindet sich kein Klotz am Bein der Wirtschaft, der die Arbeitslosigkeit in der Transformationsphase drastisch erhöhen würde und so den Erfolg des Übergangs gefährden könnte.
Kuba könnte zur Perle der Karibik werden
Die Zuckerinsel nach Castro - ein Masterplan für eine Transformation
Mit dem möglichen Ende der Ära Castro besteht die Chance, dass die Karten auf Kuba neu gemischt werden. Welche Entwicklungsmöglichkeiten gibt es? Vor dem Hintergrund der Erfahrungen erfolgreicher Transformationsländer entwerfen die Autoren ein Szenario, wie ein wirtschaftlicher und politischer Übergang in Kuba umgesetzt werden könnte. (Red.)
Von Helmut Braun und Stephan Huf*
Kuba hatte es schwer: Etwa 300 Jahre lang war es eine oft aufmüpfige Kolonie Spaniens, nur kurz unterbrochen von einer Phase britischer Herrschaft, die die Insel wirtschaftlich öffnete. Dann war es etwa 60 Jahre ein «Anhängsel» der USA, regiert von immer korrupteren Politikern. Mittlerweile wird das Land seit fast 50 Jahren beherrscht vom charismatischen «máximo líder» Fidel Castro mit seiner Interpretation des Sozialismus, mit Staats- und Kollektiveigentum, Güterrationierung durch «libreta»-Bezugsscheine und Wirtschaftsplanung. Angesichts des absehbaren, von der kubanischen Regierung aber dementierten Endes der Ära Fidel Castro und einer interimistisch anmutenden Nachfolge durch seinen nur fünf Jahre jüngeren Bruder Raúl stellt sich die Frage: Welche Strategien gibt es für die Entwicklung der Zuckerinsel in der Karibik?
[...]
Vier Szenarien des Wandels
Mit der schweren Erkrankung Fidel Castros besteht nun die Chance, dass die Karten in Kuba plötzlich ganz neu gemischt werden. Dabei sind folgende grundsätzliche Szenarios denkbar, die auch ineinander übergehen können
- Als erstes Szenario betonen die auserkorenen Nachfolger zwar den Weg eines «weiter so», aber über kurz oder lang wird eine Wandlung wirtschaftlich nötig werden, will Kuba ökonomisch nicht wie Nordkorea enden.
- Bleiben die politischen Strukturen erhalten, ist als zweites Szenario eine von der Partei verordete und kontrollierte Transformation zu mehr Markt nach dem vietnamesischen (Doi Moi) oder chinesischen Weg denkbar - dort mit respektablen Wachstumsraten.
- Als drittes Szenario erscheint ein Diadochenkampf, der zu einer freiwilligen Aufgabe der Einparteienherrschaft und des Sozialismus führte. Ähnliches wurde in vielen osteuropäischen Staaten mit «gewendeten» Politikern als Übergang praktiziert, wobei das Volk mehr oder weniger friedlich den Weg in Richtung Demokratie und Marktwirtschaft erzwang.
- Das vierte Szenario, das aufgrund der langen historischen Erfahrung der Kubaner mit Revolutionen durchaus realistisch erscheint, wäre ein unerwarteter, schneller Umbruch durch ein massiv rebellierendes Volk, das die alten Kader entmachtet und politischen Pluralismus ebenso einfordert wie eine wirtschaftliche Transformation.
[...]
Ein Vorschlag für den Weg vorwärts
Für Kuba würde dies die schnelle Schaffung einer einheitlichen, eventuell sogar neuen, den Geldüberhang abschöpfenden Währung bedeuten, die an eine Ankerwährung wie den US-Dollar oder an einen Währungskorb gebunden wäre. Die Beruhigung einer möglichst kurzen Inflationsperiode nach der Abschaffung der «libreta» müsste gekoppelt werden mit der freien, innerhalb eines knappen, aber präzisen neuen rechtlichen Rahmens stattfindenden Gründung von kleinen und mittleren Unternehmen sowie von Banken durch die Einwohner Kubas und durch dauerhaft zurückkehrende Exilkubaner. Daneben wäre die Öffnung für Importe voranzutreiben.
Der nächste, aufgrund des Verhältnisses zwischen Kuba und den USA schwierigste Schritt wäre die Privatisierung von staatlichem und kollektivem Eigentum an Land und Produktivvermögen. Besonders die Nickelminen und die touristische Infrastruktur dürften die Filetstücke sein. Hier ergäben sich Möglichkeiten für ausländische Direktinvestoren, die durch öffentliche Versteigerungen oder in direkten Kaufverhandlungen garantierte Eigentumspositionen erwerben könnten. Obwohl Castro bereits zum Amtsantritt Enteignungen des vorher auf Kuba investierten Kapitals und der in die USA geflohenen Kubaner durchführte, sollten bei der Privatisierung trotz den zu erwartenden heftigen Protesten keine Restitutionen stattfinden. Denn jede langwierige Klärung von Restitutionsansprüchen würde die wirtschaftliche Dynamik lähmen. Ebenso ist davon abzuraten, Betriebe an das bisherige Management oder an die Arbeiter zu verkaufen oder unentgeltlich abzugeben. Statt einer Orientierung an den Märkten würden nur eingefahrene und ineffiziente Strukturen konserviert und würde weiterhin auf staatliche Subventionen gehofft. Vielmehr sollte eine Rückgabe des Staatseigentums an das Volk mittels einer Gutschein-Privatisierung in Erwägung gezogen werden; bei landwirtschaftlichem Kollektiveigentum an Grund und Boden wäre an eine egalitäre Rückgabe an die Bauern zu prüfen.
Erst nach dieser Privatisierung wären die bei der Liberalisierung eingeführten, provisorischen gesetzlichen Rahmenbedingungen ausführlich zu formulieren und zu ergänzen. Dies sollte in einem Zug mit der Ausarbeitung einer neuen politischen Verfassung stattfinden. In Abhängigkeit vom gesellschaftlichen Konsens beim Durchschreiten des wirtschaftlichen «Tales der Tränen» sollte eine Sicherung des sozialen Minimums zumindest kurzfristig garantiert werden, um das neue System politisch zu stabilisieren. Eine Reform der sozialen Sicherung zu einem marktkonformen System setzte dann den Schlusspunkt der Transformation.
Gute Voraussetzungen für den Erfolg
Ob Kuba mit den vorgeschlagenen Reformen zum wirtschaftlichen Erfolg finden würde, hängt selbstverständlich auch von den Stärken und Schwächen des Landes ab. Jedoch reicht selbst ein kurzer Überblick aus, um eine Vielzahl positiver «Assets» zu identifizieren. Im Tourismus, einschliesslich des Gesundheitstourismus, ist Kuba bestens bekannt, auch in der westlichen Welt. Es liegt geographisch vor der Haustüre Amerikas, ist aber auch von Europa aus leicht erreichbar. Durch die spanische Sprache auf Kuba herrschen geringe Sprachbarrieren. Ebenfalls machen das hohe Bildungsniveau und die kulturelle sowie religiöse Homogenität der kubanischen Bevölkerung das Land für Touristen wie Investoren attraktiv. Castro rief zwar 2005 das Ende des Zuckerzeitalters auf Kuba aus, aber durch die neue Zuckerpolitik der EU könnten sich für die Zuckerwirtschaft Impulse ergeben - allerdings wäre die Industrie dann stark zu modernisieren. Neben dem jetzigen Hauptexportgut Nickel verfügt Kuba zudem über wenige, aber im Wert feine Exportgüter wie die legendären Zigarren. Hier wäre darauf zu achten, dass die gute Marktstellung nicht durch eine plötzliche Massenproduktion ruiniert wird. Und schliesslich ist auch die auf Kuba fehlende Schwerindustrie in gigantischen und ineffizienten Kombinaten ein Vorteil. Denn damit befindet sich kein Klotz am Bein der Wirtschaft, der die Arbeitslosigkeit in der Transformationsphase drastisch erhöhen würde und so den Erfolg des Übergangs gefährden könnte.
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