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Bei Mama in Havanna
Suedeutsche Zeitung
Ressort: Reise
URL: /reise/artikel/167/93074/article.html
Datum und Zeit: 03.12.2006 - 17:16
Kuba
Bei Mama in Havanna
Die meisten Touristen schließen sich in Hotelburgen ein. Das ist ein Fehler: Das Land lernt der Urlauber erst in kleinen Familienpensionen wirklich kennen.
Von Ralf Tögel
Wenn Emilio Cocktails mixt, scheint die Zeit stillzustehen. Eiswürfel aus der Truhe holen, in die kleine Maschine stopfen, die wie eine Kanone aussieht, warten. Neue Eiswürfel holen, Kanone laden, warten.
Die Kundschaft an der Bar interessiert ihn nur beiläufig. Es scheint, als kämpfe Emilio gegen einen imaginären Widerstand, als müsse er sich mit magnetischen Sohlen auf einem Metallboden fortbewegen.
Seine Mimik lässt vermuten, dass er von kleinen Stromstößen in Bewegung gehalten wird. Emilio leidet.
Trinkgeld darf er dennoch keines erwarten, die kleine Französin, die sich nach einem Mojito sehnt, verliert in ebenso kleinen Etappen die Contenance. Mit jeder Sekunde, die verstreicht, zappelt sie heftiger.
Wortlos nimmt sie nach einer Ewigkeit ihr Glas und geht. Aber selbst der böse Blick aus Frankreich lässt Emilio kalt.
Dabei ist Trinkgeld für Bedienungspersonal auf Kuba die wichtigste Einnahmequelle, auch wenn von Staats wegen der Dollar verboten wurde und der Peso an seine Stelle gerückt ist.
Ivan bekommt viel Trinkgeld, er hat die kapitalistischen Mechanismen, nach denen sich auch im sozialistischen Karibikstaat die Uhren drehen, verinnerlicht. Während der Kollege in Zeitlupe zur Eiswürfelmaschine schlurft, hat der kleine, flinke Kubaner alle Touristen an der Pool-Bar in Varadero mit Mojitos, Daiquiris oder Ron Collins versorgt.
Keiner zappelt, jeder gibt Trinkgeld.
So können Einheimische richtig gut verdienen, weshalb es schon mal sein kann, dass ein Arzt den Cocktail serviert, oder der Taxifahrer in seinem früheren Leben Recht gesprochen hat.
Das Hotel Meliá las Americás in Varadero ist eine von zahlreichen Anlagen, die wie Pilze aus dem Boden schossen, als Fidel Castro sein Land für Touristen öffnete.
Kooperationen wie diese mit der spanischen Hotelkette bringen dem Staat wichtige Devisen und dem Urlauber den gewohnten Luxus - in einem extrem armen Land. Das Lás Americás hebt sich von den üblichen Hotelbunkern ab, es offeriert bis auf wenige Stoßzeiten sogar Halbpension, was dem Gast das Stigma des Pauschaltouristen erspart - ein buntes Plastikarmband.
Tyrannosaurus Rex des Pauschaltourismus
Viereinhalb Sterne hat die Anlage nebst Golfplatz, die Klientel ist erfrischend niveauvoll. Dem klassischen All-Inclusive-Touristen begegnet man hier eher selten.
Es gibt ihn aber, und er ist schnell identifiziert, weil spätestens am frühen Nachmittag betrunken, immer laut, zumeist mit Sonnenbrand geschlagen - der Tyrannosaurus Rex des Pauschaltourismus.
Fausto stolpert schwer alkoholisiert bei klassischer Klaviermusik über den Marmorboden der großzügigen Cocktailbar in der Empfangshalle. Die Gäste tragen feine Garderobe oder was sie dafür halten und vertreiben sich die Zeit zum Abendessen mit einem Aperitif.
Fausto holt drei Plastikbecher Bier, zwinkert zwei jungen Damen im knappen schwarzen Cocktailkleid zu und zieht auf seinem Rückweg eine Bierspur nach draußen. Das ist so erbärmlich, dass es schon wieder lustig ist, wie eine Slapstick-Einlage.
Fällt die Zahl der Sterne eines Quartiers, scheint die der Tourismus-saurier proportional zu steigen.
"Das ist nicht Kuba", sagt Idalbel Sarduy.
Diese Hotelkomplexe sind abgeriegelt, Einheimische dürfen nur zum Arbeiten rein. Man kann in Kuba auf zwei Arten Urlaub machen. Entweder ohne Einheimische, in so einer antiseptischen Ferienanlage, oder auf eigene Faust Land und Leute entdecken.
Idalbel ist Koch, er bereitet für Farmarbeiter in der Gegend der Schweinebucht das Essen zu. Der Mann ist hilfsbereit.
Wenn Touristen ratlos neben der Autopista die Karte studieren, spricht er sie einfach an. Er tut dies nicht ganz selbstlos, denn seine Tante vermietet ein Zimmer; Idalbel kassiert dann eine kleine Provision und sitzt mit den Touristen da, trinkt Bier und erzählt von seinem Land.
Idalbel ist einer von wenigen Kubanern außerhalb der Touristenhochburgen, die Englisch sprechen. Er gibt nützliche Tipps, rät von einer Übernachtung an der Schweinebucht ab.
Er erzählt von Urlaubern, die wie eine Pizza Margherita ausgesehen hätten: "Mosquito-Attack." Die Schweinebucht hat neben herrlichen Sandstränden und felsigen Buchten auch einen Mangrovensumpf, was man wissen sollte. Idalbel ist ein typischer Kubaner, gastfreundlich und offenherzig.
Seit den späten neunziger Jahren lässt Fidel Castro Privatpersonen sogenannte "Casas Particulares" an Touristen vermieten. Etwa 170 Euro will Castro im Monat für dieses Privileg, eine ungeheure Summe bei Doppelzimmerpreisen von durchschnittlich 20 Euro, inklusive Essen.
Eine gute Belegung ist lebenswichtig und schwierig, denn nach wie vor bevorzugen die Fremden einen Urlaub ohne Kontakt zur kubanischen Bevölkerung in für sie geschaffenen Anlagen.
In den Casas ist Familienanschluss inklusive, gekocht wird von der Mama, gegessen mit der Familie. Und man kommt an Orte, die den Leuten mit den Plastikbändern glücklicherweise noch verschlossen bleiben.
Kuba ist zwar die größte Insel in der Karibik, touristisch aber nicht annähernd so erschlossen wie Costa Rica, die Dominikanische Republik, die Bahamas oder Jamaika.
Die touristische Randlage macht Kuba zu einer sicheren Insel, Touristen können sich überall zu jeder Zeit gefahrlos bewegen. Die halbe Altstadt Havannas hat zwar kein elektrisches Licht, wer sich nachts verläuft, dem droht dennoch kein Ungemach. Irgendein Einheimischer geleitet einen ins Licht, freilich in der Hoffnung auf eine monetäre Danksagung.
Auf Jamaika sei das schrecklich, erzählt Wilfredo Campbell. Er hat dort seine Mutter besucht, die Nachbarinsel hat ihm aber überhaupt nicht gefallen. Wilfredo ist gelernter Elektriker, spricht sehr gut Englisch und Italienisch und ein bisschen Französisch.
Das prädestiniert ihn zum Fremdenführer. Er begleitet Touristen, die auf Kutschen die Hauptstadt erkunden, deren Gegensätze kaum krasser sein können, Reichtum und Armut, Hektik und Gelassenheit.
Wie im Flug vergeht die Zeit an der Placa Central, wenn man unter den Arkaden des Hotel Inglaterra bei einem Mojito und einer guten Zigarre das pulsierende Leben beobachtet. Kuba zahlt einen hohen Preis für seine politische Überzeugung, Entbehrungen bestimmen das Leben der Einwohner.
Wilfredo gibt dem Staatschef nicht mehr viele Jahre, dann werde er das Zeitliche segnen und damit einer goldenen Zukunft nicht mehr im Wege stehen.
Der 25-Jährige glaubt fest daran, dass die Insel endlich ihre Ressourcen ausschöpfen kann, mit dem Ausland geschäftlich kooperiert, ohne Schaden zu nehmen. Es ist müßig zu spekulieren, ob sich mit dem bevorstehenden Tod Fidel Castros alles zum Besseren wenden wird.
In Sachen Massentourismus ist diese Frage einfach zu beantworten: sicher nicht.
(SZ vom 30.11.2006)
Leserkommentare
01.12.2006 14:18:19
Hermw928: Aber dann bitte mit einem prallen Geldbeutel...
RAUS AUS DEN HOTELBURGEN! WAS VON LAND UND LEUTEN KENNEN LERNEN... Gute Idee - hatte ich auch vor, als ich mir im Oktober, nach Abschluss meines Studiums etwas gönnen wollte und das Geld für einen Kubaurlaub zusammengekratzt habe. Pauschalreise gebucht (Hotel in Varadero), aber das sollte nur die Ausgangsbasis für Touren auf eigene Faust werden. Nach Akklimatisierung ging es am dritten Tag auf nach Havanna "der Perle der Karibik" - wie es überall so schön heißt. Die Fahrt dahin mit einem einheimischen Linienbus war auch in Ordnung (10 Euro pro Person, im klimatisierten Reisebus), aber dann ging die Abzocke los. Havanna hat schöne Ecken. Toll renoviert, die den Glanz der Kolonialzeit zeigen. Aber diese Ecken sind nicht besonders zahlreich und touristisch, wie der Marienplatz beim Glockenspielleuten. Geht man dort was trinken, sitzt man nur neben anderen Touristen, zahlt für seine Cola 5 Euro, etc... Geht man 2 bis 3 Straßen aus dem renovierten Alt-Havanna heraus, wo man auch auf Kubaner trifft, so hat man das Gefühl, man befindet sich in einer Stadt, direkt nach dem Krieg. Eingefallene Häuser, dreckig, etc... Vielleicht hatte ich zu hohe Erwartungen, aber nach Artikeln wie dem obrigen, hatte ich auf eine Stadt und ein Land gewartet, das von Flair und Stimmung nur so überkocht. Wo man sich einfach mal hinsetzen, einen Cuba libre trinken und die Stimmung geniessen kann. Das habe ich leider vergebens gesucht... Das schlimmste an meinen Erfahrungen war, das ich immer das Gefühl hatte, von den Kubanern nur als wandelnder Geldbeutel betrachtet zu werden. Wenn ich (abseits der Touristenecken) für eine (kleine) Pizza, eine Cola und ein Bier 18 Euro auf den Tisch lege (wobei es sich um fast 2 Monatsverdienste eines Kubaners handelt), komme ich mir nicht nur abgezockt vor, sondern nicht respektiert... Und diese Erfahrungen musst ich in Kuba überall machen, sobald ich versucht habe aus der "Hotelburg" herauszukommen. - 5 Minuten Taxifahren für 10 Euro (nach "handeln") - Tagestour mit Katamaran mit 50 Touristen die auf einem kleinen Boot zusammengepackt werden für 80 Euro - Tropical Show in Havanna 70 Euro... Ich denke zwar nicht, dass man das den Kubanern vorwerfen darf - weil für die sind wir nunmal alles reiche Geldsäcke - aber wenn man Kultur, Flaire, etc. im Urlaub möchte, würde ich Europa (Italien, Frankreich, Spanien, ...) jederzeit vorziehen. Und einen schönen Badeurlaub gibt es billiger, als auf Kuba. Und sogar das Tauchen, ist andererorts nicht nur billiger, sondern sogar schöner - nicht nur, weil auf Kuba die Ausrüstung völlig überaltet und schlecht gewartet ist (zumindest habe ich noch nirgendwo anders Flaschen bekommen, aus denen ganze Rostpropfen entgegenschossen), sondern weil hier im Gegensatz zu anderen Ländern bei jedem Tauchgang der Anker mitten ins Korallenriff geschmissen wird und diese bereits ziemlich heruntergekommen sind. Aber jeder soll seine eigenen Erfahrungen machen - vielleicht habe ich ja auch einfach nur Pech gehabt... Kurzum: Kuba hat schöne Ecken - aber Touristen werden (teilweise staatlich organisiert) ausgenommen. Ich zumindest habe noch kein anderes Land erlebt, bei dem man sowohl zur Einreise (normal), als auch zur Ausreise jeweils 25 Euro bezahlen muss... Wem das Geld also locker sitzt, wer sich nicht ärgert geschröpft zu werden, der kann getrost nach Kuba fahren. Jeder andere sollte es sich überlegen, ob er nicht vielleicht ein wenig Geld sparen möchte und Kultur in Europa, einen reinen Badurlaub in Ägypten macht, oder richtig Tauchen auf den Maledieven möchte...
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Castrocomunismo: Sistema asimétrico de desgobierno que para cada solución tiene un problema.
Democracia alemana: sistema de gobierno financiado con barril sin fondo a costa de germanos devotos y sumisos, a quienes se les cobra por valor agregado, aportes de solidaridad o impuestos politicos declarados por falta de competencia e ineptitud de sus politicos.
In Antwort auf:
Ich zumindest habe noch kein anderes Land erlebt, bei dem man sowohl zur Einreise (normal), als auch zur Ausreise jeweils 25 Euro bezahlen muss.
Habe die letzten Male, weder bei der Einreise, noch bei der Einreise was bezahlt, sondern die Fluglinie bezahlte die TAX.
Man sollte wohl die richtige Fluglinie auswählen.
"Habe die letzten Male, weder bei der Einreise, noch bei der Einreise was bezahlt, sondern die Fluglinie bezahlte die TAX."
Das zahlt dann der Geschäftsführer aus seiner eigenen Tasche, bevor die Fluglinie in Verruf gerät das auf die Preise aufzuschlagen.
-------------------------------------------------
Es lo que hay!
"für eine (kleine) Pizza, eine Cola und ein Bier 18 Euro auf den Tisch lege ..."
bist du bescheuert ... das meine ich im Ernst. Auf solche Deppen wie dich wartet ganz Kuba.
Oder wars im Hotel Nacional? Dann nehme ich meine Behauptung mit dem Ausdruck des Bedauerns zurück (aber nur dann).
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