Auf dem Pferd zu den Patienten

07.05.2006 01:11
avatar  ( Gast )
#1 Auf dem Pferd zu den Patienten
avatar
( Gast )

"Gesundheit für alle" in Kuba
Auf dem Pferd zu den Patienten

Das Bildungs- und Gesundheitssystem ist der Stolz der kubanischen Regierung. "Gesundheit für alle" lautet das Credo. Mit Herz und missionarischem Eifer ist auch der Arzt Heriberto im Einsatz. Manchmal allerdings muss er Rückschläge verkraften.

Von WDR-Korrespondent Arnim Stauth

Wenn am Morgen die Hähne krähen, erwacht auch die Gesundheitsstation. Oben wohnt der Arzt, unten ist die Praxis. Krankenschwester und Arzt betreuen etwa 300 Menschen. Der Doktor heißt Heriberto. Die kommunistische Partei hat ihn ausgewählt, und zwei Aufpasser begleiten uns auf dem Weg zu seinen Patienten. Wir haben einen steifen Funktionär erwartet, aber Heriberto erweist sich als Arzt mit Herz und missionarischem Eifer.

Das Bildungs- und das Gesundheitssystem sind der Stolz der kubanischen Führung. Heriberto hat uns erzählt, dass die Lebenserwartung in Kuba fast so hoch ist wie in den USA und die Kindersterblichkeit sogar ein bisschen niedriger. Zahlen der Uno bestätigen das. Graffiti zur 50-Jahr-Feier des Revolutionsbeginns (Foto: AP) Großansicht des Bildes [Bildunterschrift: Graffitis feiern den "Sieg der Revolution"]
"Gesundheit für alle"

Bis zur Revolution 1959 gab es für die Arbeiter auf den Zuckerrohrplantagen, die "Campesinos", keine Ärzte. Fidel Castro und Che Guevara aber versprachen Gesundheit für alle. So ruft Heriberto alle Mütter mit Säuglingen zur Gesundheitserziehung. Der Arzt erklärt mit einfachen Worten, wie die Mütter ihre Babies schützen sollen vor Infektionen und Parasiten. Viele Hütten der Bauern stehen auf der blanken Erde. Staub und die Exkremente von Haustieren könnten die Kinder infizieren. So mahnt Heriberto seine Campesinos zu strenger Hygiene.
Hoch zu Ross auf Patientenbesuch

Nachmittags macht er Hausbesuche. So selbstverständlich der Arzt anderswo ein Auto hat - so selbstverständlich hat Heriberto in Kuba keines. Er ist mit dem Pferd unterwegs. Er sorgt sich um eine junge Mutter, die am Morgen nicht zum Säuglingskurs erschienen ist. Der Arzt hat richtig vermutet, die junge Mutter ist krank. Den Kurs einfach schwänzen - das würde niemand tun. Das neugeborene Mädchen ist ein bisschen früh gekommen, aber kerngesund. "Dieses Kind ist wunderschön", sagt Heriberto. Er lobt die Mutter und die ganze Familie. Alles ist frisch und sauber, seine Ermahnungen sind gehört worden. "Schöne Momente in meinem Beruf erlebe ich zum Beispiel bei dieser Mutter", sagt der Mediziner. "Wenn man eine Frau vom ersten Tag an betreut, und wenn das Kind dann gesund ist. Wenn man alle zusammen glücklich sieht, so wie hier in dieser wunderbaren Familie. Das ist deshalb so schön, weil meine Leistung ein Teil dieses Erfolgs ist", erklärt er.
"Träume der kubanischen Revolution sind erfüllt"

Für Heriberto sind die Träume der kubanischen Revolution heute Wirklichkeit. "Che Guevaras Ideal war der 'Neue Mensch'. Der sollte seine Erfüllung finden als Diener des Volkes, anstatt rücksichtslos Geld zu scheffeln", so Heriberto. Diesem Menschenbild möchte er entsprechen. Er glaubt an die moralische Überlegenheit des Sozialismus. Großansicht des Bildes Grafik: Straße in Havanna / Kuba]

Das Paradies blieb ein leeres Versprechen. Doch die meisten Campesinos sind heute ganz zufrieden. Tatsächlich hat ihnen der Sozialismus Schulen, Ärzte und ein bescheidenes Auskommen gebracht. So mancher vergisst darüber, dass es in Kuba weder Demokratie noch Pressefreiheit gibt.

Kubas Medizin ist billig. Denn Vorsorge geht vor Behandlung, und teure Therapien bringen keinen persönlichen Gewinn. "Wenn heute einer krank wird, egal wer, dann wird er ins Krankenhaus gebracht, und da geben sie ihm Medizin", sagt Heriberto. Und früher, was ist da passiert? "Da sind sie gestorben, einfach gestorben", sagt er. Und für was sonst noch fehlte das Geld? "Einfach zum Leben fehlte das Geld. Früher waren die Geschäfte voll mit allem. In der Metzgerei hing Fleisch am Haken, es gab Bohnen und Reis, einfach alles." Aber was nützt das, wenn du kein Geld hast, um einzukaufen? "Siehst Du, das war doch das Problem."
"Wenn uns ein Leben entgleitet, ist das ganz schwer"

Dieser Tag im Leben Heribertos hatte alles, was ihn glücklich macht. Doch er endet mit einer furchtbaren Niederlage. Eine junge Lehrerin ist gestorben, an einer Blinddarmentzündung. Heriberto besucht ihre Eltern. Die Familie hatte den Revolutionstag gefeiert, da wollte die Kranke mit ihren Bauchschmerzen nicht stören. Dabei hätte es nur fünf Minuten gedauert, Heriberto zu holen.

Arnim Stauth (Archivbild 1999) (Foto: WDR) Großansicht des Bildes [Bildunterschrift: ARD-Korrespondent Arnim Stauth]
Tausendmal hat er ihnen gesagt, dass er immer für sie da ist, auch mitten in der Nacht. "Drei Fragen stellen", sagt Heriberto, "einmal mit dem Finger auf den Bauch drücken, und ich hätte gewusst, was zu tun ist. Ich bin am Boden zerstört. Die Aufgabe von uns kubanischen Ärzten ist doch der Schutz des menschlichen Lebens. Und wenn uns ein Leben so entgleitet, das ist ganz ganz schwer."

Heriberto wird den Bauern ins Gewissen reden, damit sie etwas lernen aus diesem tragischen Tod.

Quelle: http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,1185,OID5500452_TYP6_THE_NAV_REF1_BAB,00.html


 Antworten

 Beitrag melden
Seite 1 von 1 « Seite Seite »
Bereits Mitglied?
Jetzt anmelden!
Mitglied werden?
Jetzt registrieren!