Kein "Totalitärer" aus dem Bilderbuch

12.01.2006 13:48
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Rey/Reina del Foro

Hugo Velarde
Kein "Totalitärer" aus dem Bilderbuch

An politischer Schlagkraft alles übertreffend, was es bis dahin an Wahlerfolgen gab, hat die bolivianische Linke am 18. Dezember 2005 einen auch für ganz Lateinamerika einmaligen Sieg errungen. Der indianische Führer Evo Morales von der Bewegung zum Sozialismus (MAS) hat wider Erwarten 54 Prozent der Stimmen, die absolute Mehrheit, erreicht. "Ein wahrhaft tellurisches Ereignis" - kommentierte am nächsten Tag in Cochabamba die Zeitung Los Tiempos - "dem ein Nachbeben in Lateinamerika folgen wird."

Nicht nur aus den Anden-Höhen, wo die indianische Bevölkerung zahlenmäßig und kulturell vorherrscht, schöpfte Morales seine Mehrheit, auch aus den subtropischen Tälern, wo - wie in Santa Cruz de la Sierra - die spanischstämmige Bevölkerung überwiegt. Solch ein überwältigender Sieg war kaum vorherzusehen, auch nicht von den MAS-Anhängern. Morales selbst rechnete mit höchstens 40 Prozent. Inzwischen weiß man, dass sich die Ärmsten des Landes auch der Unterstützung jener Mittelschichten sicher sein konnten, die Korruption, Misswirtschaft und Ausverkauf der nationalen Ressourcen satt haben.

Hatte Gonzalo Sánchez de Lozada 1993 in rechtspopulistischer Manier mit Víctor Hugo Cárdenas einen Indio zum Vizepräsidenten auserkoren, so siegte Morales mit einem weißen Mathematiker und Soziologen, dem in der MAS geschätzten Intellektuellen Alvaro García Linera, der nach eigenem Bekunden vor seinem politischen Aufstieg "auf dem 4.000 Metern hoch gelegenen Altiplano bei kilometerlangen Läufen seine Lunge auf die Probe stellen musste, um der indigenen condition humaine gerecht zu werden."

In einem bunten Pullover

Mehr als 35 Jahre nach dem knappen Sieg von Salvador Allendes Unidad Popular in Chile, die 1970 mit 36,6 Prozent der Stimmen im Nationalkongress kaum regieren konnte, setzt in Bolivien eine Neuauflage von "Sozialismus in Demokratie" ein, von der Allende nur träumen konnte. Der 46-jährige Evo Morales gesellt sich zu Fidel Castro und Hugo Chávez. Diese drei, die zugleich drei Generationen im Kampf um Gerechtigkeit, Selbstständigkeit und Sozialismus in Lateinamerika verkörpern, bilden eine Achse der Auflehnung gegen das ins Wanken geratene Imperium der Nordamerikaner. Dazu kommen zwar moderatere, aber wichtige Bündnispartner wie der regierende Linksperonist Nestor Kirchner in Argentinien und der sozialistische Präsident Tabaré Vasquez in Uruguay, "Lula" da Silva in Brasilien und - voraussichtlich - die gemäßigte Sozialistin Michelle Bachelet in Chile. Auch Mexikos Subcomandante Marcos aus dem Lakandonischen Urwald in Chiapas hat von Morales´ Sieg profitiert, zeigt doch Bolivien exemplarisch, dass die indigene Bevölkerung mit einem linken Programm die politische Macht erringen kann.

So abstrakt scheint die Utopie nicht zu sein, ...
http://www.freitag.de/2006/02/06020301.php

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