Ausschaltung der Esser

03.04.2005 20:48
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Ein Überblicksband über die Geschichte des US-Imperialismus in Lateinamerika

Nimmt man Luis Suárez Salazars Buch »Lateinamerika und die Karibik: Ein halbes Jahrhundert Verbrechen und Straffreiheit der USA« zur Hand, bekommt man einen Eindruck von den Veränderungen, aber auch Kontinuitäten in den 28 Staaten südlich der bestgeschützten Grenze der Welt, derjenigen zwischen den USA und Mexiko.

Salazar schildert detailliert die Geschichte der demokratischen und antiimperialistischen Bewegungen Lateinamerikas in Konfrontation mit dem US-Imperialismus seit dem Zweiten Weltkrieg. Hervorhebenswert sind die zahlreichen Fotos aus dem Archiv der kubanischen Presseagentur Prensa Latina sowie dem Archiv der Tageszeitung Juventud Rebelde. Der Professor für Sozialwissenschaften und Experte für internationale Beziehungen der Universität Havanna analysiert die US-Strategie, ohne das komplizierte Verhältnis von Dekolonisation und Hegemonie auf die einfache Frontstellung Lateinamerika gegen USA zu vereinfachen. Er zeigt vielmehr, wie leicht die USA zur Durchsetzung ihrer Interessen immer wieder lateinamerikanische Partner fanden und finden.

Intensiv beschäftigt sich Salazar mit den 90er Jahren und den 1994 unter US-Präsident William Clinton installierten gesamtamerikanischen Treffen, die zum Instrument neoliberaler »Globalisierung« wurden. Während 1994 noch von Abrüstung, Entschuldung und gemeinsamer Entwicklung die Rede war, wurde auf dem zweiten Treffen im April 1998 in Santiago de Chile der Grundstein für die gesamtamerikanische Freihandelszone ALCA gelegt. Die groß angekündigten Programme zur Armutsbekämpfung blieben auf der Strecke oder wurden erst gar nicht begonnen.

Mit vielen Beispielen verdeutlicht Salazar, daß die 90er Jahre für Lateinamerika ein weiteres verlorenes Jahrzehnt sind. Die ökonomischen und ökosozialen Bedingungen verschlechterten sich weiter, die Löhne sanken, die Staatsverschuldungen verdoppelte sich, zunehmend wurden die gesellschaftlichen Ausschließungsmodelle der westlichen Länder übernommen. Salazar spricht von »Demokratien der sozialen und rassistischen Apartheid«.

Der großformatige, leider nicht besonders gründlich redigierte Band, erlaubt einen Einblick in den Stand der politischen und wissenschaftlichen Diskussion auf Kuba. »Friedhofsruhe« – so der Name eines Fotokapitels im Buch – konnten die USA und ihre Partner nicht wie beabsichtigt durchsetzen, konstatiert Salazar schließlich. Nach seiner Auffassung ist die dauerhafte Konsolidierung der neokolonialen Herrschaft, wie sie nach 1945 in großen Teilen Lateinamerikas errichtet wurde, nicht möglich: »Das Imperium ist besorgt: da es nicht imstande ist, das Brot zu vermehren, tut es alles, was in seiner Macht steht, um die Esser auszuschalten.«

* Luis Suárez Salazar (Hrsg.): Lateinamerika und Karibik: Ein halbes Jahrhundert Verbrechen und Straffreiheit der USA (1948-1998). Zambon Verlag, Frankfurt/M. 2004, 208 Seiten, 35 Euro

http://www.jungewelt.de/2005/04-04/012.php


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