Schwierige Kino-Zeiten in Kuba

22.12.2004 08:49
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Rey/Reina del Foro

Schwierige Kino-Zeiten in Kuba

Filmfestival Havanna 2004 Ein geschrumpfter Grossanlass mit Schweizer Präsenz


Das wichtigste Filmfestival Lateinamerikas hat schon bessere Zeiten erlebt. Traditionell «starke» Filmländer fehlten, dafür kam beim Hauptpreis ein «exotisches» Land wie Uruguay zum Zug – und in der Länderreihe auch die Schweiz.

Geri Krebs, havanna

Die 26. Ausgabe des «Festival internacional del Nuevo Cine Latinoamericano» (7.–17. Dezember) wird als eine der schwierigsten in die Geschichte eingehen. Joel del Rio, Kubas Starkritiker bei der Tageszeitung «Juventud Rebelde», hielt sich nicht zurück beim Resümee über das Filmfestival von Havanna. Für hiesige Verhältnisse ungewöhnlich direkt und deutlich kritisierte er die chaotische Organisation, logistische Mängel und schwache inhaltliche Ausrichtung des Anlasses, der für Lateinamerika immer noch als die wichtigste Werkschau der aktuellen Filmproduktion gilt.

In der Tat war das diesjährige Stelldichein der Filmwelt in der kubanischen Hauptstadt gekennzeichnet durch einen geringeren Publikumsaufmarsch und eine reduzierte Zahl verfügbarer Kinosäle. Für ein ausgeprägtes Publikumsfestival, wie jenes von Havanna, ist das von nicht zu unterschätzender Bedeutung, denn es gab in der Vergangenheit Jahre, da vibrierte förmlich die ganze Stadt im Taumel einzelner Filme. Das Festival war damit ein Fenster zur Welt und in seiner Art für die Leute in Kuba einzigartig. Dieser Eindruck hat sich nun stark relativiert – auch wenn ein «Fenster zur Welt» durch den weitgehend verunmöglichten freien Zugang zum Internet wichtig wäre. Hier ist das Fernsehen eingesprungen, das seit diesem Jahr über vier Kanäle verfügt, eine für hiesige Verhältnisse schon stolze Zahl. Seine verstärkte Festivalberichterstattung veranlasste manchen Hauptstadtbewohner, sich das Geschehen zu Hause anzusehen. Statt sich dem unverändert prekären bis inexistenten öffentlichen Transportwesen anzuvertrauen.

Der grosse Wurf blieb aus

Auch wenn innerhalb des Wettbewerbs die starke Präsenz überzeugender argentinischer Filme – darunter neue Werke von Pablo Trapero, Lucrecia Martel oder Carlos Sorin – schon traditionell war und auch wenn mit dem zweitplatzierten «Machuca» des Chilenen Andrës Wood eine emotional anrühende Geschichte über eine Freundschaft zwischen zwei Schülern unterschiedlicher sozialer Herkunft am Vorabend von Pinochets Putsch die Herzen zu bewegen vermochte: Der grosse Wurf blieb in diesem Jahr aus.
Es gab weder einen Film von der universellen poetischen Ausstrahlungskraft des letztjährigen Gewinners «Sui-te Habana» noch einen mit der eruptiven Gewalt in Form und Inhalt wie «Amores Perros» – jenes Meisterwerk aus Mexiko, das im Jahr 2000 die Filmwelt des Kontinents aufwühlte. Natürlich sind unter den neuen prämierten Beiträgen Filme zu finden, die ansprechend, sympathisch und solide sind. So beispielsweise «Whisky», der mit dem Grossen Preis des Festivals ausgezeichnete und schon frühzeitig als Favorit gehandelte Beitrag der beiden jungen Uruguayer Juan Pablo Rebella und Pablo Stoll. Die Story von den zwei ungleichen jüdischen Brüdern mittleren Alters, die zusammen mit der Angestellten des einen für ein Wochenende ans Meer verreisen und wo der eine dem andern vorschwindelt, die Angestellte sei seine Frau und diese sich dann in den andern verliebt, ist von einer stillen und trockenen Komik, sodass der Film auch schon mit Kaurismäki oder Jarmusch verglichen wurde. Dabei ist «Whisky» mindestens so stark beeinflusst vom brillanten erzählerischen Minimalismus, der so manche argentinische Filme von Regisseuren der jüngeren Generation kennzeichnet.

Magischer Realismus aus der Schweiz

Böse Zungen behaupteten, der Niedergang des Festivals von Havanna sei auch daran abzulesen, dass – innerhalb der traditionellen europäischen Länderreihen – erstmals der Schweizer Film in Delegationsstärke präsent war. Als prägendes Erlebnis wird auf jeden Fall die geradezu euphorische Aufnahme durch das hiesige Publikum in Erinnerung bleiben, etwa bei Peter Luisis schräger Komödie «Verflixt verliebt» und bei Fredi Murers märchenhaftem «Vollmond». Der «magische Realismus» helvetischer Prägung kam selbst bei einem der Schöpfer der Gattung, dem Literaturmonument Gabriel Garcia Marquez, gut an. Er sah den Film an der Filmschule von San Antonio de los Baños, die von der Deza (Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit) während dreier Jahre unterstützt wurde.

«Whisky»: ab 20. Januar; «Machuca»: ab 24. Februar in den Schweizer Kinos.
Der Siegerfilm «Whisky» erzählt mit trockener Komik von einer seltsamen Dreierbeziehung – und läuft nächstens in der Schweiz. Trigon-Film

Quelle:http://www.zofingertagblatt.ch/pages/ind...b=mix&id=263845


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