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.von knut henkel
Sieben politische Gefangene hat die kubanische Regierung seit Ende November freigelassen. Dissidenten vermuten, dass diese Geste die Beziehungen zur EU verbessern soll.
Bis zum 14. Dezember wird die kubanische Regierung sicherlich noch weitere Dissidenten freilassen«, glaubt Tania Quintero. Die 62jährige Journalistin, die seit einem Jahr in der Schweiz im Exil lebt, freut sich, dass ihr Freund und Kollege Raúl Rivero wieder in Freiheit ist. Am letzten Novembertag wurde er gemeinsam mit Osvaldo Alfonso aus der Haft entlassen, angeblich aus gesundheitlichen Gründen. Das war die Begründung für die Freilassung von insgesamt sieben Oppositionellen der »Gruppe der 75« bis zum Wochenende.
So werden die 75 unabhängigen Journalisten und Oppositionellen in Kuba genannt, die nach einer landesweiten Razzia Ende März 2003 festgenommen und wenige Wochen später zu Haftstrafen zwischen sechs und 28 Jahren verurteilt wurden. Unter ihnen ist auch der prominente Lyriker und Gründer der unabhängigen Nachrichtenagentur Cuba Press, Raúl Rivero. Im September 1995 hatte er die Agentur mit einer Hand voll Kollegen gegründet. Meist telefonisch übermittelten sie ihre Artikel ins Ausland, vor allem in die USA, aber auch nach Spanien.
»Die Artikel wurden auf der Internetplattform Cubanet veröffentlicht, aber auch in Tageszeitungen wie dem Miami Herald oder dem spanischen El País«, erklärt Tania Quintero. Iván García verdient 25 US-Dollar pro Artikel, der auf der Webpage Encuentro de la Cultura Cubana veröffentlicht wird. Drei, vier Artikel schreibt er im Monat, und von dem Geld kann er mit seiner Familie leben. Er ist der Sohn von Tania Quintero, und nach wie vor schreibt er in Kuba über Kuba. Mittlerweile aber nicht mehr für Cuba Press, er arbeitet nun auf eigene Rechnung und ohne Kollegen im Hintergrund.
Auf maximal 30 schätzt er die Zahl der unabhängigen Kollegen, die es ihm gleich tun. 24 sitzen derzeit in Haft, viele haben aufgehört zu schreiben, und einige gingen ins Exil. Zu letztgenannten gehört Tania Quintero, sie hat Kuba im November 2003 verlassen. »Nachdem mir ein Mitarbeiter der Staatssicherheit ankündigte, dass ich im Gefängnis landen würde, kümmerte ich mich um die nötigen Papiere«, sagt die Journalistin, die bis Anfang 1991 für das kubanische Fernsehen arbeitete.
Auch ihr Freund Raúl Rivero hat ihr in einem Brief zur Ausreise geraten. Er will nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis wieder Artikel schreiben. »Ich bin ohne Auflagen entlassen worden und werde mein ganz normales Leben in Havanna wieder aufnehmen«, sagt der 59jährige. Er ist sich jedoch nicht sicher, dass man ihn lässt. Andere Dissidenten, die in der offiziellen Presse Kubas oft als »Söldner im Dienste des Imperiums« bezeichnet werden, sind mit Auflagen entlassen worden.
So zum Beispiel der Wirtschaftswissenschaftler Oscar Espinosa Chepe. Auch er hat geschrieben, und er wurde von den Beamten, die ihn am 29. November nach Hause fuhren, davor gewarnt, dass er zurück ins Gefängnis müsse, wenn er die Linie übertrete. So äußerte sich der 64jährige wenige Stunden nach seiner Entlassung gegenüber dem Miami Herald. In Kuba bleiben will auch Espinosa, während der Menschenrechtler Margarito Broche gehen wird.
Der 47jährige, der gemeinsam mit Espinosa und dem Physiker Marcelo López Bañobre entlassen wurde, leidet unter den Folgen eines Herzinfarkts und will sich im Ausland behandeln lassen. Mehrere Dutzend weitere Häftlinge der »Gruppe der 75« wurden in der vergangenen Woche nach Havanna transportiert. Einige von ihnen wurden nach medizinischen Untersuchungen wieder in die Gefängnisse im Landesinnern zurückgebracht, andere blieben in Havanna. Darunter auch Edel García, der am 2. Dezember entlassen wurde, am 6. Dezember folgte mit Jorge Olivera Castillo ein weiterer Journalist.
Sieben Gefangene waren bereits vor Ende November freigelassen worden, somit befinden sich noch 61 Mitglieder der so genannten »Gruppe der 75« in kubanischen Gefängnissen. Unter ihnen sind viele Mitglieder des Proyecto Varela, das für ein Referendum über die politische wie ökonomische Zukunft der Insel eintritt. Eine legale Möglichkeit, die in der kubanischen Verfassung verankert ist und die Hinterlegung von 10 000 Unterschriften beim Parlament erfordert. Zweimal haben die Aktivisten des Proyecto Varela bereits die nötigen Unterschriftenlisten dort abgegeben, doch eine Antwort hat Oswaldo Payá, einer der Initiatoren des Projekts, nie erhalten. Rund die Hälfte der 75 im März 2003 Verurteilten wird dem Proyecto Varela zugerechnet. Von ihnen wurde bislang allerdings niemand freigelassen.
»Alle hoffen auf weitere Freilassungen, und in Havanna kursieren Gerüchte, dass womöglich alle Dissidenten bis zum 14. Dezember freikommen«, meint Frau Quintero. Am 14. Dezember tagt die Europäische Kommission, und Kuba steht auf der Tagesordnung. Es könnte darüber entschieden werden, ob die Sanktionen gegen Havanna gemildert werden. Für eine ganze Reihe der EU-Mitglieder ist die Freilassung der 75 Voraussetzung dafür. So hat Frankreich an Kuba appelliert, »alle wegen Meinungsdelikten Inhaftierten« freizulassen.
Das sind allerdings nach Angaben von Elizardo Sánchez Santacruz, dem Präsidenten der Kubanischen Kommission für Menschenrechte und nationale Versöhnung, rund 300 Personen. Mitte voriger Woche lobte Frankreichs Präsident Jacques Chirac die spanische Initiative, die sich in Gesprächen mit den kubanischen Verantwortlichen für die Freilassungen eingesetzt hatte. Erst Ende November wurde der spanische Botschafter ins kubanische Außenministerium in Havanna einbestellt, womit die Beziehungen zwischen beiden Ländern wieder aufgenommen wurden. Am Tag darauf folgte bereits die Verlegung von 18 politischen Häftlingen nach Havanna, und wenig später kam es zu den ersten Freilassungen. Indirekt involviert ist auch Spaniens Präsident José Luis Zapatero. Er hatte im Wahlkampf explizit versprochen, sich für die Freilassung Raúl Riveros einzusetzen.
Für die Regierung in Havanna scheint die Freilassung von Oppositionellen eine Möglichkeit zu sein, das verfahrene Verhältnis zur EU zu normalisieren. Das hat auch ökonomische Auswirkungen, denn zahlreiche Kooperationsverträge zwischen EU-Mitgliedsstaaten und Kuba wurden wegen der Verhaftungswelle storniert. Angesichts des starken Drucks der USA auf die kubanischen Handelspartner ist die finanzielle Situation der Regierung Fidel Castros angespannt. Dissidenten in Havanna sehen darin einen Grund für das Entgegenkommen der Regierung. Sie setze die politischen Gefangenen wie Geiseln ein und erwarte ökonomisches Entgegenkommen.
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