Literatur & Lesen - - Vitrine Krimi Sozialroman mit Mord

Frankfurt/Main (AP) Teniente Mario Conde soll den Mord an einer jungen Chemielehrerin aufklären, die tot in ihrer Wohnung in Havanna gefunden wurde. Brisant wird die Sache, weil in der Wohnung Spuren von Marihuana gefunden werden. Drogen an der Schule also - was in vielen anderen Ländern nur noch für ratloses Schulterzucken sorgt, ist für das sozialistisch behütete Kuba ein echter Skandal.

Für einen fesselnden Krimi taugt dieser Plot nicht. Trotzdem ist Leonardo Paduras «Handel der Gefühle» kein schlechtes Buch. Der Autor zeichnet ein eindringliches Bild Kubas Ende der 80er Jahre. Einer Zeit, in der der Sozialismus nahezu überall in sich zusammenbricht und in Kuba zudem in eine tiefe Krise gerät, weil eine Gruppe von Leitfiguren des Innenministeriums und der Streitkräfte wegen Drogenhandels und Korruption angeklagt und verurteilt wird.

Paduras Gesellschaftskritik ist angenehm dezent, statt zu moralisieren, beschreibt er, lässt seinen Kommissar Conde die verschiedenen Gesellschaftsschichten erleben mit ihrer Gefühllosigkeit, Doppelmoral und Verlogenheit. Überhaupt ist die Figur Condes der größte Pluspunkt des Buches. Ein Polizist Mitte 30, der lieber Schriftsteller geworden wäre, zwischen Machismo und Sensibilität, einsam, melancholisch bis depressiv - einer, dem die Menschen und die Welt, in der er lebt, oft fremd und unverständlich vorkommen. Eine geschickte Form der Kritik und deswegen ist das Buch eben auch als Sozialroman gelungen und nicht als Krimi.

Padura, geboren 1955 in Havanna, studierte in seiner Heimatstadt Lateinamerikanistik und arbeitete zunächst als Journalist und Redakteur. «Handel der Gefühle» ist nach «Ein perfektes Leben» der zweite Teil der Tetralogie «Das Havanna-Quartett». Im Herbst soll Teil drei «Labyrinth der Maske» erscheinen, der vierte Band «Das Meer der Illusionen» ist für Frühjahr 2005 geplant. (Stephan Köhnlein)

(Unionsverlag, ISBN 3-293-00322-2, 255 Seiten, 18,90 Euro)

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