Der kurze Atem der Revolution

23.10.2004 20:20
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Rey/Reina del Foro

Der kurze Atem der Revolution
Er verhalf Fidel Castro zur Macht und war stolz auf die eigene Erbarmungslosigkeit Er wurde zur Ikone unzähliger Jugendbewegungen und starb den Märtyrertod Ein neuer Film verklärt den späteren "Commandante" als milden jungen Mann
von Adriano Sack


Ikone vieler Protestbewegungen: Ernesto "Che" Guevara
Foto: ddp

Hatte er wirklich bereits mit 16 Jahren 3000 Bücher gelesen, wie sein Vater später behauptete? War er der "vollkommenste Mensch seiner Zeit", wie Jean-Paul Sartre schwärmte? Hat der Held am Ende um sein Leben gewinselt, wie seine Gegner kolportieren? Hat der schwer Asthmakranke nächtens unter Lebensgefahr den Amazonas durchschwommen, wie es Regisseur Walter Salles darstellt?

Zu den vielen Mythen, die interessierte Kreise um Ernesto "Che" Guevara de la Serna gewoben haben, kommt jetzt ein neuer, kraftvoller dazu: der Film "Die Reise des jungen Che", der von seinem ersten großen (Motorrad-)Trip durch den südamerikanischen Kontinent erzählt.

Es wird nicht der letzte Versuch sein, das Rätsel eines Mannes zu entschlüsseln beziehungsweise neu zu verrätseln, der die Hoffnungen, den Hass, die Bewunderung seiner Mitmenschen angefacht hat wie wenige im 20. Jahrhundert. In Kuba wird er noch heute verehrt wie ein Heiliger, auf Demonstrationen in europäischen Metropolen werden seine griffigsten Sprüche zitiert, der Sprachstilist Wolf Schneider reiht ihn in seinem Buch "Große Verlierer" zwischen Rainer Barzel und Heinrich Mann ein.

Ganz schön viel "Gedöns" (Gerhard Schröder) um einen Desperado, der zuletzt mit 49 Mitstreitern den südamerikanischen Kontinent befreien wollte und 1967 in Bolivien, wo sein militärischer Instinkt endgültig streikte, in einen Hinterhalt geriet, gefangengenommen und auf Geheiß der CIA erschossen wurde. Mit stolzen Worten hatte er sich ergeben: "Schießt nicht. Ich bin Che Guevara. Lebendig bin ich mehr wert als tot." Doch er endete wie ein Hund. Sein Leichnam war von den Schüssen so zerlöchert, daß das Formalin, mit dem man ihn haltbar machen wollte, einfach wieder aus dem Körper floß.

Was gibt es über diesen Mann heute noch zu sagen? Dutzende Biographien wurden bereits geschrieben, Filme gedreht, Zeitzeugen und Weggefährten, Kinder und Ex-Geliebte befragt. Seine Revolution ist gescheitert, und Kubas Schicksal scheint besiegelt: Nach dem Tod des Máximo Líder wird es werden, was es einst war: die Hinterhofkaschemme der USA mit Zigarren, Rum, Glücksspiel und billigem Fleisch. Es sei denn, Wim Wenders macht aus der Insel einen großen musikalischen Vergnügungspark namens "Buena Vista Social Club".

Der brasilianische Regisseur Walter Salles sieht das nicht ganz so defätistisch. Schon in seinem Film "Central Station", in dem ein Waisenknabe mit einer verbitterten älteren Frau durch Brasilien fährt und seinen Vater sucht, zeigte er sich als ein Meister des sentimentalen Road-Movie. Die Reise durchs Land ist ihm nicht nur Metapher der Selbsterkundung seiner Protagonisten, sondern auch Marketinginstrument für Südamerika. Das Reisereportagehafte seiner Bilder scheint durchaus beabsichtigt: Salles will den Zuschauer im altmodischen Sinne überwältigen, verführen, läutern. Das gelingt ihm auch mit der "Reise des jungen Che". Ernesto Guevara (Gael García Bernal, siehe Interview), ein angehender Mediziner, und sein bester Freund Alberto Granada (Rodrigo de la Serna) machen sich auf, um Land, Leute - vor allem die weiblichen - zu erkunden. Das ist manchmal lustig, oft mühsam, und natürlich werden sie dabei, so will es das Filmgenre, ein bißchen erwachsen.

http://www.wams.de/data/2004/10/24/350512.html


Cuba-Reiseinfos
avenTOURa


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