Professor auf Visite im Musiklabor

04.07.2004 23:24 (zuletzt bearbeitet: 04.07.2004 23:25)
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Rey/Reina del Foro

Professor auf Visite im Musiklabor

KASSEL. Diese All Stars sind keine Altstars. Eine bemerkenswert junge Elitetruppe der kubanischen Musik präsentierte Bandleader Juan de Marcos González im Kasseler Kulturzelt unter dem programmatischen Titel „Cuba ahora“ - Kuba heute.



Ihre Botschaft: Die Zeit der Heldenverehrung im Olymp des Buena Vista Social Club ist endgültig vorbei. Kubas einzigartig vitale Musik muss sich auf den Weg machen, um nicht im musikalischen Denkmalschutz oder in Salsaclub-Monotonie zu erstarren. Als einer ihrer wichtigsten Impulsgeber ist de Marcos angetreten, eine Brücke zwischen den Musikgenerationen zu bauen.

Auf der Bühne ist „el professor“, wie ihn Sänger Leo Vera titulierte, ganz Kopf- und Konzeptarbeiter. Während die fünf Perkussionisten sich vorn in einen Schwindel erregenden Rausch spielen und tanzen und die Bläsersektion ein paar knapp dosierte metallische Anker in den Rhythmusstrom wirft, patroulliert de Marcos sparsamen Schrittes von einem Musiker zum anderen. Hier ein Kopfnicken, da ein knappes Einsatzzeichen - der Bandleader gleicht einem Laborwissenschaftler, wenn er nicht gerade selbst zur Tres-Gitarre greift oder ein spektakulärer rhythmischer Kurswechsel die ganz große Dirigenten-Geste erfordert.

Beim anfangs etwas unentschlossenen Publikum geht das Konzept schließlich auf: Frenetischer Beifall brandet durchs volle Zelt, um herausragende musikalische Einzelleistungen zu feiern - und einmal nicht, um sich über erfüllte Erwartungen zu freuen.

Allenfalls in Form koketter Zitate flechten die Virtuosen der 16-köpfigen Band noch die Standards der Großvätergeneration ein. Trompeter Tommy Lowry García paraphrasierte in einem Solo gar Beethovens Ode an die Freude. Auch so ein Urahn des musikalischen Traditionsfundus.

Ansonsten werden die Kernelemente klassischer Sones, Cha-Cha-Chas und Guaguancós von den All Stars unbekümmert und virtuos mit Kubas musikalischer Jugendkultur der Gegenwart verschmolzen. Der 26-jährige Sänger Tirso Duarte, herausragender Vertreter einer neuen Musikbewegung namens La Timba, machte mit seinem Sprechgesang glauben, dass der Rap in Kuba erfunden sein könne statt beim Klassenfeind jenseits der Floridastraße.

Bei seinen Singspielchen mit dem Publikum stimmte Duarte zum Ende des Konzerts hin den Lalala-Hymnus aus Gloria Gaynors Welthit „I will survive“ an. So hat es sich Juan de Marcos gedacht: Ja, Kubas Musik wird überleben. Auch wenn die Superabuelos, die geliebten Großväter, längst nicht mehr sind.

Quelle


Cuba-Reiseinfos
avenTOURa


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