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Und tschüss in der Domrep - bleihaltiger Walkampf
Und tschüss in der Domrep
Nach bleihaltigem Wahlkampf gewinnt der neoliberale Leonel Fernández die dominikanischen Präsidentschaftswahlen. von hans-ulrich dillmann, santo domingo
Nach Siegesfeier und Saufgelage kommen Katzenjammer und Kater. Auch die Dominikaner kennen diese Binsenweisheit. Trotzdem befand sich die Karibikrepublik seit Sonntag fast zwei Tage im nationalen Freudentaumel. Mit Feuerwerk und Autokorsos durch die Metropole Santo Domingo und die Provinzstädte feierten die Menschen die Wahlniederlage des derzeitigen sozialdemokratischen Staatspräsidenten Hipólito Mejía und den Sieg ihres »Löwen«: Leonel Fernández von der neoliberal gewendeten Partei der Dominikanischen Befreiung. Ab 16. August wird Fernández das Land regieren, in dem jährlich rund eine Viertelmillion deutsche Touristen Urlaub macht. Und dem Land einen neoliberalen Sparkurs verschreiben, der manchen der heute Siegestrunkenen nachträglich zusätzliche Kopfschmerzen bereiten dürfte.
Nach einem von Gewalttätigkeiten und Wahlunregelmäßigkeiten überschatteten Wahltag räumte Staats- und Regierungschef Mejía von der sozialdemokratischen Partei der Dominikanischen Revolution überraschend seine Wahlniederlage ein und erklärte den Konkurrenten zum Wahlsieger. »Der PLD hat gewonnen«, sagte der 53 Jahre alte Agraringenieur nach einer Sitzung in der Wahlzentrale seiner Partei, in der es zuging wie auf einer Beerdigung, wenn die ersten kondolierenden Familienmitglieder eintreffen.
Dem Endergebnis zufolge konnte der PLD-»Löwe« knapp 57 Prozent der Wählerstimmen auf sich vereinen. Nur 33,6 Prozent wollten mit Mejía »bessere Zeiten« erleben, wie sein Wahlspruch versprach. Der drittplazierte Eduardo Estrella von der rechtsgerichteten christlichsozialen Partei (PRSC) erreichte nicht einmal neun Prozent. Zum ersten Mal in der Geschichte des Landes konnten auch die im Ausland lebenden Dominikanerinnen und Dominikaner ihre Stimme abgeben.
Ein Novum in der langen Geschichte von Militärdiktaturen und Autokratenregimes, Wahlfälschungen und -manipulationen ist es allerdings, dass der amtierende Staatschef seinem siegreichen Gegner freiwillig die Amtsgeschäfte überlässt. Doch auch Mejía mitsamt seiner Revolutionspartei musste in der Wahlnacht zunächst deutlich gemacht werden, dass er den Wählerwillen zu respektieren und seine Niederlage zu akzeptieren habe. »Intensive Gespräche« und »diplomatischer Druck« hinter den Kulissen überzeugten Mejía davon, dass die »internationale Gemeinschaft« ein Verbleiben im Amt ohne Wählerlegitimation nicht akzeptieren werde. Während seiner Regentschaft hatte Mejía das vor zehn Jahren eingeführte Verbot einer zweiten unmittelbar folgenden Amtszeit ändern lassen und in seiner Partei seine erneute Kandidatur durchgesetzt. »Weil mir das Pöstchen Spaß macht«, erklärte er, nachdem er zuvor Ambitionen auf eine weitere Amtszeit dementiert hatte.
Während des Wahlkampfes hatten der Amtsinhaber und sein Herausforderer auch persönliche Diffamierungen und Angriffe nicht gescheut. Ein halbes Dutzend Menschen wurde bei Schießereien zwischen den rivalisierenden Parteien getötet, annähernd 100 Personen verletzt. Noch am Morgen des Wahltags kam es in einem Wahllokal im Süden des Landes zu einem Schusswechsel zwischen PLD- und PRD-Wahlbeobachtern, der drei Tote forderte.
In der Stunde des Sieges zeigt sich der Jurist Fernández versöhnlich. Er strecke seinem Widersacher einen Olivenzweig entgegen, sagte er. »Der Kampf ist vorbei.« Von nun an gehe es darum, die Dominikanische Republik aus der Wirtschaftskrise zu führen. Mit der Parole »Der Fortschritt kehrt zurück« hatte der 50jährige, der bereits zwischen 1996 und 2000 die Karibikrepublik regiert hatte, um Wählerstimmen geworben.
Die versöhnlichen Gesten waren taktisch motiviert, denn der neue Präsident wird mit einem sozialdemokratisch dominierten Parlament und Senat zusammenarbeiten müssen. Und das Urlaubsparadies in der Karibik ist von einer schweren Krise gebeutelt. Sinkende Touristenzahlen und der Anstieg der Erdölpreise führten zu einem Rückgang des Wirtschaftswachstums. Als die zweitgrößte Bank des Landes in betrügerischen Bankrott ging, übernahm die Zentralbank die Verbindlichkeiten in Höhe von 2,2 Milliarden Euro. Die Besitzer hatten das Kreditinstitut über Jahre hinweg regelrecht ausgeplündert und große Teile der Geldrücklagen ins Ausland transferiert. Wegen der wirtschaftlichen Instabilität waren zudem Milliarden Dollar in die USA abgeflossen.
In den vergangenen vier Jahren verdreifachte sich die Auslandsschuld auf umgerechnet 8,5 Milliarden Euro. Die Inflationsrate liegt nach Angaben der Zentralbank bei 53 Prozent. Die Preise für Grundnahrungsmittel haben sich im Vorjahr verdreifacht, die Löhne und Gehälter sind hingegen nur minimal angestiegen. Zwei Generalstreiks hatte Staats- und Regierungschef Mejía mit einem Großaufgebot an Polizei und Militär beantwortet, zwei Dutzend Menschen starben bei der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste.
Leere Staatskassen und eingefrorene Überweisungen von Internationalem Währungsfonds und Weltbank wegen nicht eingehaltener Sparmaßnahmen hatten Mejía im Vorwahlkampf nicht davor zurückschrecken lassen, Tausende von potenziellen WählerInnen in den Staatsdienst zu übernehmen. Gegen die Verpflichtung, ihn zu wählen, wurden an Motorradtaxifahrer rund 10 000 Krafträder für den öffentlichen Personenverkehr im Wert von rund 8,5 Millionen Euro verteilt, die Rückzahlung des Anschaffungspreises auf 84 Monatsraten verteilt. Eine schwere Hypothek für den Amtsnachfolger.
Der Wirtschaftskrise will Fernández mit einem radikalen Sparprogramm begegnen. Er werde Liegenschaften der Pleitebank und den noch verbliebenen Staatsbesitz an Investoren veräußern, kündigte Fernández an, der einst als junger Marxist in die Befreiungspartei eingetreten war. Die Reduzierung der Staatsausgaben, eine Reform des Steuerwesens, Zinssenkungen und einen Stellenabbau im öffentlichen Sektor sollen das Vertrauen des internationalen Finanzsektors in das Land zurückbringen und auch die rund drei Milliarden Dollar, die in den letzten Jahren ins Ausland geflossen sind, hofft der eher intellektuell und distanziert wirkende frühere Universitätsdozent.
Mit einem neoliberalen Wirtschaftsprogramm hatte Fernández dem Land bereits während seiner ersten Amtszeit eine Wachstumsrate von acht Prozent beschert, die höchste in ganz Lateinamerika. Allerdings habe, so kritisieren Wirtschaftsfachleute, die wirtschaftspolitische Großwetterlage ihn begünstigt. Von Korruption und Vetternwirtschaft war er aber auch nicht verschont geblieben. Das Wahlergebnis reflektiere nicht unbedingt den Beliebtheitsgrad von Fernández, meint der Politologe und Wirtschaftsanwalt Pedro Catrain. Das Votum für ihn sei eher ein »Plebiszit« gegen die unsoziale und korrupte Politik von Mejía.
Die in der Parteifarbe Lila gekleideten PLD-Anhänger fechten solche Analysen nicht an. Sie ließen aus den Lautsprecherboxen den Merengue-Ohrwurm »E pa’ fuera que van« dröhnen. Frei übersetzt: »Und tschüss!«
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