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Langusten für alle, Sex für niemand
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Langusten für alle, Sex für niemand
Radikale Macho-Sicht: Pedro Juan Gutiérrez "Schmutzige Havanna-Trilogie"
Saarbrücken. Kuba 1997, das heißt vor allem: Nichts funktioniert, alles verfällt, wenige haben eine Arbeit, von der sie sich notdürftig ernähren können, und das alternde Regime lässt keine kritische Öffentlichkeit zu. Pedro Juan Gutiérrez erzählt in seinem Roman "Schmutzige Havanna-Trilogie" von diesen unsäglichen Zuständen, die sich seit dem Zerreißen der Nabelschnur zur Sowjetunion dramatisch verschlimmert haben. Aber sein Roman - wenn man die Zusammenfügung vieler, meist autobiografischer Geschichten so nennen kann - lebt von einer ganz anderen Kost.
Auf über 400 Seiten werden Hektoliter von Sperma zum Spritzen gebracht. Die wirtschaftliche Hoffnungslosigkeit bringt die Menschen unterschiedlicher Hautfarbe nicht um ihre Sinnlichkeit. Die subtropische Atmosphäre ist ein ideales Klima für Lust und die Real-Fantasien eines Macho-Autors, dessen Vorliebe für Mulattinnen jeden Alters die Geschichten durchziehn. Selbst Senioren-Sex hat auf Kuba eine kraftvolle, immer auch virtuose Dimension.
Gutiérrez erzählt nicht von Liebe, sondern von der ursprünglichen sexuellen Begierde, die sich in allen denkbaren Varianten durch das Buch zieht. Masturbierende Spanner, homosexuelle Paare beiderlei Geschlechts, die unterschiedlichen, oft rassistischen Vorlieben verschiedener Menschen unterlegen einen auch politisch zu lesenden Gesellschaftsroman. Literatur aus der Sicht eines begnadeten Machos, geschrieben ohne oberflächliche Ironie oder irgendeinen Anflug von Selbstkritik, in dieser Krassheit nur akzeptabel, weil Tempo und Intensität der Sexualität den äußersten Kontrast zum Stillstand der kubanischen Gesellschaft abgeben, der Verfall bedeutet. Gutiérrez schreibt keine große Literatur. Sie lebt vielmehr vom Anachronismus einer Gesellschaft, deren Verdienste sich nur zwischen den Zeilen erschließen.
Der einzige unter den Roman-Figuren, der nicht lesen kann, ist ein 76-jähriger Mann. Sein Analphabetismus geht auf die Diktaturen vor Castro zurück. Er verkauft übrigens Bücher, von denen er nicht einmal den Titel lesen kann. Am schlimmsten ist der Dreck, der in den völlig überbelegten Häusern herrscht, in denen es nur selten Wasser gibt, deren Abwassersystem hoffnungslos überfordert ist, auf deren Dächern die Familien ihre Hausschweine halten, die Ratten nach sich ziehen. Einer verkauft schwarz Schweineleber. In Wirklichkeit handelt es sich um Menschenleber - der Mann arbeitet im Leichenschauhaus...
Das Buch ist sicher nicht als Konfirmationsgeschenk geeignet. Es transportiert über attraktiven, nicht immer appetitlichen Sex die Kritik an einer Gesellschaft, deren Zustand nicht nur von ihrer Führung zu verantworten ist. Mehr als einmal fragen wir uns, was sich verändern würde, wenn die kapitalistische Wettbewerbsgesellschaft dort einziehen würde. Langusten für alle? Sex für niemand? Sicher nicht. Wir wünschen dem Land am Ende einen friedlichen Übergang zu einer Zivil-Gesellschaft, in der das Abwasser auf den dafür vorgesehenen Wegen abfließt, ohne dass die so ursprüngliche Lust aneinander vergeht. Fromme Wünsche? Manche Figuren in der "Schmutzigen Havanna-Trilogie" ziehen ihre Hoffnungen aus einer Mischung von Religion und Aberglauben. Der Autor hält es mit körperlicher Entladung. Harald Loch
Pedro Juan Gutièrrez: Schmutzige Havanna-Trilogie. Roman, Hoffmann & Campe, 413 Seiten, 20.90 Euro.
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Radikale Macho-Sicht: Pedro Juan Gutiérrez "Schmutzige Havanna-Trilogie"
Saarbrücken. Kuba 1997, das heißt vor allem: Nichts funktioniert, alles verfällt, wenige haben eine Arbeit, von der sie sich notdürftig ernähren können, und das alternde Regime lässt keine kritische Öffentlichkeit zu. Pedro Juan Gutiérrez erzählt in seinem Roman "Schmutzige Havanna-Trilogie" von diesen unsäglichen Zuständen, die sich seit dem Zerreißen der Nabelschnur zur Sowjetunion dramatisch verschlimmert haben. Aber sein Roman - wenn man die Zusammenfügung vieler, meist autobiografischer Geschichten so nennen kann - lebt von einer ganz anderen Kost.
Auf über 400 Seiten werden Hektoliter von Sperma zum Spritzen gebracht. Die wirtschaftliche Hoffnungslosigkeit bringt die Menschen unterschiedlicher Hautfarbe nicht um ihre Sinnlichkeit. Die subtropische Atmosphäre ist ein ideales Klima für Lust und die Real-Fantasien eines Macho-Autors, dessen Vorliebe für Mulattinnen jeden Alters die Geschichten durchziehn. Selbst Senioren-Sex hat auf Kuba eine kraftvolle, immer auch virtuose Dimension.
Gutiérrez erzählt nicht von Liebe, sondern von der ursprünglichen sexuellen Begierde, die sich in allen denkbaren Varianten durch das Buch zieht. Masturbierende Spanner, homosexuelle Paare beiderlei Geschlechts, die unterschiedlichen, oft rassistischen Vorlieben verschiedener Menschen unterlegen einen auch politisch zu lesenden Gesellschaftsroman. Literatur aus der Sicht eines begnadeten Machos, geschrieben ohne oberflächliche Ironie oder irgendeinen Anflug von Selbstkritik, in dieser Krassheit nur akzeptabel, weil Tempo und Intensität der Sexualität den äußersten Kontrast zum Stillstand der kubanischen Gesellschaft abgeben, der Verfall bedeutet. Gutiérrez schreibt keine große Literatur. Sie lebt vielmehr vom Anachronismus einer Gesellschaft, deren Verdienste sich nur zwischen den Zeilen erschließen.
Der einzige unter den Roman-Figuren, der nicht lesen kann, ist ein 76-jähriger Mann. Sein Analphabetismus geht auf die Diktaturen vor Castro zurück. Er verkauft übrigens Bücher, von denen er nicht einmal den Titel lesen kann. Am schlimmsten ist der Dreck, der in den völlig überbelegten Häusern herrscht, in denen es nur selten Wasser gibt, deren Abwassersystem hoffnungslos überfordert ist, auf deren Dächern die Familien ihre Hausschweine halten, die Ratten nach sich ziehen. Einer verkauft schwarz Schweineleber. In Wirklichkeit handelt es sich um Menschenleber - der Mann arbeitet im Leichenschauhaus...
Das Buch ist sicher nicht als Konfirmationsgeschenk geeignet. Es transportiert über attraktiven, nicht immer appetitlichen Sex die Kritik an einer Gesellschaft, deren Zustand nicht nur von ihrer Führung zu verantworten ist. Mehr als einmal fragen wir uns, was sich verändern würde, wenn die kapitalistische Wettbewerbsgesellschaft dort einziehen würde. Langusten für alle? Sex für niemand? Sicher nicht. Wir wünschen dem Land am Ende einen friedlichen Übergang zu einer Zivil-Gesellschaft, in der das Abwasser auf den dafür vorgesehenen Wegen abfließt, ohne dass die so ursprüngliche Lust aneinander vergeht. Fromme Wünsche? Manche Figuren in der "Schmutzigen Havanna-Trilogie" ziehen ihre Hoffnungen aus einer Mischung von Religion und Aberglauben. Der Autor hält es mit körperlicher Entladung. Harald Loch
Pedro Juan Gutièrrez: Schmutzige Havanna-Trilogie. Roman, Hoffmann & Campe, 413 Seiten, 20.90 Euro.
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29.07.2002 23:12 (zuletzt bearbeitet: 30.07.2002 22:34)
(
Gast
)
#3 RE:Langusten für alle, Sex für niemand
(
Gast
)
Details
Hätte ich doch beinahe den url vergessen.
http://www.cubaencuentro.com/entrevista/2002/06/27/7691/3.html
http://www.cubaencuentro.com/entrevista/2002/06/27/7691/3.html
(
Gast
)
Details
30.07.2002 01:44
#6 RE:Langusten für alle, Sex für niemand
31.07.2002 00:41 (zuletzt bearbeitet: 31.07.2002 00:42)
#9 RE:Langusten für alle, Sex für niemand
In Antwort auf:
Ich weiß nicht, ob man das Buch überhaupt empfehlen darf. Ich habe jedenfalls zwei Tage nicht mehr klar denken können.
schmutzige Havanna Trilogie
redet Ihr über das Buch?
sowas hat Charles Bukowski schon vor 20 oder mehr Jahren geschrieben,so ein Aufreger ist das auch nicht!
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