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Buchbesprechung: Fidel und die Firma
Buchbesprechung: Fidel und die Firma
Eduardo Belgrano Rawsons Roman über die Schweinebucht
26. April 2007
Als der Stenograph das Stenographieren sein lassen muss, setzt er sich in Begleitung seiner Geldkoffer ins Ausland ab. Die Bartmänner nehmen die Hauptstadt ein. In Yuma aber sieht man das nicht gern. Der jüngst an die Macht gekommene Ire weist die Firma an, dem Treiben ein Ende zu bereiten. Bald tanzt der Weltkongress des Salsa durch die Nacht der Krokodile, erhellt allein durch Rosas Stimme, die zwischen den Boleros mit samtigem Timbre geheime Botschaften per Radio in die Sümpfe haucht. Doch binnen weniger Stunden findet der Tanz gewaltsam sein Ende, und bald muss der Ire ins texanische Gras beißen.
Reichlich rätselhaft macht sich diese Geschichte als Handlung eines Romans aus. Umso überraschender entpuppt sie sich, wenn klar wird, dass das wirre Märchen ein Bericht über den heißesten Augenblick des Kalten Kriegs ist: die Invasion in der Schweinebucht, welche die junge kubanische Revolution in die Arme der Sowjetunion und die Welt bald darauf an den Rand eines Atomkriegs trieb. Was den historischen Fakten ein solch fremdes Gewand verleiht, ist die Tatsache, dass sie hier mit den Codes von "Rosas Stimme" beschrieben werden, im Jargon der beteiligten Söldner und Geheimdienste, den der argentinische Autor Eduardo Belgrano Rawson für den Leser zu entschlüsseln weiß - und so zugleich Licht wirft auf die unbekannten Hintergründe eines allseits bekannten Ereignisses.
Der Abtritt des einstigen Stenographen und späteren kubanischen Diktators Fulgencio Batista sorgte, um die Ereignisse hier im Klartext noch einmal aufzurollen, für große Aufregung in den Vereinigten Staaten, "Yuma" genannt im Volksmund der Zuckerinsel. Scharen von betuchten Exilanten bilden von Miami aus eine politische Kraft, die Einfluss auf die Entscheidungen im Weißen Haus zu nehmen beginnt. Um der Lobby aus Florida entgegenzukommen, setzt der irischstämmige Präsident John F. Kennedy die CIA - so wie die verflossene DDR-Stasi oft auch nur "die Firma" genannt - darauf an, mit Hilfe eines kubano-amerikanischen Söldnerheers Castro in einer Nacht-und-Nebel-Aktion von der Macht zu putschen. Erzählt wird diese Schlüsselepisode der jüngeren Geschichte Lateinamerikas von Belgrano Rawson aber nicht etwa durch eine historische Chronik jenes 17. April 1961, sondern durch ein vielschichtiges Ensemble aus verstreuten Einzelgestalten, die allesamt in die Ereignisse in den Sümpfen der kubanischen Südküste involviert sind, wo die geplante Invasion ihren Anfang nehmen soll: Krokodilzüchter, Fischer und Mechaniker ebenso wie jugendliche Militante der Alphabetisierungskampagne, ehemalige Mitkämpfer Castros aus Guerrillazeiten, von der CIA auf dem Universitätscampus für den Einsatz angeworbene Akademiker, aber auch die Protagonisten der Weltgeschichte wie Fidel Castro, Che Guevara oder Malcolm X.
Ihre Schicksale verflicht der Autor in kunstvoller und, angesichts der monumentalen Figurenzahl, bewundernswert schlichter Weise. Den akustischen Hintergrund dazu bietet die erotische Stimme der titelgebenden Rosa - einst Prostituierte unweit der amerikanischen Militärbasis von Guantánamo, bekannt als der "Engel von Caimanera", nun Ansagerin der von der CIA auf einer verlassenen Mangroveninsel errichteten Sendestation "Radio Swann". Mittels ihrer vermeintlich schmachtenden Musikansagen übermittelt sie in Wahrheit militärische Befehle an die Söldnertruppen vor der Küste. Drohend hinter den historischen Ereignissen lauern also, wie Belgrano aufdeckt, allerorts die Seilschaften und Fallstricke der "Firma", deren Ziele sich mehr und mehr als die einer Gangsterbande entpuppen. Ob es sich nun um die Unterstützung der Somoza-Diktatur in Nicaragua handelt, um den als "Guatemalazo" zu trauriger Berühmtheit gelangten Staatsstreich der Militärs in Guatemala mitsamt den Hunderttausenden Todesopfern im darauffolgenden Bürgerkrieg, um die Beihilfe zur berüchtigten "Operation Condor", um Reagans Eingreifen in den nicaraguanischen Konflikt durch die Iran-Contra-Affäre oder um das Bombardement Panamas zum Zweck der Beseitigung des von Nixon noch protegierten Manuel Noriega: die "Firma" zieht eine Blutspur durch die Geschichte Lateinamerikas im zwanzigsten Jahrhundert, die Belgranos Roman über die Geschichten seiner Protagonisten in ihrem schwindelerregenden geographischen und ideologischen Zickzackkurs abzuschreiten weiß.
Um nicht ein reines politisches Sachbuch, ein journalistischer Bericht zu bleiben ...
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