Fidel ist nur einer

12.03.2006 09:36
avatar  dirk_71
#1 Fidel ist nur einer
avatar
Rey/Reina del Foro

»Castros Kuba erholt sich langsam, doch für die meisten gibt es keinen Grund zur Hoffnung

Castro und die Macht: Zwei unzertrennliche

Von Marco Morell

Wenn es darum geht, der Revolution zu helfen, spielt Franco Cavalli auch den Geldkurier. 5000 Franken in bar brachte er Anfang Februar nach Havanna mit, Geld für das Hilfsprojekt Medicuba, dessen Vizepräsident er ist. Das ist weniger kompliziert als eine Banküberweisung und billiger.

Der SP-Nationalrat hat in Kuba s o gute Kontakte wie sonst wohl niemand in der Schweiz. Bei seinem viertägigen Aufenthalt trifft er sich mit dem Aussen- und dem Bildungsminister sowie mit dem Zentralkomitee der Kommunistischen Partei. Kubanische Mediziner loben den Tessiner Krebsarzt in höchsten Tönen. Einige haben ihr Knowhow in dessen Spital in Bellinzona erworben. Nur die Tür zu Fidel Castro blieb ihm bisher verschlossen.



Cavalli kann also beurteilen, wie es um die Revolution steht. Seit er das letzte Mal da war, vor zwei Jahren, sieht er Zeichen der Besserung. «Ich habe das Gefühl, die Warteschlangen an den Bushaltestellen sind nicht mehr so lang. Was die Zukunft der Revolution betrifft, bin ich optimistischer als auch schon.»

Die Zukunft Kubas das ist das Leben ohne Fidel Castro. Die biologische Uhr des Revolutionsführers tickt unerbittlich. Selbst höchste Kader der Kommunistischen Partei machen sich inzwischen öffentlich Gedanken, wie es ohne ihn weitergehen soll.

Noch gibt es keine Zeichen eines Wandels. Alles bleibt auf den «comandante en jefe», den Oberkommandierenden, ausgerichtet. Wenn dieser in seiner grünen Militäruniform eine Veranstaltung besucht, begleiten ihn Jubelsprechchöre aus dem Publikum. Die Lehne des Sessels, auf dem er Platz nimmt, ist etwas höher als die der übrigen Anwesenden im Saal, damit auch wirklich niemand übersieht, wer hier der Chef ist.

Neuerdings sind in Havanna lustige kugelförmige Taxis zu sehen, angetrieben von einem Vespa-Motor. Wer sich darüber wundert und den Fahrer fragt, von wem die Idee für diese kubanische Eigenkreation stamme, bekommt als Antwort zu hören: «Natürlich von Fidel!»

Dank Chávez' Erdöl kommt die Wirtschaft wieder auf Touren

Das letzte Land der Welt, in dem der real existierende Sozialismus frei besichtigt werden kann ist dieses System erhaltenswürdig? Oder ist es ein Auslaufmodell, das nur noch Revolutionsnostalgiker zu entzücken vermag? Cavalli erhebt energisch Einspruch. «Ich komme immer mehr zur Überzeugung, dass es kein Zurück geben wird. Es wird nicht dasselbe passieren wie in der Sowjetunion. Gorbatschow ging als Verlierer in die Geschichte ein. Bei Fidel wird das nicht so sein.»

Als dieser am 1. Januar 1959 in Havanna den Sieg der Revolution verkündete, war Cavalli 16-jährig. Sein Herz schlug allerdings für einen anderen, für Che Guevara, den argentinischen Arzt und Rebellenkommandanten. Er verkörpert für ihn noch heute das Ideal einer Welt ohne Armut und ohne Klassenunterschiede.

«Kuba ist ein Vorbild für andere Drittweltstaaten», betont Cavalli. «Wir haben weltweit den Tiefpunkt des Rechtsrutschs überstanden. Jetzt schlägt das Pendel zurück. Am deutlichsten sieht man das in Lateinamerika. Ohne Kuba hätte es den dortigen Linksrutsch nie gegeben.»

In einem Staat nach dem andern werden linke Regierungen an die Macht gewählt. Mit Peru und Mexiko könnten dieses Jahr weitere Schwergewichte von diesem Prozess erfasst werden. Die Vision wird wahr, für die Che einst von Kuba aus in den Kampf gezogen war und für die er 1967 in Bolivien sein Leben liess, die Vision eines Subkontinents, der geeint nach sozialer Gerechtigkeit strebt und sich auflehnt gegen das «Imperium» USA.

Der Linksrutsch in Lateinamerika erfüllt die Regierung in Havanna mit Selbstbewusstsein. Die Allianz mit Venezuela ist zu ihrer Lebensader geworden. 20 000 kubanische Ärzte helfen dem venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez, seine Wahlversprechen zu erfüllen. Dieser verdankt es mit der Lieferung von verbilligtem Erdöl, von dem Kuba einen grossen Teil auf dem internationalen Markt verkauft und damit seine notorische Devisenknappheit lindert. Dank Chávez' Erdöl und den immer engeren Wirtschaftsbeziehungen zu China kommt die kubanische Wirtschaft wieder auf Touren, auch wenn unabhängige Ökonomen das für 2005 ausgewiesene Wachstum von 11,8 Prozent für unglaubwürdig halten.

In der Medizin, der Bildung und der Forschung kann sich Kuba mit manchem Industrieland messen. Mit einer Kindersterblichkeit von 5 Promille liegt es in Lateinamerika einsam an der Spitze. Jeder zweite 18- bis 24-Jährige studiert an der Uni. In der Biotechnologie gehört Kuba zu den Besten der Welt.

Davon will Cavalli profitieren. Bei seinem Besuch in Havanna schliesst er einen Vertrag mit einem Forschungsinstitut, in dem er sich verpflichtet, in Europa klinische Tests für ein in Kuba entwickeltes neues Krebsmedikament zu ermöglichen. Im Gegenzug erhält er das Recht, der Erste zu sein, der es anwenden darf.

«Solche Spitzenforschung finden Sie in keinem anderen unterentwickelten Land», betont Cavalli. Die Kubaner präsentierten ihm aber auch schon Medikamente, bei denen sie wichtige Tests unterlassen hatten, obwohl diese gemäss internationalen Standesregeln unverzichtbar sind. «Aus lauter Stolz, dass sie im Stande sind, den USA die Stirn zu bieten, neigen sie zur Selbstüberschätzung und vergessen, dass die Fähigkeit zur Selbstkritik das A und O der Wissenschaft ist.»

Es hat sich eine Kultur des Stehlens entwickelt

Der Umgang mit Kritik bleibt die grosse Schwäche des Systems. Nach Angaben der unabhängigen kubanischen Menschenrechtskommission hat im Jahr 2005 die Zahl der politischen Gefangenen von 294 auf 333 zugenommen. Der Ökonom Oscar Espinosa ist einer der 75 Dissidenten, die vor drei Jahren verhaftet wurden (vgl. Interview rechts). Ein Gericht verurteilte ihn zu 20 Jahren Gefängnis wegen «Handlungen gegen die Unabhängigkeit». Inzwischen befindet er sich wieder in Freiheit, aus gesundheitlichen Gründen; allerdings unter dem Vorbehalt, dass das Gericht ihn jederzeit in seine Zelle zurückschicken darf.

Das hindert ihn nicht, dem Eindruck, mit Kuba gehe es aufwärts, zu widersprechen. «Von der Hilfe aus Venezuela sehen wir nichts. Sie hilft nur der Regierung. Unser grösstes Problem ist, dass die Leute mit ihrem Einkommen nicht überleben können. Die Versorgung mit Medikamenten ist schlecht. Es hat sich eine Kultur des Stehlens entwickelt, die immer allgegenwärtiger wird.»

Benzin, Zigarren, Medikamente wer die Möglichkeit hat, zweigt Güter aus dem staatlichen Verteilsystem ab und verkauft sie auf dem Schwarzmarkt. Auch mit den Touristen wird eifrig geschum melt. Im Geldwechselbüro in einem der grossen Hotels in Havanna verschwindet das Kleingeld in den Taschen der Kassierer. Nur wer um einen Beleg bittet, bekommt es nachgeliefert.

In den «bodegas», den staatlichen Lebensmittelläden, ist das Sortiment so karg wie eh und je. Aber wenigstens ist es jetzt fast immer vollständig: Zigaretten, Kaffee, Öl, Seife für die Körperhygiene und für die Wäsche, Teigwaren, Salz, Milch und Fruchtkonzentrat. Alles andere muss im teuren Devisenladen, im «Shoppy», erworben werden.

Francisco Caballero, 32-jährig , muss eine Frau und zwei Kinder ernähren. «Mein Monatslohn reicht höchstens für ein paar Tage», klagt er. Was tut er, um die restlichen Tage des Monats zu überstehen? «Kämpfen! Es bleibt mir nichts anderes übrig, als durchz uhalten. Unsere Situation hat sich überhaupt nicht verbessert. Doch ich beklage mich nicht. Ich habe gelernt zu schweigen.»

Caballero startet den Motor des Gebläses, mit dem er Wohnungen in der Altstadt Havannas mit Insektenvertilger besprüht. Er klopft an eine Tür, erbittet Einlass und lässt Giftnebel aus seinem lärmenden Gebläse entweichen. Die Bewohner schauen amüsiert zu. Niemand trägt Schutzmasken oder verlässt das Haus, um abzuwarten, bis das Gift entwichen ist.

Mit den Sprühaktionen will die Regierung verhindern, dass sich das Denguefieber ausbreitet. Sie tut das gründlich und systematisch, im Dienst der Volksgesundheit, aber ohne Rücksicht auf das Wohl Einzelner. Schliesslich muss sie keinen Konsumentenschutz fürchten, der ihr unbequeme Fragen stellen könnte.

Auch Cavalli stört sich an den totalitären Auswüchsen des Systems. Die Parteizeitung «Granma» kauft er nur aus Mitleid mit dem Verkäufer. Nach zwei Minuten Lektüre legt er sie weg. «Gewisse Restriktionen der Freiheit» hält er zwar für nötig, wenn sich ein Land unter so schwierigen Bedingungen entwickeln wolle. Eine Kindersterblichkeit von nur 5 Promille sei schliesslich auch ein Menschenrecht. «Aber die Einschränkungen sind heute zu stark. Fidel hat den Moment zur Öffnung des Systems verpasst, in den Achtzigerjahren, als alles noch so gut ging.»

Damals besuchte Cavalli zum ersten Mal die Karibikinsel und fühlte sich «wie im Paradies», verglichen jedenfalls mit Nicaragua, wo er das krasse soziale Gefälle gesehen hatte, das die Militärdiktatur erzeugt hatte, und die Brutalität, mit der ein von den USA finanziertes Söldnerheer die sandinistische Revolution erstickte.

Cavalli hofft auf einen sanften Übergang nach Castro

Die Erfahrung in Nicaragua war für ihn traumatisch. «Wären die Sandinisten weniger grosszügig mit der Freiheit gewesen, gäbe es sie heute vielleicht noch. Die USA haben das schamlos ausgenutzt. Was haben wir heute? Strassenkinder, Hunger und so weiter.»

In Kuba hofft Cavalli auf einen «sanften Übergang» unter Castros Nachfolgern. Darunter versteht er eine wirtschaftliche und politische Öffnung, aber mit der nötigen Geduld und Vorsicht, damit die Errungenschaften der Revolution nicht gefährdet werden.

Dann stünde Kuba etwa dort, wo heute ein Land wie Chile steht, mit einem guten Gesundheits- und Bildungswesen, aber auch mit Demokratie und Freiheit.

Dann würde zutreffen, was Fidel Castro in Havanna auf riesigen Plakaten verkündet: «Vamos bien!» («Uns geht es gut!») Aber es bräuchte die staatliche Propaganda nicht mehr, damit das Volk davon erfährt.

Quelle:http://www.sonntagszeitung.ch/dyn/news/fokus/602620.html

Nos vemos
Dirk
---------------------------------------------
Das Infoportal zu Kuba (mit Bannertausch und Webkatalog):
http://www.mi-cuba.de // http://www.mi-kuba.com


 Antworten

 Beitrag melden
12.03.2006 09:55
avatar  el lobo
#2 RE: Fidel ist nur einer
avatar
Rey/Reina del Foro

In Antwort auf:
«Mein Monatslohn reicht höchstens für ein paar Tage», klagt er. Was tut er, um die restlichen Tage des Monats zu überstehen? «Kämpfen!


Er kämpft auch mit Büchsen und der damit verbundenen BESCHEIDENEN Einnahmequelle
weil am ENDE DES GELDES NOCH JEDE MENGE MONAT ÜBRIG IST.
MfG El Lobo


 Antworten

 Beitrag melden
12.03.2006 14:35
avatar  ( Gast )
#3 RE: Fidel ist nur einer
avatar
( Gast )

Wenn einer kämpft und der andere die Hände in der Jackentasche hat, was ist denn das?



 Antworten

 Beitrag melden
12.03.2006 18:01
#4 RE: Fidel ist nur einer
avatar
Forums-Senator/in

So ein Schwachsinn kann nur einer von der SP verzapfen. Der hatte seine Augen bestimmt nur auf die Cubanas gerichtet und damit in den 4 Tagen die Realität nicht gesehen.

Schade, dass ein so guter Arzt in der falschen Partei ist.


Saludos

El Cubanito Suizo


 Antworten

 Beitrag melden
12.03.2006 18:07
avatar  Chaval
#5 RE: Fidel ist nur einer
avatar
Rey/Reina del Foro

Ah, auch mal wieder da, wir Leute mit den rosaroten Brillen hatten uns schon gelangweilt ohne deine Kommentare!!


 Antworten

 Beitrag melden
12.03.2006 18:13
avatar  ( Gast )
#6 RE: Fidel ist nur einer
avatar
( Gast )

Zitat von Chaval
Ah, auch mal wieder da, wir Leute mit den rosaroten Brillen hatten uns schon gelangweilt ohne deine Kommentare!!


Fidelita

- Venceremos -


 Antworten

 Beitrag melden
12.03.2006 18:58
avatar  ( Gast )
#7 RE: Fidel ist nur einer
avatar
( Gast )

In Antwort auf:
In der Medizin, der Bildung und der Forschung kann sich Kuba mit manchem Industrieland messen.

Wann hört das endlich mit dem Schwachfug auf?
------------------------
Que te diviertas bien
y gastes poco
------------------------


 Antworten

 Beitrag melden
12.03.2006 19:17
avatar  ( Gast )
#8 RE: Fidel ist nur einer
avatar
( Gast )

Zitat von El Bucanero
In Antwort auf:
In der Medizin, der Bildung und der Forschung kann sich Kuba mit manchem Industrieland messen.

Wann hört das endlich mit dem Schwachfug auf?

Sicher weißt Du es besser als der medico.

Fidelita

- Venceremos -


 Antworten

 Beitrag melden
12.03.2006 20:18
avatar  ( Gast )
#9 RE: Fidel ist nur einer
avatar
( Gast )

Auf der Basis von Workshops in den Gebieten Biotechnologie, Umweltforschung und Hochschulzusammenarbeit werden – teilweise in Kooperation mit Wirtschaftsunternehmen – gemeinsame Projekte in Bereichen angestoßen, die von beiden Seiten als vielversprechend eingeschätzt werden. Das in den o. g. Bereichen hohe wissenschaftliche Niveau der kubanischen Universitäten und Forschungseinrichtungen kommt dem Anspruch der WTZ auf Gegenseitigkeit entgegen, hinderlich ist zur Zeit noch die schlechte finanzielle und materielle Ausstattung kubanischer Einrichtungen.

aus http://www.aerzteblatt.de/download/files/X0000850.pdf

Fidelita

- Venceremos -


 Antworten

 Beitrag melden
20.03.2006 13:01
#10 RE: Fidel ist nur einer
avatar
Forums-Senator/in

Dieser Artikel in der Sonntagszeitung vor 8 Tagen löste eine grosse Reaktion aus. In der Gestrigen Sonntagszeitung waren viele Leserbriefe zum Artikel über Cavalli. Er kommt gar nicht gut weg! Ausser einem Artikel eines Varadero AI Touris sind alle andern gegen Cavalli.

Dies nur noch als Nachtrag.


Saludos

El Cubanito Suizo


 Antworten

 Beitrag melden
Seite 1 von 1 « Seite Seite »
Bereits Mitglied?
Jetzt anmelden!
Mitglied werden?
Jetzt registrieren!