NZZ: Immer mehr Kubaner suchen die Freiheit. Riskante Alternativroute in die USA

18.01.2006 14:41 (zuletzt bearbeitet: 18.01.2006 16:29)
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#1 NZZ: Immer mehr Kubaner suchen die Freiheit. Riskante Alternativroute in die USA
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18. Januar 2006, Neue Zürcher Zeitung

Immer mehr Kubaner suchen die Freiheit
Riskante Alternativroute über Zentralamerika in die USA

Die Zahl der kubanischen Bootsflüchtlinge steigt unentwegt. Seit dem Massenexodus von 1994 haben nie mehr so viele Kubaner versucht, auf illegale Weise in die USA zu gelangen.

bau. Mexiko-Stadt, Mitte Januar

Nach kurzem bürokratischem Zaudern haben die amerikanischen Behörden letzte Woche die Heimschaffung von 15 Kubanern zurück nach Havanna angeordnet. An Bord eines selber gebauten Kahns war es der Gruppe gelungen, die Insel zu verlassen und der kubanischen Küstenwache im Trubel der Neujahrsfeierlichkeiten ein Schnippchen zu schlagen. Nach einer zweitägigen Überfahrt erreichten die Bootsflüchtlinge, unter ihnen ein zweijähriges Kind und ein dreizehnjähriger Knabe, die Keys von Florida. Dort retteten sie sich auf einen Pfeiler einer seit Jahren nicht mehr benützten Brücke, die einst das Festland mit den vorgelagerten Inselgruppen verband.

Trockene oder nasse Füsse?
Doch die Freude der Kubaner über die gelungene Flucht aus dem kommunistischen Paradies dauerte nicht lange. Die amerikanische Küstenwache stellte sich auf den Standpunkt, die Bootsinsassen hätten nicht amerikanischen Boden betreten, als sie sich auf dem Teilstück der alten Eisenbahnbrücke in Sicherheit brachten, sondern seien gewissermassen auf dem Meer aufgefischt worden. Damit stehe ihnen kein Recht auf Aufnahme in den USA zu. Seit 1999 gilt das Prinzip, wonach jene, die das amerikanische Festland erreichen und somit trockenen Fusses aufgegriffen werden, bleiben dürfen und nach einem Jahr eine ständige Aufenthaltsgenehmigung beantragen können. Wer aber auf offener See, gewissermassen mit nassen Füssen, angetroffen wird, muss mit der Rückschaffung rechnen, es sei denn, der Flüchtling könne nachweisen, er werde seiner politischen Anschauung wegen in Kuba verfolgt.

In Kreisen des kubanischen Exils in Miami hat die als kleinherzig apostrophierte Interpretation der amerikanischen Behörden einen Sturm der Entrüstung ausgelöst und, einmal mehr, die umstrittene Gesetzgebung ins Rampenlicht gerückt. Die stramm anticastristische republikanische Kongressabgeordnete Ileana Ros-Lehtinen - sie ist selber eine Exilkubanerin - bezeichnete den Entscheid als weiteren Beweis dafür, wie ungerecht die Gesetzgebung sei, die eine solch willkürliche Unterscheidung zwischen aufgefischten oder aus eigenen Kräften an Land gelangten Kubaflüchtlingen mache. Damit würden die demokratischen Grundprinzipien verletzt, auf welche die Amerikaner so stolz seien. Auch von anderer Seite wird die gängige Regelung kritisiert. Da das Gesetz nur für Kubaner gilt, fühlen sich weit zahlreichere Einwanderergruppen, etwa die Mexikaner und Zentralamerikaner, benachteiligt und stossen sich am politisch motivierten Sonderstatus der Flüchtlinge aus Kuba.

Seit Jahren verurteilt die kubanische Regierung mit Vehemenz die generöse Aufnahmepraxis für kubanische Flüchtlinge von Seiten der USA. Nach Auffassung Havannas ist diese geradezu eine Einladung für halsbrecherische Fahrten über das Meer in die USA. Wie gross die Verlockung ist, dem kommunistischen System den Rücken zu kehren, zeigen die Statistiken. Seit 1994, zur Zeit der «Krise der Balseros», der Bootsflüchtlinge, haben noch nie so viele Kubaner versucht auszureissen wie im letzten Jahr.

Laut amerikanischen Angaben wurden in dem im September zu Ende gegangenen Fiskaljahr gegen 2900 Kubaner von der Küstenwache aufgegriffen und wohl mehrheitlich zurückgeschafft. 2530 Flüchtlingen gelang es, das amerikanische Festland zu erreichen, weitere 7610 reisten über die Landgrenze aus Mexiko und Kanada ein. Allein in den letzten drei Monaten sind laut Pressemeldungen über 700 Kubaner in Florida an Land gegangen. Im Rahmen einer Vereinbarung zwischen Washington und Havanna erhalten zusätzlich 20 000 Kubaner jährlich ein offizielles Visum für die USA. Wen das Glück trifft, bestimmt das Los.

Durch die Hintertüre
Vor allem die riskante und lange Überfahrt von Kuba an die Küste der mexikanischen Halbinsel Yucatán oder nach Honduras ist eine zunehmend beliebtere Alternative für Kubaner, die sich vor den Schnellbooten und dem Radar der amerikanischen Küstenwache fürchten. In Zentralamerika, wo die Kontrollen lässlicher sind, hat man bessere Chancen, unbemerkt an Land zu gelangen. Hat man einmal festen Boden unter den Füssen, stehen erfahrene Schlepper bereit, die im Auftrag von Exilkubanern aus Miami für die sichere Reise an die mexikanisch-amerikanische Grenze besorgt sind.

http://www.nzz.ch/2006/01/18/al/articleDHPHA.html

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