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Revolutionsgespenster in Lateinamerika
Revolutionsgespenster in Lateinamerika
Und wenn ich erst die Herrschaft habe und den Knüppel, dann tu ich, was ich will. Sancho Panza
Das Geschenk des Präsidenten an sein Volk: In einer Auflage von einer Million hat der venezolanische Präsident Hugo Chávez den «Don Quijote» drucken und verteilen lassen. Die Bürger sollen sich an guter Literatur erbauen! Wahrscheinlich fühlt Chávez eine Seelenverwandtschaft mit dem verrückten Ritter, wenn er furchtlos den Kampf gegen die Windmühlen des von ihm geschmähten «amerikanischen Imperialismus» aufnimmt. Vielleicht sieht er sich auch als Nachfolger des dicken Sancho Panza. Der wird unter dem Jubel des Volkes Gouverneur einer Trauminsel; er wehrt sich gegen Putschisten, er erlässt eine Verfassung, er regiert, wie er will - doch seine Herrschaft endet in Massenhysterie.
Der dröhnende Kollaps von Regierungen im Tumult ist eine auffällige und häufige Erscheinung in Lateinamerika. Fast jedes Land hat solches durchgemacht in der jüngeren Geschichte. Es stürzten demokratische und despotische Regierungen, gewählte Präsidenten ebenso wie düstere Generäle; sie wurden aus dem Amt gejagt mit Volksaufstand oder Militärputsch, oder sie mussten wegen aufgehäufter Schulden den Bankrott erklären. Beispiele aus den letzten Jahren sind Argentinien, Peru, Bolivien, Ecuador, Haiti; erfolglose Staatsstreichversuche gab es ausserdem in Paraguay und Venezuela. In solchen Vorgängen zeigt sich eine eklatante Instabilität der staatlichen Institutionen.
Auch das Gegenteil kommt vor: Regenten, die sich «ewig» an der Macht halten. Das klassische Beispiel ist Fidel Castro auf Kuba, der immer noch in der Lage ist, fünfstündige Reden zu halten. Nach dem Vorbild seines Mentors hat sich nun auch Chávez vorgenommen, bis 2030 an der Herrschaft zu bleiben. So lange wird er wohl schon brauchen, um sein weit gestecktes Ziel zu erreichen, nämlich seine «bolivarische Revolution» im eigenen Land zu vollenden und auf ganz Lateinamerika auszubreiten.
Nun geht ein Gespenst um in Lateinamerika, das Gespenst der Revolution. Es wird gewarnt vor einer grossräumigen «Ansteckung», vor einem Linksrutsch der ganzen Weltgegend, vor dem Abkippen in eine Epoche politischer und ökonomischer Unvernunft, vor pseudosozialistischen Experimenten mit vorhersehbar katastrophalem Ende. Die Wende zum Schlimmen wäre nach diesem Szenario bald zu erwarten, denn in den kommenden zwölf Monaten finden in zwölf Ländern Wahlen statt. Tatsächlich haben die Länder Lateinamerikas schon mehrfach im Verbund gleiche Modelle und Entwicklungen ausprobiert: Importsubstitution, Militärdiktatur, Demokratie, Neoliberalismus. Aber grosse Teile der Bevölkerung sind weiterhin vom Wohlstand ausgeschlossen; von 550 Millionen Lateinamerikanern gilt die Hälfte als arm, ein Fünftel als notleidend. Folgt jetzt eine Epoche des Linkspopulismus?
Immerhin hat Brasilien, das grösste Land Südamerikas, unter Führung der Linken ökonomische Stabilität gewonnen. Dennoch macht Präsident Inácio Lula da Silva, einst Hoffnungsträger für viele, heute eine traurige Figur, denn er hat nicht verwirklicht, was er vorhatte. Sein wichtigstes Ziel, die Ausmerzung der Armut, hat er nicht annähernd erreicht. Die angekündigten Sozialprogramme blieben stecken, nicht wegen Geldmangels, sondern wegen Unfähigkeit. Zudem leistete sich die Arbeiterpartei einen überwältigenden Korruptionsskandal. Dieser wird jetzt unter dem Druck der Medien schonungslos aufgeklärt. Bei allen Turbulenzen im politischen System wird die Kontrolle verstärkt und Machtmissbrauch erschwert.
Zweifel regen sich in Mexiko, dem zweiten Schwergewicht in Lateinamerika. Präsident Fox konnte nicht tun, was er wollte; seine Reformagenda blieb unerledigt, weil er im Parlament keine ausreichende Unterstützung fand. Das Ende des siebzigjährigen «revolutionären» Einparteiregimes hat nicht zu einem Reformschub, sondern in den Stillstand geführt. Nun zeichnet sich ein neuer Umschwung nach links ab. Ins Präsidentenamt drängt Manuel López Obrador, von den einen als Bürgermeister der Megalopolis Mexiko-Stadt geschätzt, von den andern als unberechenbarer Linkspopulist gefürchtet. Doch was immer er tun will, auch er wird ohne Verbündete nicht regieren können. Unkontrollierte Entwicklungen sind im heutigen Drei-Parteien-System Mexikos weniger zu erwarten als eine fortgesetzte Blockade.
Auch anderswo werden demokratische Wahlen abgehalten, aber nicht überall ist deswegen demokratische Stabilität garantiert. In Venezuela scheint Chávez eine zweite Amtszeit sicher, denn mit seinen «misiones» (Sozialprogrammen) kann er den ärmeren Teil der Bevölkerung bei der Stange halten. Solange ihm genug Ölgeld zur Verfügung steht, darf er weiter tun, was er will. Kolumbien befindet sich trotz Reformbemühungen von Präsident lvaro Uribe in einem andauernden Zustand von Gewalt und Rechtlosigkeit; auch von den bevorstehenden Wahlen ist keine schnelle Besserung zu erwarten. Notorisch instabil sind Ecuador und Peru. In Bolivien ist der Volkstribun Evo Morales auf dem Sprung an die Macht. Was er mit ihr anfangen will, ist ungewiss.
In Chile hingegen, am Ende der Andenkette, sind revolutionäre oder reaktionäre Eskapaden heute wohl ausgeschlossen. Alle wichtigen politischen Kräfte haben sich in einem stillschweigenden Gesellschaftsvertrag auf Demokratie und Marktwirtschaft festgelegt. Die Wahlen können einen politischen Richtungswechsel bringen, aber nicht einen Systemzusammenbruch. Ein Gegenstück ist Argentinien. Das Land hat seinen letzten Kollaps vor wenigen Jahren überstanden; mehrere solche Unfälle gingen schon voraus, und weitere sind keineswegs auszuschliessen.
Klare Linien, die in eine bestimmte Richtung weisen, sind im politischen Flickenteppich Lateinamerikas schwer zu entdecken. Entscheidend ist die Entwicklung in Brasilien und Mexiko. Diese beiden Länder machen heute trotz heftigen Turbulenzen einen stabilen Eindruck. In verschiedenen mittleren und kleinen Ländern jedoch können linkspopulistische «Ansteckungen» nicht ausgeschlossen werden. Gefahr droht dabei nicht von linker Politik an sich, solange diese sich an demokratische Spielregeln hält, sondern vor allem von selbstverliebten Caudillos in ungenügend gefestigten Staaten und Strukturen. Sie neigen dazu, unter Berufung auf eine «revolutionäre» Legitimität demokratische Verfahren auszuschalten - um zu tun, was sie wollen.
http://www.nzz.ch/2005/12/17/al/kommentarDEYEM.html
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hpblue - zurich - switzerland
Und wenn ich erst die Herrschaft habe und den Knüppel, dann tu ich, was ich will. Sancho Panza
Meinst Du die Zigarre?
http://www.cigarrenversand.de/index.php/cPath/1_3_35
Oder diesen?
http://www.puppenstelz.de/pages/don.htm
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