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CHAN-CHAN
@Garfield
Alto Cedro ist ein Ort an der Strasse von Santiago nach Holguin
(San Luis, Julio A. Mella, > Alto Cedro)
Marcané oder Marcané Uno liegt ca. 10 km weiter Richtung Norden, und danach kommt der grössere Ort Cueto (wahrscheinlich mit Cuelto gemeint). Die Strasse geht von Cueto dann weiter Richtung Osten bis Mayari auf der Strasse von Holguin nach Moa.
Kann man auf den Seiten 18 bzw. 21 des Guia de Carreteras (siehe meine Info-Seiten) nachsehen.
Saludos
Chris
P.S. hier nochmal der komplette Text (span./dt.)
De Alto Cedro voy para Marcane
Llego a Cueto, voy para Mayarí
El cariño que te tengo
No te lo puedo negar
Se me sale la babita
Yo no lo puedo evitar
Cuando Juanica y Chan Chan
En el mar cernan arena
Como sacuda el jibe
A Chan Chan le daba pena
Limpia el camino de paja
Que yo me quiero sentar
En aquel tronco que veo
Y así no puedo llegar
De Alto Cedro voy para Marcane
Llego a Cueto, voy para Mayarí
Von Alto Cedro gehe ich nach Marcane
Nach Cueto gehe ich gen Mayarí
Die Zuneigung, die ich zu dir habe
kann ich nicht verneinen
mir läuft das Wasser im Munde zusammen
ich kann es nicht vermeiden
Als Juanica und Chan Chan
am Meer Sand siebten
wie sie mit dem Hintern wackelte
tat es Chan Chan in der Seele weh
Säubere den Weg von Stroh
weil ich mich setzen will
auf jenen Baumstamm, den ich sehe
so werde ich wohl nie ankommen
Von Alto Cedro gehe ich nach Marcane
Nach Cueto gehe ich gen Mayarí
@Quesito,
hab ich aus dem Internet, was bräuchtest du denn?
Saludos
Chris
P.S.: Gib z.B. bei Google "lyrics + gewünschter Song / Interpret" ein, dann findest du etliches.
Cuba-Reiseinfos
avenTOURa
warum schreibt man diese dann nicht als Eigennamen gleich deutlich GROSS. Oberpfaffenhofen oder Unterrimbach schreibt man auch immer groß. So erkennt jeder daß es ein Ort sein muß, auch wenn man die Lokalität nicht kennt. Ich nehme an, der Verfasser des Textes ist des Spanischen mächtig.
Der Text sieht fast aus wie eine kubanische email. Immer entweder alles klein, oder alles groß. Und ohne Punkt und Komma.
... und außerdem sollten im Spanischen immer Mengenangaben dazu, sonst kanns peinlich werden.
un vaso de leche, un litro de leche ... aber bitte niemals UNA LECHE !!
Ach ja, in Spanien ist ein bollo ein Brötchen, auf Cuba isset wat anderes !
Mami yo quisiera quedarme, pero la calle me llama.
#14 RE:CHAN-CHAN
In Antwort auf:
@Quesito,
hab ich aus dem Internet, was bräuchtest du denn?
Chris, ich suche den text von "Vertientes, Camagüey, Florida y Moron"?
Meine derzeit geplante Modelleisenbahnanlage nach kubanischen Vorbild, will ich so nennen!
"Tja, Urlauber zu sein ist schon ein hartes Los ..."
Elisabeth 2
Kubas berühmteste zweite Stimme
Compay Segundo (18. November 1907 bis 14. Juli 2003),
der Methusalem der legendären kubanischen Soneros
Mit 15 Jahren komponierte er seinen ersten Son, mit 90 wurde er zu einem Weltstar, aufgetreten ist er bis kurz vor seinem Tod: Francisco Repilado alias Compay Segundo hat das Erbe der kubanischen Populärmusik mit Passion in die Gegenwart getragen. Am 14. Juli 2003 ist der alterslose Meister in Havanna 95-jährig einem Nierenversagen erlegen.
«De Alto Cedro voy para Marcané, / Llego a Cueto voy para Mayarí…»: Ein verliebter Wanderer zieht in Kubas wildem Osten von einem Ort zum nächsten, erinnert sich an Juanica und Chan Chan – Realität und Figuren aus einem Volksmärchen vermischen sich. Compay Segundos Son «Chan Chan», der aufgenommen worden ist ins Goldene Buch des kubanischen Kulturerbes, gilt als zweite Nationalhymne.
Das raffiniert-eingängliche, verspielt-frivole, auf nur zwei Akkorden basierende Meister-Stück komponierte Compay Segundo im reiferen Alter von 82 Jahren; 1989 hat er es mit dem Cuarteto Patria an einem Festival in Washington, im Feindesland, uraufgeführt.
Der internationale Durchbruch des Máximo Francisco Repilado Muñoz alias Compay Segundo kam in den Neunzigerjahren in vier Schritten: 1994 in Sevilla – Compay war mittlerweile 87 und strotzte vor Vitalität –, 1995 mit der ersten Tournee in Frankreich und Belgien sowie Einspielungen in Madrid, 1996 mit einer Europatournee und, als Folge der in Spanien ausgelösten Kuba-Welle, 1997 mit Ry Cooders CD «Buena Vista Social Club», der zwei Jahre darauf Wim Wenders’ gleichnamiger Film folgte.
Hut, Zigarre und Armónico
Und plötzlich standen sie im Rampenlicht, Omara Portuondo und Ibrahim Ferrer, Manuel Puntillita Licea und Pío Leyva, Orlando Cachaíto Lopez, Manuel Guajiro Mirabal, Eliades Ochoa und Rubén González – allen voran dominant und breit lachend der Senior, der dunkelhäutige Compay Segundo mit seinem hellen Panama samt tabakbraunem Hutband, in gediegenem Anzug und mit Gitarre. Las leyendas cubanas, die kubanischen Legenden, die einst populären Trovadores und Soneros, waren selbst in ihrer Heimat nur noch einem kleinen Kreis von Aficionados bekannt gewesen.
Die alte Garde knüpfte, als ob mittlerweile nicht Jahrzehnte vergangen wären, an die Tradition der Zwanziger- und Dreissigerjahre an, beförderte mühelos Aberhunderte alter Balladen und Sones, Habaneras und Guajiras, Boleros, Canciones, Danzones, Merengues, Congas und Rumbas aus dem Gedächtnis, brachte allerorten das Publikum in die Theater und in die Stadien, auf die Beine und aus dem Häuschen.
Mit Schalk und Passion
Primus inter pares und Methusalem war er seit Beginn des Kuba-Fiebers; lust- und humorvoll hat Compay Segundo sein Füllhorn ausgeschüttet, hat mit sonorem Bassbariton, virtuosem Spiel auf dem von ihm entwickelten Armónico, mit bezwingender Bühnenpräsenz, mit Witz, Selbstironie, Schalk und Passion Millionen von Menschen in seinen Bann gezogen und mit dem wonnigen Virus der ostkubanischen ländlichen Musik angesteckt. Weit über hundert Werke seines immensen Repertoires hat er selber gedichtet und komponiert, das erste mit 15 Jahren, «Yo vengo aquí», eine Elegie an ein Mädchen, das Franciscos Herz raubte. Der Son hat keine Patina angesetzt.
Compay sang von Liebe und Lust, von Trennung, Schmerz und Erfüllung, von spröden und willigen Señoritas; er pries die Frauen, die Gärten, das Meer, die Weiler und Städte der urwüchsigen Provinz Oriente; er entlarvte den schnöden Schein der Welt, beschwor die heilige Jungfrau von Cobre, die Geister der Yoruba-Götter und die Bekömmlichkeit von Würsten, Kürbis, Reis und frittierten Bananen. Kräftig gewürzt, saftvoll, köstlich und stark im Abgang – «sabroso» eben – ist das Ganze im lockeren Zusammenspiel von Text, Melodie, Harmonie und Instrumentarium. Nicht zu vergessen: Compay Segundo hat es nach alter Tradition verstanden, seinen Worten elegant und spitzbübisch den kubanischen erotischen Doppelsinn zu unterlegen – der Macho denkt an sich selbst zuerst.
Eine bewegte Epoche
Geboren wurde Compay Segundo am 18. November 1907 als viertes Kind einer Bauernfamilie in Siboney nahe Santiago im heissen Südosten Kubas, dem Tiegel, in dem die Musiken der ehemaligen Sklaven aus Afrika und Haiti, der Immigranten aus Andalusien, Galicien, den Kanarischen Inseln, aus Nord-, Mittel- und Südamerika zusammengeworfen und verschmolzen wurden zu dem, was in den Neunzigerjahren als afrokubanische Musik die Discos, Konzertsäle und Kinos der übrigen Welt mit tropischen Melodien, Rhythmen und Emotionen zu füllen begann.
Fünf Jahre vor Francisco Repilados Geburt wurde Kuba offiziell unabhängig von der Kolonialmacht Spanien, dann folgte die Pseudorepublik mit ihrem Präsidentenkarussell samt Machtmissbrauch, Korruption, Nepotismus, Zensur, Folter, Terror, US-Mafia; Fidel Castro entzündete die Fackel der Revolution, die USA antworteten mit einem bis heute Kuba im Würgegriff haltenden Handelsembargo, es kam die Kubakrise, schliesslich 1991 die «Spezialperiode in Friedenszeiten» mit der Rationierung alles Lebensnotwendigen.
Torcedor, Barbero, Sonero
Francisco lernte das Metier des Zigarrendrehers, des Torcedors, das er neben dem Musikmachen während vierzig Jahren ausübte, und des Barbiers, liess sich, weitgehend autodidaktisch, auf die Musik des Volkes ein – ohne Zweifel eine Naturbegabung, denn keiner seiner Vorfahren war musikalisch auffällig.
Ein Mann der zweiten Stunde, dieser Francisco Repilado, der in Santiago de Cuba, wo seine Familie 1916 Wohnsitz genommen hatte, auf der Klarinette, auf dem Tres und der grösseren Gitarre zu spielen begann, komponierte und sich 1919 sein eigenes Instrument baute, Trilina oder Armónico genannt, eine Gitarre mit sieben Metallsaiten (die dritte doppelt), und die adäquate Spielweise austüftelte.
Jung war er von Dorf zu Dorf gezogen und hatte in Bars, Cafés und an Fiestas nach alter Sitte der Wandersänger mit seinen Sones einige Pesos gesammelt. Seine ersten Auftritte mit Kollegen hatte er in den frühen Zwanzigerjahren mit dem Sexteto Los Seis Ases, mit drei Estudiantinas (Studentengruppen), dann mit dem Cuarteto Cubanacán, das Anfang der Dreissigerjahre in den neu gegründeten kommerziellen Radiostationen eine Plattform fand. Mit dem Quinteto Cuban Stars unternahm Francisco Repilado seine erste Tournee, gastierte anschliessend 1934 in Havanna, und er blieb im Trubel der Hauptstadt mit ihren Bars, Casinos, Cabarets, Theatern, Festivitäten und dem quirligen musikalischen Leben hängen.
Das Duo «Los Compadres»
Wie kam Francisco zu seinem Pseudonym? Auf dem Land begrüssten sich Kubas Männer mit Compadre, und so verfielen Lorenzo Hierrezuelo, ebenfalls 1907 in der Provinz Oriente geboren, und dessen Vetter Francisco Repilado auf die Idee, ihr 1942 gegründetes Duo «Los Compadres» zu nennen. Lorenzo sang die erste Stimme, war Compadre oder Compay Primero, Francisco die zweite: Compay Segundo. Der Name ist längst zu einem Monument geworden in der Geschichte der urwüchsig ländlichen kubanischen Musik.
Dank den neuen Medien Radio und Schallplatte breitete sich der Ruhm der «Compadres» flächendeckend aus. Nach einem Streit um Autorenrechte trennten sich die beiden im Herbst 1955. (Lorenzo Hierrezuelo führte das Duo mit seinem Bruder Reinaldo weiter bis Ende der Siebzigerjahre. Ein berühmtes Duo bildete Lorenzo zudem mit María Teresa Vera zwischen 1937 und 1962. Reinaldo Hierrezuelo übrigens leitet die seit 1933 bestehende Gruppe Vieja Trova Santiaguera.)
Francisco Repilado bildete seine eigene Gruppe, bald bekannt als Compay Segundo y sus Muchachos. Zusammen mit den Sängern Carlos Embale und Pío Leyva spielte sie 1957 in Havanna ihre erste Platte ein – am Nachmittag des 13. März. Die Aufnahme musste unterbrochen werden, weil Schüsse und Explosionen ins Studio hallten: Das Directorio Revolucionario versuchte, Diktator Fulgencio Batistas Präsidentenpalast zu stürmen.
Die neue und die alte Zeit
Erfolgreicher waren die von Castro angeführten Barbudos, die bärtigen Revolutionäre: Am 1. Januar 1959 marschierte die Vorhut der Rebellenarmee in Havanna ein. Das Kultur- und Gesellschaftsleben, in den Augen der neuen Herrscher und struppigen Haudegen ein kapitalistischer Sündenpfuhl, wurde trockengelegt. Aufmärsche, Hurrapatriotismus und die linientreuen Politgesänge der Nueva Trova waren das Gebot der Stunde. Die Musiker im alten Stil standen für eine überwundene Zeit und mussten sich fortan ihren Unterhalt mit volksnützlicher Tätigkeit sichern: Compay rollte bei H. Upmann bis 1970 Zigarren – ohne einen Tag zu fehlen. Im Rentnerdasein begann er mit Lust und Laune wieder intensiv zu musizieren.
Mittlerweile hatte es der Regierung zu dämmern begonnen, dass den Kuba-Touristen mit martialischen Marschliedern und lobhudelnden Heldenepen nach dem Muster von Carlos Puebla wenig gedient war und sie begann, mit bescheidenen Mitteln die in die Jahre gekommenen, ehedem populären Tocadores, Cantadores, Vokal- und Instrumentalgruppen und die traditionellen Orchester zu fördern.
Gewandeltes Selbstverständnis
Während mehr als acht Jahrzehnten hat Compay Segundo die musikalischen Traditionen seiner Heimat, das Schaffen von Grössen wie Juan de Dios Hechevarría, Pepe Sánchez, Manuel Corona, Salvador Adams, Sindo Garay, Miguel Matamoros, José Banderas, Ñico Saquito, Benny Moré assimiliert und bereichert, glanzvolle Kapitel der Musikgeschichte Kubas mitgestaltet.
Doch im eigenen Land gehörte Compay Segundo bis auf Weiteres zum alten Eisen. In María Teresa Linares’ Publikation «La música y el pueblo» aus dem Jahr 1974 (Editorial Pueblo y Educación, La Habana) kommt Francisco Repilado zu einer einzigen Namensnennung; im 1981 vorgelegten «Diccionario de la música cubana» von Helio Orovio (Editorial Letras Cubanas, La Habana) sind Compay Segundo 24 schmale Zeilen gewidmet.
Ganz unverständlich ist dies nicht. Denn Trovadores, Männer und Frauen, die fantasiereich und eigenständig über einen enormen Schatz an kubanischer Populärmusik verfügen, sind auch heutzutage keineswegs rar. Nur wenige jedoch haben nach Jahrzehnten der Plackerei ums Überleben und ohne öffentliche Auftritte und Anerkennung (und dank Hilfe von aussen) im Alter wieder zurückfinden können zu Energie und Stimme. Und in Kuba, der Insel junger Menschen, ist eine der Revolution entfremdete Generation herangewachsen, die an den Erzeugnissen der Vereinigten Staaten, an der international kompatiblen Rock-, Pop- und Technomusik mehr Interesse hat als am eigenen kulturellen Erbe und die eine Trova nur noch im Schlepptau freigebiger Touristen besucht.
Klingendes Weltkulturerbe
Anders im Westen. Kubas melodisch eingängige, formal kleinteilig und durch Refrain gegliederte, allerdings rhythmisch zuweilen komplexe Musik mit ihrer Vitalität und Lyrik, ihrem Zwang zum Tanzen, ihren prallen Texten voller Heiterkeit und Anzüglichkeit, dem Wechsel von Solostimme (Individuum) und Chor (Kollektiv), ihrer Vielfalt der Instrumente und deren Kombinationen – diese Musik, den heiteren Seiten des Lebens zugetan, weckt und belebt Kräfte, führt an die Quellen volkstümlicher Inspiration und bäuerlichen Gesangs, wirkt, als unverbildet und unkommerziell wahrgenommen, wie manche traditionelle Musik aus anderen Teilen der Welt als sonniger Gegenpol zum fahlen Einheitsbrei der Unterhaltungsgiganten.
Der Durchbruch der betagten kubanischen Musiker kam noch zur rechten Zeit: Dank der Erfahrung und dem Können der Veteraninnen und Veteranen, dank dem Anklang beim Publikum auf dem Alten Kontinent und dank der nun kaum mehr überschaubaren Anzahl von Neueinspielungen und Archivausgrabungen ist der Nachwelt ein klingendes Weltkulturerbe bewahrt worden.
Vida linda, amor lindo
«Que linda es la vida, que lindo es el amor», heisst es in Compay Segundos Son «Ataidi» («Las flores de la vida») – «Wie schön ist das Leben, wie schön ist die Liebe». Compay wollte so alt werden wie seine Grossmutter. Ma Regina, auf Kuba als Sklavin geboren (erst 1886 wurde in jener spanischen Kolonie die Leibeigenschaft aufgehoben), paffte Tabacos. Sie brachte es, was des Berichtens wert ist, auf ein biblisches Alter von 115 Jahren. Trotzdem: Ganz vergessen wäre sie, hätte es da nicht ihren Lieblingsenkel Francisco gegeben, der als Fünfjähriger zum Anraucher avancierte, die Zigarren seiner Abuela in Brand setzte. Die Havanna sollte Compay Segundo sein Leben lang begleiten.
«Ich sitze nicht in der Ecke, um auf den Tod zu warten. Der muss mich schon suchen», witzelte der hochbetagte Compay, der sein letztes Konzert in Mexiko-Stadt gab Ende Februar 2003.
Und wenn ihn der Tod finde? «Dann werde ich ihn um noch einige Jährchen bitten.» Das Ansinnen ist abgelehnt worden, vielleicht weil Compay Segundo, der Lebenslust und der Daseinsfreude standhaft verfallen, dem Gevatter Knochenmann keines seiner Lieder gewidmet hat.
CDs mit Compay Segundo (Auswahl)
Yo Vengo Aqui (1991, Dro East West)
Antología Vol. 1-2 (1996, Dro East West; 2CDs)
Buena Vista Social Club (1997, World Circuit)
Lo mejor de la vida (1998, Dro East West)
Calle Salud (1999, Dro East West)
Los Compadres (1999, Edenways)
Las Flores de la Vida (2000, Dro East West)
Duets (2001, Dro East West)
Bis der Tanz dich tanzt
Der kubanische Son-Sänger Compay Segundo bezaubert den Westen mit Liedern von Sex und Sünde
Thomas Mießgang
Tanze! scheint Babalu Ayé dem alten Mann ins Ohr zu raunen, tanze und bewege deine Hüften - mueve la cintura. Babalu Ayé, der Gott der Krankheiten, der auf Krücken geht. Babalu Ayé, der Weise, der in die Zukunft sehen kann. Der alte Mann braucht keine Krücken. Ein wenig mühsam stemmt er sich hoch, vor dem Bauch baumelt das Armónico, sein selbsterfundenes Instrument, das wie eine Gitarre klingt. Mueve te, flüstert Babalu Ayé, und Compay Segundo läßt die Hüften kreisen. Neben ihm steht der Bongotrommler und zaubert mit den Fingern ein Ballett der Gegenrhythmen. Baß und Gitarre fallen ein, eine Trompete ziseliert steif und ein wenig gequetscht eine sentimentale Melodie. Chan Chan, ein Lied aus Oriente, aus dem Osten Kubas. "Als Juanika und Chan Chan am Strand den Sand zusammenschoben", singen Compay Segundo und sein Gitarrist, "sah er, wie ihr Hintern zuckte, und er war erregt." Jetzt packt der alte Mann sein Armónico, fährt mit dem Plektrum ganz weit oben am Steg über die Saiten - ein scharfes, klirrendes Geräusch. Die Stimmung wird wollüstiger, Babalu Ayé humpelt von der Bühne. Compay Segundo lächelt, die Bewegung seiner Hüften wird vom Publikum aufgenommen und spielerisch variiert. "Mit den Füßen stampfen und stampfen, sich im Kreis drehen, die Tanzfigur ausschmücken", hat der kubanische Dichter Guillermo Cabrera Infante einmal geschrieben, "sich vergessen, vergessen, vergehen, bis du fühlst, daß der Tanz dich tanzt, daß er in deine Eingeweide eingedrungen ist, daß er befiehlt und du gehorchst, das ist der Weg der Weisheit."
Wenn Compay Segundo heute ein Konzert gibt - in Spanien, in Deutschland, in Amerika oder in Holland -, dann spricht durch ihn der Geist von Babalu Ayé. Oder von Elegguá, dem Herrscher der Wegkreuzungen und der Pforten zu Licht und Finsternis. Die Orishas, die Götter der kubanischen Santeria-Religion, sind allgegenwärtig in seiner Musik. Sie sprechen durch die Trommeln, und sie verstecken sich hinter den erotischen Texten, um den Weg zur Weisheit zu zeigen.
Compay Segundo ist einer der letzten, die noch von der großen Zeit des Son in den zwanziger und dreißiger Jahren erzählen können. Vor wenigen Jahren hat das allerdings niemanden außerhalb der Barrios von Santiago de Cuba interessiert. Doch dann kam die Platte Buena Vista Social Club. Ein Gipfeltreffen der Abuelos locos, der verrückten Großväter der kubanischen Musik. Arrangiert vom nordamerikanischen Gitarristen Ry Cooder, der seit den sechziger Jahren den geheimen Energieströmen zwischen verschiedenen Weltmusikkulturen nachhorcht. Mehr als eine Million Male hat sich Buena Vista Social Club, ein Bouquet alter lateinamerikanischer Melodien und neuer Improvisationen, verkauft. Fast jeder, der an der Session beteiligt war, ist inzwischen weltweit bekannt: der Pianist Ruben Gonzaléz, die Sängerin Omar Portuondo, der Baßspieler Orlando "Cachaito" Lopez, der Vokalist Ibrahim Ferrer.
Die durchdigitalisierte Elektronikwelt der Gegenwart mit ihren sterilen Klängen und Images sehnt sich nach der Berührung durch die magische Hand des Archaischen. Eine überaufgeklärte Epoche, die dem Logos der Geldvermehrung folgt und kein Geheimnis mehr kennt, berauscht sich am Mythos, am Traum von einem besseren Leben, das Fleisch und Seele auf glückliche und rätselhafte Weise verbindet. Kuba sei "eine Insel voller Zweideutigkeiten", hat Cabrera Infante einmal gesagt. Und der peruanische Romancier Mario Vargas Llosa vermutet, daß das lateinamerikanische Gefühlsleben für Europäer so faszinierend sei, weil sie es nicht verstünden: "Für Leute, die aus klaren transparenten Ländern kommen, ist nichts so attraktiv wie das Unentzifferbare." Nur mit dieser Sehnsucht ist der überraschende und unerwartete Vorstoß kubanischer Klänge, von den Afro-Cuban All Stars bis zu Celia Cruz, vom Jazz-Pianisten Chucho Valdés bis zur Frauen-Salsagruppe Son Dámas, in die Mitte des Massengeschmackes zu erklären.
Compay Segundo nimmt die medialen Turbulenzen mit Gelassenheit, ja einer gewissen Gleichgültigkeit zur Kenntnis: "Eine Gitarre, ein Glas Rum, eine Zigarre und ein paar Freunde - das ist das Beste, was man im Leben haben kann. Mehr brauche ich nicht." Erfolg hat er genug gehabt, vor allem mit dem Duo Los Compadres, das er, nach Lehr- und Wanderjahren in Santiago und Havanna, mit dem Gitarristen und Sänger Lorenzo Hierrezuelo gründete. In allen Hafenkneipen Südamerikas tanzten betrunkene Matrosen, kleine Gauner, Nutten und der Abschaum aus den dunklen Nebenstraßen zu den minimalistischen canciones, die im doble sentido schwelgten, in einem Rotwelsch der sexuellen Zweideutigkeiten. Eine Musik, die fast so karg und sparsam war wie die ursprüngliche Rumba, die auf Kabeljaukisten und Bratpfannen getrommelt wurde. Hierrezuelo ahmte Flöten und den Schlag der Klanghölzchen mit dem Mund nach, Francisco Repilado spielte virtuose Soli auf dem Tres, der doppelt bespannten dreisaitigen kubanischen Gitarre, und sang die schönste Begleitstimme auf dem südamerikanischen Subkontinent. Nachdem die Compadres ihren Zenit überschritten hatten, machte er alleine mit seiner Gruppe Compay Segundo y sus muchachos weiter.
Der Son feiert die Vermählung des Heiligen mit dem Profanen
Dann kam die Revolution und mit ihr Alphabetisierungskampagnen und Agrarreformen. Die Politik drängte sich in den Vordergrund, die Musik und der Ruhm von Compay Segundo versickerten in den stinkenden Gassen des verfallenden und verfaulenden Havanna. 17 Jahre lang malochte er in einer Tabakfabrik, rollte puros auf seinen Schenkeln und hörte dem lector zu, der auf einem Pult vor den Arbeitern aus Don Quijote vorlas. Als seine Person schon im Begriff war, sich in einem Gewebe aus Legenden zu verflüchtigen, war Compay Segundo plötzlich wieder da. Lange vor Ry Cooders Platte, Ende der achtziger Jahre, entdeckten die Spanier seine Musik und luden ihn zu Flamenco-Festivals ein. Der Siegeszug der Großväter konnte beginnen: Volksliedmelodien und raffinierte Synkopen, eine Stimme, die im freien Flug über dem Rhythmus die Verse dehnt, bis das Lied zu zerreißen droht. Die Vermählung des Heiligen und des Profanen. Babalu Ayé und die Prostituierte, die stolz und herausfordernd über den Malecón promeniert. Wie eine Flaschenpost aus einer sexuell überhitzten Gegenwelt klingt Compay Segundos Son. Nostalgisch klappernd und trotzdem von den Genüssen der Sinnlichkeit durchströmt. Kuba habe eine Gesellschaft der Mischlinge hervorgebracht, schrieb einst der Dichter und Romancier Alejo Carpentier, eine Mulatten-Kultur. Die Reibung der Rassen aneinander produziere eine fortdauernde Welle der Erregung. Wenn man Compay Segundos Lied El Cuarto de Tula hört, die Geschichte von einer Frau, die in Brand geraten ist und deren Feuer der Sänger löschen möchte, dann muß man unwillkürlich an Sätze von Carpentier denken: "Die Mulattin kommt mit dem Teufel zwischen den Beinen auf die Welt, und wer das einmal probiert hat... Es gab Männer, die alles im Stich ließen, die verschwanden, aus ihren Häusern flohen beim Ruf des Gebets an die Einsame Seele, auf das sich die allmächtigen Frauen verstanden, die im Licht der hinter der Tür entzündeten Lampen so viele Male wiederholten, wie der Rosenkranz Perlen hatte: ,Wie ein tollwütiger Hund soll er hinter mir her sein. Amen.'"
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