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Dollar o Muerte
Dollar o Muerte
Der kubanische Wirtschaftsminister bezeichnete die »Wiedergewinnung der Währungssouveränität« als das wichtigste Ereignis des vergangenen Jahres. In der Realität hat sich mit dem »Peso Convertible« wenig geändert. von knut henkel (text und fotos)
In der Eingangshalle der Galerias de Paseo schlendern Kubaner mit prall gefüllten Einkaufstüten zum Ausgang. Einige bleiben noch einmal stehen, um einen letzten Blick auf den kanariengelben Sportwagen zu werfen, der dort ausgestellt ist. Begehrliche Blicke wandern über den frisch polierten Lack, in dem sich die Strahlen der Scheinwerfer brechen, die an der Decke baumeln. Leisten können sich eine derartige Luxuskalesche nur wenige Kubaner. Das ist sicherlich ein Grund dafür, dass kein Preisschild an dem Flitzer hängt, der das Herz jedes rasanten Ladafahrers höher schlagen lässt.
Den Einkauf in den modernen Konsumtempeln, die die Regierung Fidel Castro in den letzten Jahren hat bauen lassen, können sich von Jahr zu Jahr mehr Kubaner leisten. Knapp 60 Prozent der Bevölkerung, so die offizielle Regierungsstatistik, haben US-Dollars – wenn auch in sehr unterschiedlichen Mengen. Die zirkulierenden Dollars schöpft die Regierung über die Einkaufsofferten ab, um so Devisen in die chronisch leeren Kassen zu bringen. Dafür wird kräftig investiert und importiert. Ein Gutteil der Produkte, die in den Galerias de Paseo, einen Steinwurf von der Hafenpromenade Havannas entfernt, angeboten werden, stammen aus dem Ausland. Kühlschränke, Fernseher, Fahrräder, Hifigeräte stehen neben Pasta, Milch und Brot hoch im Kurs bei den Kubanern. Mit einem satten Aufschlag von bis zu 300 Prozent werden die Produkte an den Kunden weitergegeben. Der muss sich seit dem 8. November allerdings umgewöhnen. Nicht mehr US-Dollars werden in den staatlichen Einkaufszentren, den Cafés und Bars kassiert, stattdessen wird nur noch der Peso Convertible akzeptiert. Kuba hat die alte Leitwährung, den US-Dollar, verabschiedet und setzt auf Geheiß des Maximo Líder auf die nationale und wesentlich farbenfreudigere Währung. Revolutionshelden wie José Marti und Che Guevara werden nun über den Ladentresen gereicht statt illustre US-Prominenz wie Washington oder Lincoln. Den fein bedruckten Sicherheitsstreifen der Peso-Noten ziert die Lebensphilosophie der revolutionären Führung: »Patria o Muerte, Venceremos« (Vaterland oder Tod, wir werden siegen) ist da zu lesen.
Problemlose Umstellung
dank Zwangssteuer
Carmen Almiñaque hat längst umgestellt. Seit Anfang November akzeptiert die schmächtige Frau nur noch den Peso Convertible von ihren Gästen. Sie vermietet seit über sieben Jahren zwei Zimmer ihres Hauses an Touristen und lebt mit ihrer Familie von den Einnahmen. 20 US-Dollar kostete das kleinere der beiden Zimmer. Das größere mit der riesigen Dachterrasse, von dem man den nahen Platz der Revolution sehen kann, kostete fünf Dollar mehr. An den Preisen hat sich nichts geändert, doch statt mit Greenbacks bezahlen die Touristen nun mit dem Peso Convertible. »Alle US-Dollar, die wir hatten, habe ich bei der Bank getauscht oder aufs Konto eingezahlt. Und natürlich haben wir unsere Buchführung umgestellt«, sagt die rüstige Rentnerin, die gemeinsam mit ihrem Sohn das kleine Unternehmen führt. So wie sie haben es viele Kubaner gemacht. Lange Schlangen bildeten sich zwischen Ende Oktober und Mitte November im ganzen Land vor den staatlichen Wechselstuben, nachdem Fidel Castro am 25. Oktober höchstpersönlich erklärt hatte, dass der US-Dollar ab dem 8. November in den staatlichen Geschäften nicht mehr akzeptiert werde. Der Andrang bei Banken und Wechselstuben war so immens, dass die kubanische Zentralbank die gebührenlose Umtauschfrist um eine Woche bis zum 14. November verlängerte. Seitdem kassieren die kubanischen Banken zehn Prozent Kommission bei jedem Umtausch – nur die Touristen sind davon befreit. 2,5 Millionen der rund 11 Millionen Kubaner haben offiziellen Zahlen zufolge von der Umtauschofferte Gebrauch gemacht.
Symbolischer Sieg
über den Klassenfeind
Die Kommission wollen die Kubaner natürlich umgehen und Staatschef Castro war der erste, der Auslandskubanern empfahl, ihr Geld fortan in Schweizer Franken, Kanadischen Dollars oder Euro nach Kuba zu transferieren. Die Begründung für den Währungstausch ist denkbar einfach: Die US-Regierung habe Druck auf internationale Banken ausgeübt, die mit Kuba Geschäfte in US-Dollar abwickelten, sagte Außenminister Felipe Perez Roque der Parteizeitung Granma. Bereits im Mai 2004 war die Schweizer Bank UBS vom US-Schatzamt wegen Verstoßes gegen das US-Handelsembargo verwarnt worden. Sie hatte druckfrische US-Banknoten nach Kuba geliefert. Ein illegaler Akt in den Augen der US-Administration.
Wenig später erhöhte die Regierung der USA den Druck auf den ungeliebten kleinen Nachbarn. Im Juni 2004 wurden Reise- und Geldtransfereinschränkungen für die exilkubanische Gemeinde in den USA verfügt. Statt wie zuvor jährlich dürfen Kubaner mit US-amerikanischem Pass ihre Familien nur noch alle drei Jahre besuchen. Und als Wohltäter können sie auf der Insel auch nicht mehr auftreten: Statt der 164 US-Dollar Reisegeld pro Tag billigt ihnen der US-amerikanische Gesetzgeber nur noch Reiseausgaben von täglich 50 US-Dollar zu. Ein herber Einschnitt – nicht nur für die Familien in Kuba, sondern auch für die Regierung in Havanna, denn früher oder später landete dieses Geld via Dollartiendas, den Devisenshops, auf den Devisenkonten der Regierung. Gleiches gilt für die so genannten Remesas, die Geldüberweisungen an Familienangehörige, Freunde und Bekannte. Die dürfen nur noch an engste Verwandte gehen, die nicht der kommunistischen Partei angehören. Für die Regierung in Havanna ist das eine Fortsetzung der Angriffe des »Imperiums im Norden«.
Vom Embargo noch mehr Gebrauch zu machen, ist längst eine rituelle Forderung im US-amerikanischen Wahlkampf. »Fidel den Saft abdrehen«, lautete die Parole der alten aufrechten Feinde Castros im Kleinhavanna von Miami, die traditionell beste Kontakte zum Weißen Haus haben. Auf der Insel machen sich derartige Angriffe auf die Devisenreserven des Landes schnell unangenehm bemerkbar. Und die Reaktion der Regierung in Havanna ließ nicht lange auf sich warten: Elf Jahre nach der Legalisierung des US-Dollars als Zahlungsmittel in Kuba folgte dessen Ablösung als Leitwährung durch den Peso Convertible.
Die Rückkehr
der Devisenklemme
Die US-amerikanische Kuba-Politik ist jedoch nur ein Grund für die Währungsumstellung. Ein anderer könnten dem kubanischen Ökonom Hiram Marquetti zufolge die sinkenden Devisenreserven sein. Schon Anfang 2004 gingen sie zurück. Obwohl Zahlen zur Verschuldung des Landes seit einiger Zeit von der Nationalbank nicht mehr publiziert werden, ist sich Marquetti weitgehend sicher, dass die Staatsverschuldung wächst. Mit teuren kurzfristigen Krediten zu Zinssätzen von 20 Prozent habe die Regierung ihre Zahlungsverpflichtungen bedient. Normale Kredite stehen der Insel seit der Stornierung ihrer Zins- und Tilgungszahlungen 1986 gegenüber den westlichen Gläubigern und einer ausstehenden Umschuldung nicht offen. Die Schulden belaufen sich schätzungsweise auf zwölf Milliarden US-Dollar. Als sich im Spätsommer letzten Jahres die finanzpolitischen Rahmenbedingungen wegen der immensen Schäden, die zwei Hurrikans verursachten, verschlechterten, war guter Rat teuer. Weit über eine Milliarde US-Dollar an Unwetterschäden bilanzierten offizielle Quellen – um die staatlichen Devisenreserven stand es schlecht.
Schon einmal hatte sich Kuba durch kluge Währungspolitik aus der finanziellen Klemme befreit. 1993 wurde der US-Dollar als Zahlungsmittel auf der Insel legalisiert. »Lebensmittel waren in den staatlichen Geschäften kaum mehr zu haben, auf dem Schwarzmarkt haben wir damals das nötigste eingekauft«, erinnert sich der Maler Juan Elias Navarro. Hygieneartikel wie Zahnpasta oder Seife gab es nur noch in den staatlichen Dollartiendas. Die standen damals allerdings nur Ausländern und Exilkubanern offen, denn Kubaner durften US-Dollars nicht besitzen.
Allerdings zirkulierte der US-Dollar trotzdem auf der Insel, und händeringend baten Kubaner Touristen damals, mit ihnen in die staatlichen Dollargeschäfte zu gehen um einzukaufen. »Bezahlen mussten die Ausländer, denen wir vorher unsere US-Dollars gaben«, schildert der schlaksige Maler aus Santiago de Cuba das damals übliche Prozedere. Navarro brachte seine Familie mit dem Verkauf seiner Gemälde an Touristen durch die schlimmsten Jahre der kubanischen Wirtschaftskrise. An allen Ecken und Enden fehlte es nach dem Zusammenbruch des realsozialistischen Lagers an Rohstoffen für die Produktion und an Energie für den Antrieb der Maschinen.
Die Verantwortlichen in Havanna suchten nach neuen Handelspartnern und Einkommensquellen. Mitte 1993 machte Finanzminister José Luis Rodríguez, heute Wirtschaftsminister der Insel, Kassensturz. Auf rund 500 Millionen US-Dollar bezifferte er die Summe, die zusätzlich nötig wäre, um die notwendigsten Importe bis zum Jahresende zu finanzieren. Kuba stand vor dem Staatsbankrott. Da an eine Kreditaufnahme nicht zu denken war, besann sich die Regierung darauf, die in der Bevölkerung zirkulierenden US-Dollars abzuschöpfen. Fidel Castro höchstpersönlich trat am 26. Juli 1993 vor die Fernsehkameras, um die Legalisierung des US-Dollars zu verkünden und den Kubanern zu erklären.
Auch Juan Elias Navarro saß damals vor dem Bildschirm. Gut erinnern kann er sich daran, wie schwer es dem kubanischen Staatschef fiel, die Maßnahme zu rechtfertigen. »Er prognostizierte gesellschaftliche Ungleichgewichte, die Spaltung der Gesellschaft in Menschen mit und ohne Dollars. Und genau das trat ein – die Jagd nach dem Dollar begann unseren Alltag zu dominieren. Der Greenback wurde zu unserer Leitwährung.«
Das finanzpolitische Abenteuer war allerdings ein ökonomischer Erfolg. Am Jahresende 1993 waren 574,8 Millionen US-Dollar an zusätzlichen Mitteln in den Staatskassen gelandet, so der Jahresbericht der kubanischen Nationalbank aus dem Jahr 1995. Kuba hatte den Staatsbankrott abgewendet. Der Preis dafür war aber hoch, denn der Dollar veränderte die kubanische Gesellschaftsstruktur.
Die Jagd nach dem Dollar
spaltet die Gesellschaft
Seitdem ist die Gesellschaft geteilt in Dollarbesitzer und Menschen ohne Dollars, und die Geldsendungen von Verwandten, die Remesas, sind längst ein wichtiger Bestandteil der schwindsüchtigen kubanischen Volkswirtschaft. Auf 1,2 Milliarden US-Dollar schätzt die Interamerikanische Entwicklungsbank (IDB) den Zufluss im Jahr 2003. Das ist ungefähr die Summe, die in dem landesweiten Netz von Dollarsupermärkten umgesetzt wird. Längst halten die Verwandten, vornehmlich aus Miami, die kubanische Wirtschaft über Wasser, denn die Überweisungen übertreffen bei weitem die Nettoeinnahmen aus dem Tourismus (Bruttoeinnahmen rund 2,2 Milliarden US-Dollar im letzten Jahr). Auf 30 Prozent schätzt der Wirtschaftswissenschaftler Hiram Marquetti den Nettoerlös. Somit sind die Remesas de facto die wichtigste Devisenquelle des Landes, noch vor dem Zucker, dem Nickel und dem Tabak, den wichtigsten traditionellen Exportprodukten.
Beatrix García dreht nach der Schicht in der Zigarrenfabrik Partagas noch einige Havannas auf eigene Rechnung. Tabak, Deckblätter und Verpackung lässt sie im Betrieb mitgehen. »Alle machen das so«, sagt sie schulterzuckend. Man will schließlich leben. Der Schwund in der kubanischen Volkswirtschaft ist entsprechend hoch, und die verstärkten Kontrollen fruchten nicht so recht. Dem Staat stehen die Interessen der Unterbezahlten gegenüber, die sich gegenseitig decken. Schwarzarbeit nach der Schicht ist weit verbreitet, und auf dem Schwarzmarkt wird all das verhökert, was am Arbeitsplatz entwendet werden konnte. Das ist in Kuba ein offenes Geheimnis, das auch den Verantwortlichen um Fidel Castro bekannt ist.
Zaghafte Versuche, gegen Veruntreuung und Selbstbedienung vorzugehen, hat es immer wieder gegeben. Doch solange sich die Durchschnittslöhne von rund 250 Pesos Nacional nicht an die Lebenshaltungskosten anpassen, wird sich an der um sich greifenden Selbstbedienungsmentalität kaum etwas ändern. Auch der Kontrolleur in der Zigarrenfabrik Partagas hat Kinder, die Schuhe brauchen, oder eine Freundin, die er einmal ausführen möchte, und das kann er sich mit seinem Peso-Gehalt kaum leisten. Beatrix kennt einige der Wachleute ganz gut. Und nach Schichtende wird ihre Tasche nur selten kontrolliert. Dafür sorgt die eine oder andere Zigarre, die sie den jungen Männern zukommen lässt. Das ist Teil ihrer Nebentätigkeit, die nach Feierabend beginnt und die ihr zusätzliche Dollars in die Kasse bringt. Das Geld trägt sie wie alle anderen in die Supermärkte der Regierung. Ein Paar Kinderschuhe kostet dort rund zehn US-Dollar, die Flasche Speiseöl zwei Dollar und 40 Cents. Das sind saftige Preise, an denen sich seit der Umstellung auf den Peso Convertible nichts geändert hat. Das Dollarsymbol auf den Preisschildern wurde durch das Kürzel CUC ersetzt. Das steht für den Peso Cubano Convertible.
Devisen für die
Regierungskasse
Für die Bevölkerung hat sich nichts Wesentliches geändert. »Statt in Dollar zahlen wir nun in Peso Convertible. Doch alle wissen, dass der an den Wert des US-Dollars gebunden ist«, sagt Carmen Almiñaque lakonisch. Statt wie bis zum 8. November dem Dollar hinterherzurennen, bemühen sich die Kubaner nun um den Peso Convertible. Für die kubanische Presse ist der Währungstausch hingegen »die Rückkehr zur Währungssouveränität«. Von der profitiert vor allem die Regierung: 500 Millionen US-Dollar soll die Ablösung der US-Währung durch den Peso Convertible in die leeren Kassen gebracht haben. Devisen, mit denen die Regierung durch den Winter kommen sollte.
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