Der Traum von Würde und Gerechtigkeit

25.11.2004 18:13
avatar  Chris
#1 Der Traum von Würde und Gerechtigkeit
avatar
Rey/Reina del Foro

Der Traum von Würde und Gerechtigkeit
Dokumentarfilm: "Allende - Der letzte Tag" von Michael Trabitzsch


Von Getreuen flankiert an seinem letzten Tag: Salvador Allende
Foto: Promo

Von Hanns-Georg Rodek
Am Ende von Walter Salles "Die Reisen des jungen Ché" setzt Ernesto Guevara in einer Leprakolonie zu seiner ersten politischen Rede an und träumt von einem Lateinamerika, das nicht von künstlichen Staatsgrenzen getrennt sei. In Michael Trabitzschs Allende-Film wiederum sieht man bei einer Massenkundgebung ein riesiges Guevara-Plakat an einer Wand - und Chiles damaliger Präsident fordert, Lateinamerika müsse mit einer einzigen Stimme sprechen. Und in Patricio Guzmáns "Salvador Allende" bezeugen Delegationen anderer südamerikanischer Länder dem ersten sozialistischen Staatsoberhaupt Chiles ihren Respekt. Salles' Film läuft schon in unseren Kinos, der von Trabitzsch startet heute, und Guzmáns sucht noch einen Verleih.

Vor Gericht würde man es eine Berufungsverhandlung nennen, die Wiederaufnahme eines geschichtlichen Falles, den man definitiv geschlossen glaubte. Die Häufung von Filmen über den versuchten Revolutionsexport über Castros Kuba hinaus kommt nicht zufällig. Lateinamerika war nach der militärischen Niederschlagung der Sozialismus-Experimente zwei Jahrzehnte lang das neoliberale Versuchskaninchen - und als Konsequenz sind nun mehr linke Regierungen an der Macht als je zuvor: in Argentinien, Brasilien, Venezuela, Paraguay, Uruguay und - moderate - in Chile und Bolivien.

Diese Entwicklung ist, wie so vieles in dem vergessenen Subkontinent, an uns vorbei gegangen, und das ist das Problem von Trabitzschs Film: Er setzt voraus, daß seine Zuschauer die Vor- und Nachgeschichte des anderen 11. September - der Tag des Militärputschs gegen Allende 1973 - parat haben. Das haben sie eindeutig nicht, und so werden sie staunend verloren vor seinem teilweise unglaublichen Material stehen, vor seiner geschickten Parallelmontage zweier Konfettiparaden beispielsweise, die eine für Allende, die andere für Nixon.

Im Grunde wünscht man sich ein Doppelprogramm aus Trabitzschs auf den Todestag konzentrierten und Guzmáns karriereumfassenden Film. Der eine hat Allendes Tochter vor die Kamera geholt und der andere seine Geliebte; bei einem packt der Ex-Vize einer rechten Sabotagetruppe aus, beim anderen schildert der damalige US-Botschafter die Planung des Staatsstreichs. Beiden gemeinsam ist die unverhohlene Sehnsucht nach einer Zeit, in der ein Politiker noch von der Würde des Menschen und der Gerechtigkeit einer Gesellschaft reden konnte, ohne daß seine Zuhörerschaft alle Hoffnung fahren ließ.

Quelle


Cuba-Reiseinfos
avenTOURa


 Antworten

 Beitrag melden
Seite 1 von 1 « Seite Seite »
Bereits Mitglied?
Jetzt anmelden!
Mitglied werden?
Jetzt registrieren!