Gespaltenes Land

05.11.2004 10:36
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Rey/Reina del Foro

Gespaltenes Land

Das Schicksal vieler Oppositioneller in Chile ist bis heute ungeklärt

Am 11. September 2003 jährt sich zum 30. Mal der Putsch in Chile. Der Weg des Landes zum Sozialismus war gescheitert. Viele Opfer der anschließenden Militärdiktatur warten bis heute auf Gerechtigkeit.

Am frühen Morgen des 11. September 1973 hatte die Marine die Hafenstadt Valparaiso besetzt, rund 1000 Anhänger der Allende-Regierung verhaftet und die Telefonleitungen nach Santiago gekappt. Salvador Allende hoffte auf Hilfe durch regierungstreue Einheiten unter der Führung von Oberbefehlshaber Augusto Pinochet, den er erst wenige Monate zuvor selbst eingesetzt hatte.

Um 8.32 Uhr erfuhr ganz Chile aus dem Radio, wie loyal der General wirklich war: "Armee und Carabineros von Chile erklären, dass der Präsident sofort seinen Posten an die Armee übergeben muss", begann die von Pinochet unterzeichnete Erklärung. Daraufhin nahm Allende sich in seinem Büro im Präsidentenpalast das Leben. Die Militärs, die bislang in Chile stets als der Demokratie verpflichtet galten, übernahmen die Macht im Land.

Allende hatte nicht nur im eigenen Land Gegner

Das sozialistische Experiment Allendes und seiner Partei Unidad Popular hatte von Anfang an mit starkem Widerstand zu kämpfen. Die Opposition im eigenen Land reichte von den Christdemokraten bis hin zum rechten Spektrum, von enteigneten Großgrundbesitzern bis zu Industriellen und Medien, die sich zum Sprachrohr der Regierungsgegner aufschwangen.

Die mächtigste Oppositionskraft saß allerdings in Washington: Die US-Regierung unter Präsident Richard Nixon und Außenminister Henry Kissinger hatte bereits 1970 versucht, die Wahl Allendes zu verhindern - vergeblich. Eine weitere sozialistische Regierung in der westlichen Hemisphäre - nach Kuba - wollten die USA nicht dulden. Der Geheimdienst CIA erhielt den Auftrag, im chilenischen Militär das Klima für einen Staatsstreich vorzubereiten.

Die Zahl der Flüchtlinge ist unbekannt

Die Zahl der Chilenen, die ins Exil flüchteten, ist bis heute nicht dokumentiert. Schätzungen gehen von 500.000 bis zu einer Million Menschen aus. Mit in Chile bis dato ungekannter Brutalität ging das Militär, die uniformierte Polizei und die Geheimpolizei gegen Regimegegner vor.

Zwei Wochen nach dem Putsch erkannten die USA die chilenische Militärregierung offiziell an. Die Junta regierte in Chile im Ausnahmezustand - es herrsche Krieg im Land, so die Rechtfertigung für Folter, Entführungen und das Verschwinden von Gefangenen.

Die Kirchen wurden zum Helfer. "Wir wussten, welche Botschaften bereit sind, Verfolgte aufzunehmen", erinnert sich Helmut Frenz, der damalige Bischof der evangelisch-lutherischen Kirche in Chile. "Wir bauten regelrecht ein Netzwerk mit den verschiedenen Botschaften auf, aber die von der Bundesrepublik Deutschland blieb lange, lange verschlossen."

Auf Entschädigung hoffen viele vergeblich

Die Opfer des Regimes kämpfen in Chile bis heute um eine Entschädigung. Lediglich die Angehörigen der Hingerichteten erhalten derzeit eine monatliche Rente von umgerechnet 250 Euro. Folteropfer und die Angehörigen von Verschwundenen sind bislang leer ausgegangen.

Den 30. Jahrestag des Putsches erlebt die chilenische Gesellschaft tief gespalten. Während die einen Pinochet als den Retter vor dem Marxismus feiern und gerne auf die wirtschaftliche Entwicklung Chiles verweisen, fühlen sich die Opfer der Menschenrechtsverletzungen nach wie vor alleingelassen.

Die Wunden sind noch nicht verheilt

Mit Ricardo Lagos, dem dritten demokratisch gewählten Präsidenten seit dem Ende der Diktatur, sitzt derzeit wieder ein Sozialist im Präsidentenpalast. Doch auch ihm sind die Hände gebunden: Wichtige Reformen scheitern an der Blockadepolitik der rechten Opposition, die über die entscheidenden Stimmen im Senat verfügt.

Salvador Allende und Augusto Pinochet: diese beiden Namen werden die chilenische Gesellschaft noch lange spalten. Auf der einen Seite stehen jene, die von der Diktatur profitiert haben, wirtschaftlich und politisch - für sie hat sich mit dem Übergang zur Demokratie wenig geändert. Auf der anderen Seite: die Verlierer, die Opfer - für sie hat das Ende der Diktatur keine wesentlichen Vebesserungen gebracht, weder juristisch noch wirtschaftlich.

Mirjam Gehrke


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