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Salsa Cubana – Tanz der Geschlechter. Emanzipation und Alltag auf Kuba
#1 Salsa Cubana – Tanz der Geschlechter. Emanzipation und Alltag auf Kuba
In Antwort auf:http://www.jungle-world.com/seiten/2004/39/4009.php
Kuba, sie, Kuba, erDer Sozialismus auf Kuba sollte auch die Geschlechterrollen revolutionieren. Was davon übrig geblieben ist, erforscht der Band »Salsa Cubana«.
von wolf-dieter vogeChe-Guevara-Kappe, geballte Faust und selbstbewusster Blick – so sehen kubanische Revolutionäre und ihre internationalen Freunde gerne die Frau im sozialistischen Inselstaat, und solch ein Bild zeigt das Cover von »Salsa Cubana« über den »Tanz der Geschlechter« in Kuba. Allerdings vermittelt dieses Bild insofern einen falschen Eindruck, als das Buch sich ganz und gar nicht mit den männlich geprägten linksromantischen Projektionen abgibt. Völlig ernüchternd wirkt das erste Fazit, das nach der Lektüre gezogen werden muss: Die geschlechtsspezifischen Benachteiligungen und Gewaltverhältnisse existieren im übrig gebliebenen Sozialismus ebenso wie im Rest der Welt. Auch kubanische Frauen werden von ihren Männern geschlagen, sind doppelter Ausbeutung in Arbeit und Familie ausgesetzt oder leben von der Prostitution.
Ist also alles beim Alten? Oder besser: Ist alles wieder beim Alten? In den frühen Revolutionsjahren habe die Regierung von Fidel Castro mit mittelmäßigem Erfolg darauf gesetzt, Herrschaftsverhältnisse durch ökonomische Gleichstellung aufzuheben, schreibt die Herausgeberin Miriam Lang. Die Einrichtung von Kindertagesstätten, Wäschereien und Kantinen sorgte dafür, dass mehr Frauen arbeiteten. Doch spätestens seit dem Zusammenbruch des Ostblocks und der daraus folgenden tiefen Wirtschaftskrise ist Schluss mit der ökonomischen Gleichheit der Geschlechter. Massentourismus und die Einführung des Dollar hätten eine »Parallelität zweier Ökonomien« geschaffen, die auch die Rolle von Frauen neu definiere, schreibt Lang. Einst als »Genossin« in den staatlich organisierten Arbeitsprozess eingebunden, vermieten viele Frauen heute Zimmer, fahren Taxi oder »organisieren« das Lebensnotwendige auf dem Schwarzmarkt. Wer kann, arbeitet für Dollar im Tourismus.
Oder wandert aus. Wie stark die Sehnsucht nach Flucht die Beziehungen zwischen Mann und Frau beeinflussen, beschreibt die Ethnologin Ingrid Kummels anhand von Migrationsstrategien ihrer kubanischen Verwandtschaft. Um das Land verlassen zu können, seien Scheinehen, Scheidungen und langjährige räumliche Trennungen auf der Tagesordnung. Mehr Menschen als früher würden gezielt ein »vornehmlich das wirtschaftliche Überleben sicherndes oder auch Wohlstand versprechendes Heiratsarrangement anpeilen«, resümiert Kummels.
Auch die durch die US-Wirtschaftsblockade verschärfte ökonomische Situation kann nach Meinung Langs nicht darüber hinwegtäuschen, dass viele Probleme hausgemacht sind. Während die karibischen Revolutionäre durch kollektive Erziehung oder kontrollierende Stadtteilkomitees die Trennung von Privatsphäre und öffentlichem Raum explizit aufgehoben hätten, werde Gewalt gegen Frauen in der Familie zur Privatsache erklärt. So würden weiblichen Gewaltopfern Staatsbürgerrechte vorenthalten, indem der Staat es unterlässt einzugreifen, folgert Lang mit Blick auf feministische Debatten im kapitalistischen Westen. Angriffe gegen Frauen würden erst als Delikt ernst genommen, »wenn sie die öffentliche Ordnung stören oder aber zu schweren Verletzungen führen«. Und gerade weil Kubanerinnen als emanzipiert und stark angesehen würden, zählten Opfer männlicher Aggression gleich doppelt als Versagerinnen: »individuell gegenüber dem Partner und sich selbst, und gesellschaftlich gegenüber den im Namen der Revolution und des Sozialismus definierten Emanzipationsidealen«, resümiert Lang, die zu diesem Thema in Kuba wissenschaftlich gearbeitet hat.
Trotz harscher Kritik verfallen die Autorinnen, die alle in akademischen oder journalistischen Berufen auf der Insel arbeiten, nicht in eine simple Verurteilung der kubanischen Verhältnisse. So gibt sich Sarah Más Farias von der regierungseigenen Tageszeitung Granma keine Mühe, die Zunahme von Prostitution im Land herunterzuspielen. Sexarbeit werde von vielen Kubanern und Kubanerinnen nicht verschmäht, resümiert sie. Und das hat angesichts der Geschichte des Landes eine besondere Bedeutung. Schließlich galt Kuba in vorrevolutionären Zeiten als Puff der US-amerikanischen Oberschicht.
Nach den Ergebnissen einer Untersuchung der Universität von Havanna wird heute ein Drittel der befragten Prostituierten von der Familie zu dieser Arbeit ermutigt, über 80 Prozent fühlen sich von ihrem sozialen Umfeld akzeptiert. Für viele im Sexgeschäft Arbeitende ist dieser Job nicht der letzte Ausweg, um über die Runden zu kommen. Im Gegenteil, häufig verfügen Prostituierte über Hochschulabschlüsse oder hohe Schulbildung. »Was mich am meisten reizt, ist zu reisen, die Welt kennen zu lernen«, zitiert Más Farias eine junge schwarze Sexarbeiterin. Viele Jineteras und ihre männlichen Kollegen erhoffen sich, durch die Prostitution nicht nur harte Dollar, sondern gleich noch den idealen Ausreisepartner zu finden.
Es verwundert nicht, dass alle repressiven Maßnahmen der Regierung, die Sexarbeit einzudämmen, zum Scheitern verurteilt sind. Zu viele Menschen suchen nach Möglichkeiten, um die Insel zu verlassen; und zu verlockend scheint die Möglichkeit, durch einen schnellen Job im Bett das Zigfache eines durchschnittlichen Monatslohns zu verdienen. Dessen sind sich die Verteidiger der sozialistischen Revolution, und damit auch die kubanischen Autorinnen, sehr bewusst. Selbst die regierungstreue Psychologin Patricia Arés Muzio räumt ein, dass »der lange Arm des Marktes Kuba auf sehr subtile Weise erreicht hat und Beziehungen unterminiert, die eigentlich von Liebe und Solidarität geprägt sein sollten«.
Texte wie der von Arés Muzio zeigen zugleich, dass und wie innerhalb der kubanischen Gesellschaft über Geschlechterrollen, Sexbusiness oder Homophobie diskutiert und wissenschaftlich geforscht wird. Ob in der Universität von Havanna oder der staatlich kontrollierten Jugendzeitung Juventud Rebelde, überall räumt man den Themen heute zumindest einen gewissen Raum ein.
Früher wollten die Revolutionäre von solchen Untugenden nichts wissen. Im Gegenteil: Castro stellte in den sechziger Jahren klar, man habe noch nie geglaubt, »dass ein Homosexueller die Anforderungen erfüllen und sich so verhalten kann, dass wir ihn als einen echten Revolutionär, einen echten Kommunisten bezeichnen können«. Folgerichtig sperrten die aufrechten Revolutionäre damals viele Schwule in »militärische Einheiten zur Unterstützung der Produktion«. Schauspieler wurden entlassen, Lehrer erhielten Berufsverbote, schreibt die Journalistin Dalia Acosta Pérez.
Erst der große Erfolg des kubanischen Schwulenfilms »Erdbeer und Schokolade« im Jahre 1993 sorgte in der machistisch geprägten und folgerichtig homophoben Gesellschaft Kubas für einen Wandel. Zwar liegt die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften immer noch in ferner Zukunft; offen diskriminierende Gesetze sind allerdings bereits abgeschafft worden. »Das Schlimmste« sei nun vorbei, zitiert Acosta Pérez Schwule und Lesben in einer Studie über Homophobie. Doch, so ergänzt sie, »wie auch die rechtliche Gleichstellung von Frauen vor über 40 Jahren gezeigt hat, ist es eine Sache, ein Gesetz zu verabschieden, und eine ganz andere, eine wirkliche Veränderung im Denken der Bevölkerung zu bewirken«.
Miriam Lang (Hg.) Salsa Cubana – Tanz der Geschlechter. Emanzipation und Alltag auf Kuba, Konkret, Hamburg 2004, 12 Euro
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