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Tropensehnsucht und Forscherdrang
Tropensehnsucht und Forscherdrang
Humboldts Lateinamerika-Reise vor 200 Jahren
Vor fast genau 200 Jahren landete Alexander von Humboldt nach einer epochemachenden Forschungsreise nach Lateinamerika wieder in Europa. Die Erkenntnisse seiner Expedition hat er in den Jahren 1805 bis 1839 in 34 Bänden in französischer Sprache veröffentlicht. Mit ihnen begründete Humboldt die moderne Geographie.
Am 3. August 1804 betrat Alexander von Humboldt in Bordeaux erstmals nach fünf Jahren wieder europäischen Boden und beendete damit eine Forschungsreise in die Tropen der Neuen Welt, die ihn weltberühmt machen sollte. Laut Humboldt hatten die Schilderungen der Südseeinseln in einem Bericht des Reiseschriftstellers Georg Forster den ersten Anstoss zu seiner «unvertilgbaren Sehnsucht nach der Tropengegend» gegeben. Forster hatte an der zweiten Weltumsegelung von James Cook 1772 bis 1775 teilgenommen. Dass sich Humboldt dann ausgerechnet Südamerika als Reiseziel aussuchte, mag damit zusammenhängen, dass ihn die Hochgebirge mit ihren Lebensräumen faszinierten. Die Anden galten als das höchste Gebirge der Welt.
Eine Leidenschaft für Messinstrumente
Humboldt hatte sich zum Ziel gesetzt, die Erde als Ganzes, als ein Zusammenspiel verschiedenster Vorgänge zu erforschen und zu beschreiben. Wie der Geograph und Historiker Hanno Beck 2003 in seinem Buch «Alexander von Humboldts amerikanische Reise» aufzeigt, war die Leitwissenschaft Humboldts die physikalische Geographie, die im Gegensatz zu heute auch den Menschen einschloss. Beck, der inzwischen im Ruhestand lebt und als bedeutender Humboldt- Forscher der Gegenwart gilt, hatte bis 1987 an der Universität Bonn einen Lehrstuhl für die Geschichte der Naturwissenschaften inne und war Leiter des Amtes für Forschung der Humboldt- Gesellschaft. Er setzt ein grosses Fragezeichen zur gängigen Vorstellung von Humboldt als dem Übervater aller Naturwissenschaften. Nach Beck ist Humboldt vielmehr der Begründer der Pflanzengeographie, ein Mitbegründer der Klimatologie, und er beschrieb auch bereits Formen der Erdoberfläche mit ersten Ansätzen zu ihrer Erklärung. Hierzu gehören die klassischen topographischen Profile, mit denen Humboldt 1799 Spanien und 1803 Mexiko darstellte. Er lieferte auch wichtige Ansätze für die Seen-, Fluss- und Meereskunde und die Tiergeographie. Auch wirtschaftliche und gesellschaftliche Erscheinungen behandelte Humboldt und leitete die moderne Länderkunde mit Werken über Kuba und Mexiko ein. Als bedeutend gelten seine Leistungen zudem in der thematischen Kartographie. Humboldt hat den ersten geographisch-physikalischen Weltatlas geschaffen. Nach Beck stellt Humboldts Südamerika-Expedition den Übergang von den Entdeckungs- zu den Forschungsreisen und zugleich den Beginn der wissenschaftlichen Erdkunde dar.
Eine Erbschaft und lange Vorbereitungen
Humboldt hatte sich nach eigenen Aussagen sechs Jahre lang auf seine Forschungsreise nach Südamerika vorbereitet. Unter anderem pflegte er Kontakte zu namhaften Persönlichkeiten seiner Zeit, beispielsweise zu Goethe und Schiller. In Gesprächen mit Carl Ludwig Willdenow, dem Direktor des Botanischen Gartens in Berlin, entstand die Idee, eine Geographie der Pflanzen zu entwickeln. Humboldt war vernarrt in Messinstrumente; dank ständiger Übung war ihm deren Handhabung bei Antritt der Forschungsreise vertraut. Eines der wichtigeren Instrumente war das Barometer zur Bestimmung von Höhen.
1796 starb Humboldts Mutter und hinterliess ihm und seinem Bruder Wilhelm ein grosses Vermögen. Damit war für Humboldt der Weg frei, seine Ambitionen als Forscher auf eigene Rechnung zu verwirklichen. In Paris lernte er den Arzt und Botaniker Aimé Bonpland kennen. Dieser folgte seiner Einladung, ihn auf der Forschungsreise zu begleiten. In Madrid erhielten sie dann vom spanischen König Carlos IV. die Erlaubnis, Spanisch-Amerika zu bereisen.
Von der spanischen Stadt La Coruña aus, wo das Schiff am 5. Juni 1799 ablegte, ging die Fahrt nach Teneriffa. Hier bestiegen Humboldt und sein Begleiter den höchsten Berg der Insel, den Pico de Teide. Am 17. Juli 1799 betraten sie in Cumana in Venezuela erstmals den Boden Südamerikas. Ein gutes halbes Jahr später brachen sie mit einheimischen Führern zu Pferd und mit Maultieren, welche die Instrumente trugen, ins Hinterland und an den Orinoco auf. 700 Meilen wollten sie zurücklegen, zwei Drittel davon im Kanu. Missionare, Indios und Händler reagierten verständnislos. «Wie soll einer glauben, dass ihr euer Vaterland verlassen habt, um euch auf diesem Fluss von den Moskitos aufzehren zu lassen und Land zu vermessen, das euch nicht gehört!», hiess es. Auf dieser strapaziösen Reise sammelten die beiden Tausende von Pflanzen- und Gesteinsproben. Humboldt verortete die Flussgabelung des Casiquiare mit dem Orinoco im Gradnetz der Erde. Nach der Rückkehr an die venezolanische Küste und einem darauf folgenden mehrmonatigen Aufenthalt auf Kuba betraten die beiden im März 1801 erneut südamerikanischen Boden, dieses Mal in der Nähe der kolumbianischen Stadt Cartagena. Ein Schiff brachte sie in einer 53-tägigen Fahrt flussaufwärts in die Nähe von Bogotá. Von da ging die Reise weiter nach Quito, Ecuador, wo sie am 6. Januar 1802 eintrafen. In Kolumbien und Ecuador bestiegen sie ohne alpinistische Ausrüstung verschiedene Vulkane, unter anderen den Chimborazo (6310 Meter über Meer). 900 Meter unter dem Gipfel mussten sie schliesslich umkehren, weil, wie Humboldt schreibt, eine Art Talschlucht von etwa 400 Fuss Tiefe und 60 Fuss Breite sowie ein Wettersturz ihrem Unternehmen ein Ende setzten. Den südlichsten Punkt ihrer Expedition, die peruanische Hauptstadt Lima, erreichten sie am 23. Oktober 1802.
Der pflanzengeographische Ansatz
Zwei Monate später schifften sich Humboldt und Bonpland in Lima nach dem ecuadorianischen Küstenort Guayaquil ein. Humboldt erlebte hier das feuchtheisse tropische Klima der «Tierra caliente». Während des kurzen Aufenthaltes entwarf er erstmals sein Profil mit dem Titel «Geographie der Pflanzen nahe des Äquators. Naturgemälde der Anden und benachbarter Länder nach Beobachtungen und Messungen auf den Standorten 1799-1803». Damit beschrieb Humboldt als Erster wissenschaftlich den Übergang vom ewigen Sommer zum permanenten Winter in den Anden und hielt fest, wie sich die Vegetation entsprechend der Höhenstufe verändert. Humboldt übernahm die alltäglichen Begriffe der Spanier und bezeichnete die einzelnen Höhenstufen mit Tierra caliente, Tierra templada, Tierra fria, Tierra helada und Tierra nevada. Diese Ausdrücke umfassen mehr als eine Einteilung nach pflanzengeographischen Kriterien. Sie stehen für Gebirgs-Lebensräume, in welche die ganze Komplexität des Klimas, der Agrarnutzung, der Ausprägung der potenziellen Vegetation und die damit verbundene Gestaltung der Kulturlandschaft mit ihrer Bevölkerungsverteilung einfliessen.
Nach einem fünfwöchigen Aufenthalt reisten Humboldt und Bonpland nach dem mexikanischen Hafen Acapulco weiter, wo sie am 22. März 1803 an Land gingen. In Mexiko City studierte Humboldt das gewaltige Entwässerungssystem der Stadt, besuchte Bergwerke und fertigte Gutachten an. Vom Atlantikhafen Veracruz aus begaben sich er und sein Gefährte nach Kuba. Nach ihrem zweiten Aufenthalt auf der Zuckerinsel stiegen sie am 29. April 1804 an Bord eines amerikanischen Frachtschiffes. In den Vereinigten Staaten traf Humboldt amerikanische Wissenschafter und wurde von Präsident Thomas Jefferson empfangen. Die Heimreise traten die zwei Forscher einige Wochen später an Bord der «Favorite» an. Anfang August 1804 kamen sie in Frankreich an, zusammen mit 40 Kisten ihrer wissenschaftlichen Ausbeute. Diese setzte sich unter anderem aus Pflanzen, Gesteinen und Mineralien zusammen. Die amerikanische Forschungsreise, die mehr als fünf Jahre gedauert hatte, war zu Ende.
Rund drei Jahrzehnte lang hat Humboldt seine amerikanische Forschungsreise ausgewertet, den grössten Teil dieser Zeit verbrachte er in Paris. Sein 34-bändiges Reisewerk «Voyage aux Regions équinoxiales du Nouveau Continent» erschien zwischen 1806 und 1839. 12 Bände sind der Geographie gewidmet, 2 den Messungen, 18 der Botanik und 2 der Zoologie. Kernstück der Bände geographischen Inhalts ist die «Relation historique», die aus 3 Bänden und 2 Atlanten besteht und den eigentlichen Reisebericht enthält. Dieser deckt jedoch nur das erste Drittel der gesamten Forschungsreise ab, zeigt aber den Kern von Humboldts wissenschaftlichem Ansatz. Immer wieder unterbricht der Forscher die Routenschilderung. Diese verschwindet fast unter den Exkursen geographisch-physikalischen Inhalts und der Suche nach Analogien, Unterschieden und Zusammenhängen. Ähnlich präsentiert sich seine in deutscher Sprache verfasste Aufsatzsammlung «Ansichten der Natur», die 1807 erschien. In gewissem Sinne war das nicht nur die Geburtsstunde der modernen Geographie, sondern auch der Ökologie, wenn auch der Begriff erst 1866 vom deutschen Naturforscher Ernst Haeckel eingeführt worden ist.
Martin Leuch
NZZ, 28.07.04
> Alexander v. Humboldt:
Diplomatie und Wissenschaft
M. Le. Alexander von Humboldt war 1769 in eine reiche Adelsfamilie geboren worden und verbrachte seine Jugend in Berlin. Früh verlor er seinen Vater. Unterrichtet wurden er und sein Bruder von Hauslehrern. Seine Mutter zwang ihn, Kameralistik (Finanzwissenschaft) zu studieren. Dieses Studium schloss er aber nicht ab, sondern widmete sich bald an der Bergakademie Freiberg in Sachsen dem Bergbau. Von 1792 bis zum Tod seiner Mutter 1796 war er mit Erfolg im bergmännischen Staatsdienst Preussens tätig. Dann begann er mit den Vorbereitungen für seine grosse Reise.
Nach seiner Rückkehr aus Amerika arbeitete er vor allem an seinem 34-bändigen Reisewerk. Dies dauerte nicht zuletzt sehr lange, weil Humboldt gleichzeitig auch in diplomatischer Mission für Preussen tätig war. Von 1808 bis 1827 blieb Humboldt in Paris und brauchte den Rest seines Erbteils auf. Sein Traum einer Reise nach Asien, bei der er einen Vergleich zwischen dem Himalaja und den Anden anstellen wollte, ging wegen Widerständen der britischen Kolonialmacht nicht in Erfüllung. 1829 bereiste Humboldt jedoch mit einem Forscherteam im Auftrag des russischen Finanzministers achteinhalb Monate lang Russland.
Die letzten 30 Jahre bis zu seinem Tod 1859 verbrachte er in Berlin. Lange Jahre diente er dem König von Preussen, Friedrich Wilhelm III., als «diensttuender Kammerherr» und war dessen Berater und Reisebegleiter. In Berlin hielt er auch seine berühmten «Kosmos»-Vorlesungen über physikalische Geographie und veröffentlichte unter diesem Titel auch ein Buch. Dieses avancierte zum grössten wissenschaftlichen Bestseller der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Während dieser Zeit setzte sich Humboldt auch immer wieder für die Anerkennung der Wissenschaft und für junge Wissenschafter ein. Zeit seines Lebens hat er sich zudem gegen Sklaverei und Ausbeutung stark gemacht und sich kritisch zum Kolonialismus geäussert. Er setzte sich intensiv mit den Lebensbedingungen der Menschen und mit den Kulturen der Indianer Lateinamerikas auseinander. So erstaunt es nicht, dass er in Lateinamerika von Chile bis Mexiko als der wahre, wissenschaftliche Entdecker Amerikas gefeiert wird.
In Antwort auf:
Zeit seines Lebens hat er sich zudem gegen Sklaverei und
Ausbeutung stark gemacht und sich kritisch zum Kolonialismus geäussert.
Es stimmt, dass er gegen Sklaverei war aber das hat er erst 1826 veröffentlicht
als er 57 war und so nicht mehr für die grossen Reisen interessiert.
Da beschreibt er auch, dass die Monokultur Zucker für Kuba nicht gut ist.
Aber für Spanien und später für die USA war Zucker die Einahmequelle und
nicht landwirtschaftliche Erzeugnisse, die die Bevölkerung brauchte um nicht zu hungern.
Die Hälfte des fruchtbarsten Boden haben USA gehabt.
Hätte er das früher veröffentlicht,
so hätte er keine Erlaubnisse für neue Reisen von Kolonialländer Europas bekommen.
Gruss
Jose
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