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Die gemächliche Seite der Karibik
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Die gemächliche Seite der KaribikDer Osten Kubas war Indianerland und blieb ländlich geprägt - kein Vergleich mit der lärmenden Hauptstadt Havanna.
Von Roland Mischke
Und trotzdem hat sich Bolle ganz köstlich amüsiert", heißt es im berühmten Berliner Gassenhauer. Hoteldirektor Peter Pasewald stammt aus Deutschlands Hauptstadt und kann sich köstlich amüsieren über seine Heldentaten. "Meine Schwiegermutter ist ein richtiger Drachen", gewährt der 61-Jährige, verheiratet mit einer 28-jährigen Kubanerin, Einblick ins Familienleben. "Bin ich länger als eine Stunde zu Besuch, fliegen die Fetzen. Denn der Kommunismus ist auf dieser Insel am Ende, aber die gestandene Kommunistin weigert sich, das zuzugeben. Das gibt dann richtig Zoff."
Kuba erlebt abermals eine schwere ökonomische Krise, eine "periodo especial", und um die Gesundheit des greisen Fidel Castro soll es nicht gut stehen. Aber Peter Pasewald denkt nicht daran, die Insel zu verlassen. "Von unserem Hotel aus habe ich den besten Blick auf die Bucht, in der Kolumbus am 28. Oktober 1492 ankam", sagt er. Pasewald betet mit geschlossenen Augen herunter, was der Entdecker der Neuen Welt seinerzeit notierte: "Niemals habe ich ein schöneres Land gesehen . . . es übertrifft alles an Zauber und Anmut, so wie der Tag die Nacht an Glanz übertrifft. Ich bin überwältigt beim Anblick solcher Schönheit."
Fast ein Dutzend Orte an der Nordküste beanspruchen den Ruhm, zuerst von Kolumbus gesichtet und betreten worden zu sein. Unter Historikern gilt als gesichert, dass es die Bucht von Bariay war. Exakt an diese Bucht grenzt das Maritim Hotel, das Peter Pasewald führt. Am breiten Strand ist noch alles so wie damals, als Kolumbus seinen Segler "Santa Maria" ankern ließ: "Palmenblätter von einer Größe, dass sie als Dächer der Hütten dienen. Der Strand ist voll von Tausenden von Muscheln. Welch reine Luft und ständig eine überwältigende Symphonie von Vogelgesang!"
Kürzlich hat die deutsche Hotelkette das riesige Costa Verde Beach Resort, anmutig in die Bucht eingelagert, übernommen, für viele Millionen renoviert und umgebaut. Knapp 300 Mitarbeiter kümmern sich um etwa eben so viele Zugereiste. Viele der dienstbaren Geister sprechen Deutsch. Zur Anlage gehören ein Poolbereich, mehrere Restaurants, die schärfste Stranddisco in Kubas Osten und alle möglichen sportlichen und wassersportlichen Angebote.
Vergessen sind die Indianer, die einst die größte Insel der Antillen bevölkerten und von den Spaniern bis zum letzten Kind ausgerottet wurden. Kubas Osten war Indianerland. Archäologen haben um die Stadt Holgui´n herum so viele Werkzeuge, Keramikscherben und andere Gegenstände ausgegraben wie nirgendwo sonst auf der Insel. Die Ursiedler sollen vor 10 000 Jahren von Südamerika her über die karibische Inselkette eingesickert sein. Sie lebten vom Sammeln, Jagen, Fischen und bescheidenem Ackerbau, waren Meister im Töpfern, kannten aber noch kein Feuer. Ihre Körper bemalten sie mit rotschwarzen Naturfarben.
Zuerst reichten die Indianer den von der langen Seefahrt erschöpften Spaniern Früchte. Doch als 1511 der blutrünstige Diego de Vela´zquez als erster Gouverneur mit einem Trupp von Söldnern die Insel zu kolonisieren begann, wurden die Früchte schnell gegen Eisen ausgetauscht. Innerhalb eines halben Jahrhunderts waren sämtliche Ureinwohner ausgerottet.
Als Peter Pasewald seinen Besuchern Kubas einziges Indianer-Freilichtmuseum zeigt, sind die Ausländer dort unter sich. Die Kubaner finden - im Gegensatz zu anderen lateinamerikanischen Nationen - ihre Wurzeln nicht in der indianischen Kultur. Zudem haben sie zurzeit andere Sorgen. Dabei bietet die Schau mit lebensgroßen Figuren einen guten Einblick in die Alltagswelt der Indianer. Deren Frauen vermischten sich bereitwillig mit den Kolonisten; die kannten dennoch keine Gnade.
Kubas Osten kann mit der lärmenden Metropole Havanna nicht verglichen werden. Hier geht es entschieden gemächlicher zu, wird die Siesta eingehalten, Angestellte dösen vor Autowerkstätten und Büros. Die Gegend ist ländlich geprägt. In Dörfern gackern Hühner, Schweine grunzen im Garten. Um ein paar Häuser wachsen Zitrusfrüchte, Grapefruits und Orangen, etwas weiter gibt es Kaffeesträucher, ein kleines Tabakfeld. Nur die Hauptstraße ist asphaltiert.
Die Bauernfamilien leben kärglich und wohnen großteils in "Bohos", Rundhäusern mit Palmendach, wie die indianischen Ureinwohner. Breitkrempige Männergestalten transportieren Lasten auf Mauleseln, andere dirigieren ein Ochsengespann statt eines Lastwagens. Ihre Kinder müssen zur Schule oft sehr weit laufen. Nur die Frauen haben, wie so oft auf Kuba, ein freundliches Lächeln für Fremde. Empfehlenswert ist, sich zum Herumstromern einen Oldtimer zu mieten, so einen Heckflossen-Amikreuzer aus den 50er-Jahren. Meist sind die nun mit Motoren aus sowjetischen Lkw versehen. Mietpreis pro Tag ab 25 Dollar. Busfahrten sind - in drangvoller Enge - nur teilweise möglich. Die Straßen sind um Holgui´n herum recht gut befahrbar.
Die Provinzhauptstadt Holgui´n ist benannt nach ihrem Gründer, einem spanischen Kapitän, der sich 1523 hier festsetzte. Im 19. Jahrhundert erlebte die Stadt ihren Aufschwung. Zuckerrohr, Tabak und Vieh brachten gutes Geld. Inzwischen ist sie längst wieder Aschenputtel. Rohrzucker ist auf dem Weltmarkt kaum gefragt, Holgui´n macht einen vergammelten Eindruck. Immerhin gibt es einige Kunstgalerien, Musikkneipen und Restaurants.
Die Kathedrale San Isidoro von 1720 könnte eine Restaurierung vertragen, zum Hügel Loma de la Cruz führt eine Treppe hinauf, der Ausblick auf die Bergwelt mit dem Meer dahinter ist grandios. Im Museo de Ciencias Carlos de la Torre ist Kubas größte Sammlung von Schneckenhäusern und Muschelschnecken zu sehen. Souvenirjäger werden in der Puppenfabrik fündig. Der bärtige Landeschef wird aber nicht nachgebildet, so dass niemand am Bart des Diktators zupfen kann.
Abends bleiben die meisten Touristen im Hotel, denn zu fortgeschrittener Stunde lockt "Salsa" am Strand. Getanzt wird auf Bretterböden. Eine erfrischende Brise kommt von See her, die Sterne glänzen wie Diamanten. Aus Lautsprechern dröhnen Verheißungen: "Dos gardenas para ti"´ (zwei Gardenien für dich), "te adoro" (ich verehre dich) und natürlich "te quiero" - ich liebe dich. Percussion, Klavier und Trompeten treiben sich gegenseitig an. Die fetzigen Rhythmen gehen in den Bauch, rotieren im Unterleib. Der ganze Körper wird fließende Bewegung. "Salsa" heißt Soße und stammt aus der afrokubanischen Kultur. Es ist ein Gemisch aus verschiedenen Tänzen Lateinamerikas mit Elementen von Mambo, Rumba, Guaguanco und anderen Tänzen. Die Tänzer bewegen sich raumgreifend, mal mit fast regungslosen Schultern und nur schwachen Hüftbewegungen, dann eng aneinander geschmiegt, wirbelnd, keuchend und sich wieder entflechtend. Erotischer Ausnahmezustand im Reich des Diktators, in dem ohne Tourismus nichts mehr ginge.
"Der Mann schaut, ob alles gut läuft. Die Frau schaut, ob sie gut ausschaut", kommentiert Peter Pasewald, der sich wie Bolle köstlich amüsiert.
erschienen am 24. Juli 2004 in Reise
Moskito
Der liebe Hoteldirektor Pasewald hat entweder Orientierungsprobleme, oder wurde von seiner Schwiegermama falsch instruiert.
Playa Pesquero, wo das Maritim Costa Verde Beach liegt, grenzt jedenfalls nicht an Cayo Bariay. Wenn das Wetter gut ist, kann man vom Hotel aus vielleicht die Landspitze erkennen, mehr aber nicht. Immerhin liegt zwischen Pesquero und Bariay noch ein Häfchen und eine Landzunge. Dann gibt´s da noch die Strände Don Lino (von Rafael Freyre kommend rechts weg) und Playa Blanca. Diese beiden Strandabschnitte liegen in der Bucht von Bariay - und von der Playa Blanca kann man ggü. das auf dem höchsten Punkt von Bariay gelegene Restaurant erkennen.
Also ich habe ja jetzt im Mai einige Tage dort im Hotel verbracht, konnte aber nicht feststellen, daß hier Millionen in Renovierung gesteckt wurden. Es sah genauso aus, wie ein Jahr vorher. Rundhütten habe ich in der Gegend um Freyre bei der normalen Bevölkerung auch noch keine gesehen - auf Bariay sind sie Anschauungsobjekte. Und zur schärfsten Strandiso des cubanischen Osten fällt mir nur eines dazu ein: Gäääääääääähnnnnn!
Aber klar, als Hotelmanager kennt man halt nur sein Hotel und seinen Hausdrachen recht gut.
#3 RE:Die gemächliche Seite der Karibik
In Antwort auf:Dabei hat der ansonsten allwissend daherschreibende Hoteldirektor völig übersehen (oder absichtlich unterschlagen) daß es offiziell für 25 Dollar/Tag vermietete 50-er Schlitten überhaupt nicht gibt.
so einen Heckflossen-Amikreuzer aus den 50er-Jahren. Meist sind die nun mit Motoren aus sowjetischen Lkw versehen. Mietpreis pro Tag ab 25 Dollar.
e-l-a
#4 RE:Die gemächliche Seite der Karibik
#6 RE:Die gemächliche Seite der Karibik
In Antwort auf:
Playa Pesquero, wo das Maritim Costa Verde Beach liegt, grenzt jedenfalls nicht an Cayo Bariay.
Stimmt! Vor vier Jahren habe ich dort mal einen Freund besucht. Von der Hauptstraße Holguin-Guardalavaca gings nach rund 30 km links ab und dann noch mal 6-7 km mitten durch die Taiga. Rechts und links gab es (mal abgesehen von drei netten Mädels an einer Bushaltestelle -oder was immer da hält-) gar nichts. Weiter in Richtung Hotel wurde 2000 mehr oder minder kräftig gebaut. Das Hotel schien ganz nett, der Strand war aber auch nicht wirklich toll. Wo da die schärfste Stranddisco sein soll, wüsste ich auch mal gern.
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