Ein Platz an der Sonne
von Christian Bauschke

Wir brauchen Visionen, einen Ruck, neue Ziele. Wie Kanada. Dort kämpft der konservative Abgeordnete Peter Golding dafür, die Karibik-Inseln Turks und Caicos zu kanadischen Provinzen zu machen. Damit man künftig an Palmen und Riffs, Flamingos und Strände denkt, wenn man Kanada hört. Den kühlen Riesen im Norden verbindet erstaunlich viel mit der noch-britischen Kronkolonie. Schon 1917 forderte Ministerpräsident Robert Borden eine Union mit der zweitgrößten Inselgruppe der westlichen Hemisphäre. Groß-Kanada, vom Nordpol bis zum Äquator. Die Sache verlief sich, man könnte sagen, im Sande. 1987 gab es erneut Gespräche, und Michael Misick, Ministerpräsident des exotischen Archipels, ist heute angeblich "sehr interessiert, die Frage mit Kanada zu diskutieren". Früher ging es bei Eroberungen im Süden um Gewürze, Gold und Sklaven, heute um einen Platz an der Sonne - sanfter Kolonialismus.

Und was ist mit uns? Nun, die fünf neuen Länder sind nicht zu verachten. Und die Ostsee wird gut und gern 18 Grad warm. Wir sollten trotzdem größer denken. Mallorca? Müssen wir nicht mehr aufnehmen, gehört uns eh' schon. Aber was wäre mit Kuba als 17. Bundesland?

Erst mal abwarten, was die Kanadier machen. Jetzt sitzen die Bedenkenträger im Parlament in Ottawa. Typisch. Aber was ein Turks- und Caicosianer ist, der lässt sich nicht ewig bitten. Wie heißt noch der Werbeslogan der Inseln? "Get lost." Das heißt "sich verlieren". Aber auch: "Verzieh dich!"

[Artikel erschienen am 11. April 2004 in der WamS]

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